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02:24 Uhr - 17.02.2016

«Credit Suisse braucht nicht mehr Kapital»

David Herro, Investmentchef für internationale Aktien bei Harris Associates, nutzt den Kurssturz von Credit Suisse und LafargeHolcim für zusätzliche Engagements. Beim Airline-Caterer Gategroup sieht er keinen Änderungsbedarf im Verwaltungsrat.

An den Weltbörsen herrscht ein raues Klima. Das bekommen auch Schweizer Unternehmen wie LafargeHolcim (LHN 36.24 -2%) und Credit Suisse (CSGN 13.26 -1.41%) empfindlich zu spüren, deren Aktienkurs tief eingebrochen ist. David Herro macht das jedoch nicht nervös. Im Gegenteil: Der erfolgreiche Value-Investor aus Chicago nutzt die Panikschübe sogar, um die Beteiligung an den beiden Unternehmen auszubauen. Der CIO für internationale Aktien beim Vermögensverwalter Harris Associates ist überzeugt, dass die zwei Gesellschaften trotz den jüngsten Turbulenzen auf dem richtigen Weg sind, Mehrwert für die Aktionäre zu schaffen.

Herr Herro, die Börsen haben in den vergangenen Wochen stark korrigiert. Wie erleben Sie diese Erschütterungen als Value-Investor?

Unsere Investmentphilosophie ist klar: Wir berechnen den inneren Wert eines Unternehmens und, wenn der Aktienkurs bedeutend darunter fällt, dann schlagen wir zu. Umgekehrt trimmen wir eine Position, wenn der Kurs einer Gesellschaft steigt und sich damit immer mehr dem inneren Wert nähert. Nach diesem Value-Ansatz investieren inzwischen seit mehr als zwanzig Jahren.

In Ihrem Portfolio befinden sich viele Schweizer Unternehmen. Eine bedeutende Position halten Sie mitunter am Zementriesen LafargeHolcim. Haben Sie den Rückschlag im Aktienkurs demnach für Zukäufe genutzt?

Wir haben unser Engagement ausgebaut und halten heute ungefähr 6,4% an LafargeHolcim. Die Idee dahinter ist recht simpel: Das schwierige Konjunkturumfeld belastet derzeit zwar den Kurs. Der Konzern konzentriert sich jedoch stark darauf, den Ertrag zu steigern. Zudem verhält sich die gesamte Zementbranche inzwischen viel klüger und hört damit auf, die Kapazitäten immer mehr auszuweiten. Wer also beim Zeithorizont wie ein Investor denkt und nicht wie ein kurzfristig orientierter Trader, dem eröffnet sich ein idealer Einstiegspunkt.

An den Börsen wachsen jedoch die Sorgen, dass sich die Weltwirtschaft weiter abkühlt. Das wird auch die Zementindustrie spüren.

Klar kämpft LafargeHolcim hier mit Gegenwind. Was in den letzten sechs Monaten mit dem Aktien passiert ist, steht jedoch in keinem Verhältnis dazu. Die Titel sind deshalb sehr attraktiv bewertet. Auch ist der Konzern solid aufgestellt. In den USA zum Beispiel läuft das Zementgeschäft gut und in den aufstrebenden Märkten hat es jetzt hoffentlich den Tiefpunkt erreicht. Selbst aus Europa sollten wir in den nächsten ein bis zwei Jahren wieder bessere Nachrichten hören.

Seit dem Schulterschluss von Holcim und dem französische Konkurrenten Lafarge ist bald ein Jahr vergangen. Wie verläuft die Integration der beiden Unternehmen aus Ihrer Sicht?

Seit die Transaktion abgeschlossen wurde, hat das Management wiederholt betont, die Rendite auf dem eingesetzten Kapital signifikant zu verbessern. Das, indem es den Fokus auf die Bereiche mit robusten Erträgen legt. Ich erwarte deshalb, dass Geschäfte, die nicht zur Gruppe passen, verkauft werden. Das Unternehmen sollte dafür einen guten Preis erzielen, zumal die globale Zementbranche von wenigen Spielern dominiert wird und sich die Marktstruktur über Konsolidierungen verbessern lässt. Auf dem aktuellen Kursniveau rechne ich damit, dass HolcimLafarge die freigesetzten Mittel aus den anstehenden Devestitionen dann für den Rückkauf eigener Aktien nutzt.

Und wie beurteilen Sie die Situation im Verwaltungsrat? Präsident Wolfgang Reitzle hat vor wenigen Tagen überraschend den Rücktritt erklärt, um künftig das Aufsichtsgremium von Linde zu leiten.

Bei einem Zusammenschluss von zwei Unternehmen sind Veränderungen im Management und im Verwaltungsrat vollkommen natürlich. Solange diese Abgänge mit kompetenten Personen ersetzt werden, ist das aus unserer Sicht kein Problem. Beat Hess  ist als künftiger VR-Präsident eine sehr gute Wahl. Ausserdem haben die Aktionäre mit Nassef Sawiris und den Vertretern von Groupe Bruxelles Lambert eine kräftige Stimme im Verwaltungsrat. Die Interessen der Eigentümer und der Konzernleitung gehen damit in die gleiche Richtung, was uns sehr gefällt.

Apropos Eigentümer: Der russische Grossaktionär Filaret Galchew musste seine Beteiligung Anfang Monat zwangsverkaufen. Was hat das für Konsequenzen?

Am fundamentalen Wert von HolcimLafarge ändert das nichts. So wie ich es verstehe, hat Galchew auch versucht, massgeblich Einfluss auf den Konzern zu nehmen, obschon sein Anteil nicht entsprechend gross war. Wenn überhaupt, ist das insgesamt also sogar eine leicht positive Entwicklung.

Erhebliche an Terrain verloren haben auch die Aktien von Credit Suisse, eine weitere Grossposition in ihrem Portfolio. Wie schätzen Sie die Aussichten der Grossbank ein?

Credit Suisse schlägt unter dem neuen CEO Tidjane Thiam einen aggressiveren Transformationskurs ein, als das unter seinem Vorgänger Brady Dougan der Fall war. Auch hier ist das Hauptziel, die Rendite auf dem Kapital zu steigern. Dazu sollen unrentable Bereiche im Investment Banking verkauft und daraus gewonnene Einnahmen im Private Banking eingesetzt werden. Dass dieser Umbau nicht ganz reibungsfrei verläuft, ist klar. Gleichzeitig ist im europäischen Bankensektor viel Angst vor negativen Zinsen aufgekommen. Das hat die Aktien von Credit Suisse besonders hart getroffen, was völlig ungerechtfertigt ist. Ich sehe keinen Grund, warum das Unternehmen plötzlich 40 oder 50% weniger Wert sein sollte als vor einem halben Jahr.

Was erwarten Sie sich denn von der Neuausrichtung der Bank?

Nach der Transformation wird Credit Suisse über ein viel stärkeres Profil verfügen, was das Wachstum des Cashflows und des Gewinns betrifft. Auch ist die Bank dann viel sicherer kapitalisiert. Dieser Prozess wird aber nicht zwei, drei oder fünf Jahre in Anspruch nehmen. Schon nächstes Jahr wird Credit Suisse so aufgestellt sein, wie das angestrebt ist. Im ersten Halbjahr 2016 könnte es damit zwar etwas ruppig bleiben. Wenn das Unternehmen jedoch aus dieser Phase kommt, wird es viel robuster sein. Entsprechend freundlich wird das die Börse aufnehmen.

Gerade Fragen zur Eigenmitteldecke kommen jetzt aber erneut auf. Was ist Ihre Ansicht zu diesem Dauerthema?

Credit Suisse braucht nicht mehr Kapital. Wie der Abschluss zum vierten Quartal gezeigt hat, liegt die Bank nur noch einen Viertelprozentpunkt unter den Vorgaben für das harte Kernkapital. Sie macht Fortschritte, schafft Kapital und muss keine frischen Mittel am Markt aufnehmen. Hinzu kommt die Möglichkeit, einen Teil des Schweizer Geschäfts als separate Gesellschaft an die Börse zu bringen. Kapitalmässig ist Credit Suisse damit sehr stark aufgestellt.

Zum Schluss noch eine Frage zur Beteiligung am Airline-Caterer Gategroup. Dort versuchen die Hedge Funds RBR Capital und Fund Cologny Advisors erneut, Änderungen im Verwaltungsrat zu erzwingen. Unterstützen Sie diese Bestrebungen?

Ich habe noch nie so viel Lärm um eine relativ kleine Firma wie Gategroup (GATE 35.05 0.14%) erlebt.  Im Verwaltungsrat hat es bereits erhebliche positive Veränderungen gegeben. Deshalb sind wir gegen die Forderung dieser beiden Hedge Funds. Auch sind der CEO und der CFO verhältnismässig neu in ihrem Amt und liefern gute Arbeit. Diesen personellen Wechsel hat der amtierende VR-Präsident eingeleitet, auch wenn er sich zunächst dagegen sperrte. Ich sehe also keine Grund, warum er jetzt abtreten sollte. Gategroup muss sich stabilisieren und braucht momentan keine weiteren Veränderungen.

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