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07:05 Uhr - 29.01.2018

Pimco: «Zu denken, es bleibe so ruhig, wäre naiv»

Scott Mather, US-Anlagechef von Pimco, erwartet an den Finanzmärkten zunehmende Kursschwankungen und favorisiert defensive Investments.

Der Bondmarkt kommt in Bewegung. Die Wirtschaft gewinnt weltweit an Dynamik, und die Zinsen steigen. In den USA sind die Renditen auf langfristige Staatsanleihen diese Woche auf den höchsten Stand seit dem Sommer 2014 geklettert. Dennoch beunruhigt das die Börse kaum. Der Dow Jones (Dow Jones 26616.71 0.85%) jagt von Rekord zu Rekord, und Investoren wagen sich immer weiter ins Risiko. «Bisher hat sich das ausgezahlt.

Doch es ist gefährlich», sagt Scott Mather. Der routinierte Investmentprofi ist beim Bondriesen Pimco für amerikanische Kernanlagen zuständig und bewirtschaftet den legendären Total (FP 0 0%) Return Fund, den zuvor Bill Gross leitete. Mather rechnet damit, dass Inflation nun zu einem Schlüsselfaktor wird und die Volatilität an den Märkten mit der globalen Normalisierung der Geldpolitik wieder zunimmt.

Herr Mather, am Bondmarkt steigen die Renditen. Reflektiert sich darin, dass es mit der Wirtschaft aufwärtsgeht?
Die Konjunktur expandiert so kräftig wie schon lange nicht mehr. Erstmals seit geraumer Zeit hinkt keine bedeutende Wirtschaftsregion dem globalen Wachstumstrend hinterher. Die Aussichten in Europa sind erfreulich, und in den USA geben die wirtschaftspolitischen Massnahmen der Wirtschaft zusätzlichen Schub. Auch aus Japan gibt es ermutigende Signale, und in den aufstrebenden Märkten haben sich fast alle Problemfälle entschärft. Insgesamt wird die Weltwirtschaft 2018 rund 3,25 bis 3,5% wachsen. Das ist deutlich schneller als vor einem Jahr erwartet.

Wie robust ist der Aufschwung in den USA?
Die Ende 2017 verabschiedete Steuerreform ist so konzipiert, dass Unternehmen einen Anreiz haben, Ausgaben unmittelbar zu tätigen, um dann in den folgenden Jahren von den tieferen Steuersätzen zu profitieren. Das führt kurzfristig zu einem Anstieg der Investitionen. Dazu kommen höhere Staatsausgaben für die Wiederaufbauarbeiten nach den verheerenden Hurrikanen und für Rüstung. Das sind aber alles nur einmalige Effekte. Auch herrscht am Arbeitsmarkt bereits nahezu Vollbeschäftigung. Ich fürchte deshalb, dass sich das Wachstum danach wieder verlangsamen wird.

Und wie steht es um die Aussichten für die Inflation?
Inflation ist ein Faktor, der dieses Jahr ins Spiel kommen wird. Es überrascht, dass die Löhne in den USA trotz dem robusten Jobwachstum bisher kaum angezogen haben. Die Marktkräfte von Angebot und Nachfrage sind aber nicht aufgehoben. Steigen die Löhne von nun an, ist das ein Vorzeichen für Teuerung generell. Ich erwarte daher, dass sich die Inflation der 2%-Zielrate der US-Notenbank nähert und sie darin bestärkt, die Zinsen auf ein neutrales Niveau zu heben, das die Konjunktur weder stimuliert noch beeinträchtigt. Es könnte sogar sein, dass die Währungshüter etwas nervös werden und sich Sorgen machen, dass die Inflation über das Ziel hinausschiesst.

Was heisst das für die Geldpolitik?
Die Normalisierung der Geldpolitik wird 2018 das grosse Thema an den Finanzmärkten sein. Wir geraten in ein Umfeld, in dem die Zentralbanken weltweit einen strengeren Kurs einschlagen. In den USA wird das Federal Reserve den Leitzins dieses Jahr zwei bis drei weitere Male auf 2 bis 2,5% anheben. Gleichzeitig fährt die Europäische Zentralbank ihr Stimulusprogramm bis Ende Jahr zurück. Von der Bank of England über die Bank of Japan bis zur Reserve Bank of Australia werden auch andere Institute ihre Politik straffen.

Derzeit fokussieren sich Investoren vor allem auf die EZB. Wird es ihr gelingen, die Zinsen zu normalisieren?
In Europa hat die Inflation den Tiefpunkt durchschritten. Die EZB wird sich daher am Federal Reserve orientieren und versuchen, den Normalisierungsprozess zu forcieren. Oberste Priorität hat zunächst, von den negativen Zinsen wegzukommen. Wenn das gelingt, muss sich die EZB dann entscheiden, ob sie als Nächstes die Zinsen von der Nulllinie wegbringen will oder den Abbau der Bilanz in Angriff nimmt. Ich gehe davon aus, dass sie dem gleichen Drehbuch wie das Fed folgt und sich zuerst auf die Zinsen konzentriert.

Seit die EZB die Zinsen in den negativen Bereich gedrückt hat, sind bald vier Jahre vergangen. Wie gross ist das Risiko, dass sie zu spät handelt?
Dass die Konjunktur in Europa so gut läuft, hat die EZB überrascht. Könnte sie einen Neuanfang machen, würde sie die Wertschriftenkäufe schneller zurückfahren. Generell frage ich mich, was Ausserirdische vom Mars wohl denken würden, wenn sie heute auf der Erde landeten. Sie dürften sich ziemlich wundern, was unsere Zentralbanken um alles in der Welt machen.

Weshalb?
Die Wirtschaft erholt sich schon seit geraumer Zeit von der Krise, und am Horizont sind keine grösseren Risiken erkennbar. Dennoch sind die Zinsen vielerorts noch immer negativ, die Zentralbanken sitzen auf massiven Bilanzen und haben die Normalisierung der Geldpolitik bisher nur zaghaft in Angriff genommen. Das wird sich nun grundlegend ändern, was die meisten Investoren unterschätzen.

Was bedeutet das für die Bondmärkte?
Wie die Finanzmärkte auf die Normalisierung reagieren werden, ist einer der grössten Unsicherheitsfaktoren. Niemand kann das wirklich abschätzen. Klar ist aber, dass der Bilanzabbau des Fed und das Zurückfahren des Stimulusprogramms der EZB für den Bondmarkt zu einer grossen Herausforderung werden. Denn das Angebot an Anleihen wird deutlich zunehmen. In den letzten zwei bis drei Jahren haben die Zentralbanken insgesamt jeweils rund 2000 Mrd.  $ an Wertschriften aufgekauft. Doch dieses Jahr werden sich die Nettokäufe auf null abflachen.

Im Markt für US-Staatsanleihen ist bereits etwas Nervosität spürbar. Die Renditen auf zehnjährige Treasuries bewegen sich auf dem höchsten Niveau seit Juni 2014. Wie geht es jetzt weiter?
Der Abbau der Fed-Bilanz und der fiskalpolitische Stimulus aus Washington sind Kräfte, die am langen Ende der Zinskurve Auftrieb geben. Ich rechne aber nicht damit, dass die Renditen deswegen drastisch hochschnellen. Die Zinsen auf zehnjährige Treasuries könnten zwar in die Grössenordnung um 2,75% steigen. Weit über 3% dürften sie es aber nicht schaffen.

Was hat das für Folgen?
Um die Wirtschaft mache ich mir weniger Sorgen. Die Normalisierung der Geldpolitik wird aber den Anstieg der Vermögenspreise dämpfen: Risikoprämien steigen, und Kursschwankungen nehmen zu. Wir wechseln also zurück in ein «normaleres» Marktumfeld. Wie sich das anfühlt, haben viele Investoren aber vergessen.

Anfang Februar wird Jerome Powell den Vorsitz des Federal Reserve übernehmen. Wie wird sich das Fed unter ihm verändern?
Mit einem Wechsel an der Spitze der US-Notenbank geht oft viel Unsicherheit einher. Powell sieht Yellen von seiner Einstellung her aber sehr ähnlich – und Yellen wiederum glich stark ihrem Vorgänger Ben Bernanke, der heute ein Berater von Pimco ist. Nach unserem Verständnis ist daher kein dramatischer Umbruch zu erwarten. Wichtig wird aber, wie Präsident Trump die übrigen Vakanzen im Fed besetzt. Ebenso entscheidend ist, wie das Fed reagiert, wenn etwas Unerwartetes passiert. Was, wenn es zum Beispiel ein Inflationsproblem gibt? Das Wachstum sich plötzlich verlangsamt? Oder sich sonst etwas Ungewöhnliches ereignet?

Die letzte böse Überraschung erlebte das Fed, als die Häuserpreise einbrachen. Was heisst es für den US-Hypothekenmarkt, wenn die Zinsen weiter steigen?
Hypotheken aus dem Privatsektor bleiben attraktiv. Sie sind in vielen Aspekten sicherer als Unternehmenskredite, da der Häusermarkt weniger eng mit der Gesamtwirtschaft verflochten ist. Die letzte Rezession war in diesem Sinn eine Ausnahme, weil die Immobilienpreise überall in Amerika gleichzeitig sanken. In den Köpfen der Investoren ist das noch immer verankert, was aber ein Denkfehler ist. Der nächste Abschwung wird nicht vom US-Häusermarkt ausgehen. Die Ursachen werden anderswo liegen.

Wo sehen Sie denn die grösste Gefahr?
Am meisten Sorgen machen wir uns über einen geopolitischen Zwischenfall: einen militärischen Konflikt zum Beispiel. So etwas könnte die Aussichten für die Wirtschaft abrupt dämpfen und die Märkte erschüttern. Derzeit schaut natürlich alles auf Nordkorea. Es gibt global aber auch sonst viel Instabilität. Die USA, Russland und China sind bei militärischen Manövern zudem ständig auf Tuchfühlung, sodass es zu einer Eskalation nicht viel braucht. Auch sind die geopolitischen Risiken viel grösser als früher, weil sich die Welt in den letzten zehn bis zwanzig Jahren wesentlich verändert hat. Es lässt sich heute kaum abschätzen, wie sich die staatlichen Verantwortungsträger in einer Krise verhalten werden.

Wie können sich Investoren auf so etwas vorbereiten?
Das ist sehr schwierig. Man kann dafür nicht einfach eine Wette platzieren, da wir keine Ahnung haben, wie sich ein solches Ereignis im Detail abspielen würde. Es ist aber ein zusätzlicher Grund, sich nicht darauf zu verlassen, dass die Aufwertung der Vermögenspreise ewig weitergeht und die Volatilität so tief bleibt.

Was empfehlen Sie also für eine Strategie?
Die Normalisierung der Zinsen in den USA hat bisher keine grösseren Verwerfungen verursacht. Zu denken, es bleibe so ruhig, wäre aber naiv, da Europa und Japan in der Geldpolitik nun den gleichen Kurs einschlagen werden. Die Straffungsmassnahmen des Fed haben die Märkte kaum belastet, weil die EZB und die Bank of Japan den Effekt mit ihren Stimulusmassnahmen ausgeglichen haben. Künftig bewegen sich jedoch alle Notenbanken in die gleiche Richtung. Das muss zwar nicht zwingend schwerwiegende Turbulenzen bedeuten. Man sollte sich aber darauf gefasst machen, dass sich die Rahmenbedingungen ändern werden.

Was heisst das konkret für Anlagen im Bondmarkt?
Es ist an der Zeit, etwas defensiver zu agieren. Derzeit gehen Investoren bewusst zu grosse Risiken ein, weil sie das Gefühl haben, es gebe keine Alternative. Jetzt ist es aber an der Zeit, sich zurückzunehmen und nicht zu versuchen, auch noch das letzte Prozent Rendite auszuschöpfen. Vielmehr lohnt es sich, bei Anleihen auf bessere Qualität, höhere Liquidität und kürzere Laufzeiten zu setzen. Gefragt sind Sicherheit und Geduld, denn es werden sich Chancen eröffnen. Wer aber bereits voll im Risiko ist, wird sie nicht nutzen können.

Wo machen Sie solche Investments aus?
Die Normalisierung der Zinsen in den USA ist viel weiter fortgeschritten als in anderen Ländern. Damit gewinnen US- Anleihen von hoher Qualität an Reiz. Amerika ist derzeit praktisch der einzige «echte» Bondmarkt, denn Renditen von diesem Kaliber gibt es weder in Europa noch in Japan. Bis andere Länder aufholen, lohnt es sich deshalb, amerikanische Bonds im Portfolio überzugewichten.

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