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17:23 Uhr - 09.06.2015

Nicht nur tiefere Kosten locken ins Ausland

Schweizer Gesellschaften verfolgen verschiedene Strategien, um im Ausland Fuss zu fassen. Damit sie aufgehen, muss vieles stimmen.

Viele Gründe treiben ein Unternehmen ins Ausland: Wachstum durch neue Absatzmärkte, Nähe zum Kunden, Diversifikation oder eine tiefere Kostenbasis. Mit dem Wegfall des Euromindestkurses am 15. Januar hat sich der seit Jahren anhaltende Kostendruck noch verstärkt. Die Kostenbasis hat im Vergleich zur Konkurrenz aus dem Euroraum seither 15% zugelegt.

zoomGemäss einer Umfrage des Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsunternehmens EY von Anfang Mai bei 250 Unternehmen aus der Schweiz spüren 60% negative Auswirkungen der Frankenstärke, und bei jedem achten Unternehmen ist die Verlagerung ins Ausland ein Thema. Gemäss Philip Robinson, Verwaltungsratspräsident von EY Schweiz, kann die Aufhebung der Eurountergrenze das Outsourcing beschleunigen.

zoomBeispielsweise will das Elektrotechnikunternehmen Huber+Suhner (HUBN 42.65 -2.85%) die Kapazitäten im Ausland schneller ausbauen als geplant.

Möglichkeiten zur Auslagerung der Produktion gibt es mehrere: Beschaffung von Vorleistungen, Aufbau eigener Produktionskapazität, Eingehen einer Partnerschaft oder Übernahme eines Unternehmens.

Risiken von Expansionsstrategien gibt es viele. Ein Blick in die Vergangenheit zeigt, worauf expansionswillige Gesellschaften schauen müssen.

Andere machen die Arbeit

Im Einkauf bestehen einfache Möglichkeiten: Unternehmen können beispielsweise Komponenten statt in der Schweiz im Euroland beschaffen. Bei dieser Strategie baut die Gesellschaft keine eigenen Kapazitäten auf, sondern geht eine vertragliche Zusammenarbeit mit einem ausländischen Produzenten ein.

Die eingekauften Produkte müssen aber nicht nur günstiger sein, sondern auch der gewünschten Qualität entsprechen. Risiken bestehen jedoch nicht nur in der Qualitätssicherung. «Unternehmen sollten nur so viel wie nötig preisgeben und sensible Dinge nicht offenlegen», sagt Anne-Catherine Hahn, Partnerin bei der Kanzlei Baker McKenzie, die Unternehmen bei Outsourcing-Projekten berät. Sie betont, entscheidend sei der Schutz des geistigen Eigentums. Laut Hahn wechseln beispielsweise in China gut qualifizierte Leute schnell, weswegen Know-how abwandern kann. Falls es dann zu Regelverstössen komme, «sind sie sehr schwierig zu ahnden», sagt sie.

Eine weitere Möglichkeit ist der Aufbau von eigenen Produktionsanlagen. «Wenn das Unternehmen etwas selbst aufbaut, hat es die direkte Kontrolle über den gesamten Prozess», sagt Robinson. Dies braucht aber seine Zeit. Sofern keine Infrastruktur vorhanden ist, dauert es laut Peter Schmid, Partner Supply Chain Management beim Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsunternehmen KPMG Schweiz, «zwei bis drei Jahre, bis sie effizient produzieren können. Oft ist es dann aber noch nicht gewinnbringend.» Entscheidend ist es zudem, dass ausreichend gut qualifizierte Leute vor Ort sind.

Recht(e) haben

Wie wichtig rechtliche Rahmenbedingungen sind, zeigt das Abenteuer des Stromkonzerns Alpiq in Rumänien. Über Tochtergesellschaften bezog Alpiq günstigen Strom von Hidroelectrica. Im Sommer 2012 meldete das Staatsunternehmen Insolvenz an und kündigte die Lieferverträge mit einem Buchwert von 80 Mio. Fr. Mehrere Gerichtsurteile später wird immer noch darüber gestritten, ob das mittlerweile auferstandene Unternehmen insolvent ist und ob Alpiq eine Entschädigung erhält. Die sorgfältige Auswahl eines Partners, verbunden mit klar definierten Pflichten, ist darum entscheidend.

Ein lokaler Partner vor Ort verkürzt die Zeit des Aufbaus von Produktionsanlagen. Kenntnisse des Marktes und der lokalen Gegebenheiten vereinfachen den Schritt ins Ausland. Entscheidend ist laut Philippe Reich, Partner bei Baker McKenzie, aber, dass sich das Unternehmen dem lokalen Markt anpasst. Sonst kann es sich nicht durchsetzen. Gemäss Reich ist ein Joint Venture ein guter Testlauf, um herauszufinden, wie eine Gesellschaft im Markt weiter präsent sein will. Lohnt sich ein Alleingang, oder muss die Expansion abgesagt werden?

Komax (KOMN 161.3 -1.41%) entschied sich im vorigen Jahr für den Rückzug. Der Maschinenhersteller ging 2011 mit Yingkou Jinchen aus China ein Joint Venture ein, um vom Solarboom zu profitieren. Der Boom war aber schon vorbei. Staatliche Subventionen führten zu massiver Überkapazität am Markt und machten dem Industrieunternehmen ein Strich durch die Rechnung. Nach Verlusten in Millionenhöhe verkaufte Komax 2014 die Anteile an den lokalen Partner.

Ein Standbein kaufen

Mehr Aufmerksamkeit erhalten Akquisitionen, da sie im Gegensatz zum schrittweisen Aufbau eigener Produktionsanlagen einer Ad-hoc-Publizitätspflicht unterstehen. Laut Robinson lässt sich die Verlagerung  unter Umständen «schneller umsetzen durch den Kauf einer Produktionsstätte im Ausland, die bereits ähnliche Produkte herstellt». Vorher gilt es aber rechtliche und regulatorische Hindernisse zu beachten. Hierzu zählen Bewilligungsverfahren oder auch Kapitalverkehrskontrollen. Nicht zu vergessen sind rechtliche Besonderheiten auf Länderebene wie etwa der strikte Arbeitsschutz in Italien.

Swisscom (SCMN 525 -0.85%) hatte mit der Akquisition des italienischen Breitbandanbieters Fastweb lange zu kämpfen. Er wurde auf dem Höhepunkt des Wirtschaftsbooms akquiriert, bald mussten die Prognosen revidiert werden. 2011 folgte eine Wertberichtigung über 1,2 Mrd. Fr. Das Geschäft hat sich aber verbessert, und Finanzchef Mario Rossi rechnet für das laufende Jahr mit einem Umsatzplus und einem höheren Betriebsergebnis auf Stufe Ebitda. Der Milchverarbeiter Emmi (EMMN 300.75 -0.58%) hingegen hat sich vergangenes Jahr von seiner italienischen Tochter Trentinalatte getrennt.

Schweizer Unternehmen sind nicht erst seit dem 15. Januar mit einem starken Franken konfrontiert. Der Kostendruck besteht schon seit Jahren, und die meisten Gesellschaften haben ihre Hausaufgaben gemacht. Der Grossteil der Produktion von kotierten Unternehmen findet bereits im Ausland statt, und die Prozesse in der Schweiz wurden in den vorigen Jahren optimiert. Für Sektoren wie Automobilzulieferer ist die Nähe zum Kunden zudem überlebenswichtig. Gemäss der EY-Studie führt nur jede achte Gesellschaft im laufenden Jahr eine Auslagerung durch, obgleich mehr als die Hälfte vom starken Franken betroffen ist. Die Unternehmen sind also schon weit. Der Prozess der Auslagerung ist aber noch nicht abgeschlossen und wird auch weitergehen müssen.

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