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17:47 Uhr - 25.08.2015

Wie es mit Aktien weitergeht

Die erste Korrektur der amerikanischen Börse seit vier Jahren läutet noch nicht das Ende der Hausse ein.

Unter Anlegern macht sich Nervosität breit. Und dies, nachdem sie die zunehmenden Warnsignale während Monaten locker weggesteckt hatten. zoomDie Wachstumsschwäche in den Schwellenländern, der Einbruch an den Rohstoffmärkten, die erratischen Bewegungen der Zinsen deutscher Staatsanleihen oder die massiven Verschiebungen im Gefüge zwischen dem Dollar und diversen Währungen der Emerging Markets – all dies wurde bis vor kurzem mit Verweis auf die Alternativlosigkeit von Aktien unter den Teppich gewischt.

Das änderte sich, als China vor zwei Wochen den Yuan abwertete. Plötzlich machten sich Sorgen über den Zustand der zweitgrössten Volkswirtschaft der Welt breit. Dazu kommt die Angst vor weiteren Abwertungsschüben, die den Handelspartnern auf dem Weltmarkt zusetzen würden. Grosse Exporteure wie Deutschland oder Japan bekämen den Preisdruck zu spüren, den massiv günstigere  chinesische Produkte ausüben.

zoomEntsprechend unter Druck gerieten die Aktienmärkte dieser Länder. Der Dax ist seit seinem im April verzeichneten Höchst mehr als 20% eingebrochen und befindet sich damit nach offizieller Lesart in einem Bärenmarkt. Beim Nikkei beträgt das Minus 15%. Sogar der amerikanische S&P 500 (SP500 1867.61 -1.35%), der die globale Hausse seit dem Ende der Finanzkrise anführt, hat bis Montag über 10% verloren. Das ist die erste Korrektur seit vier Jahren.

Behörden eilen zur Hilfe

Wie geht es an den Aktienmärkten nun weiter? «Setzt sich die Talfahrt an den Börsen fort, werden die Behörden mit weiteren monetären und fiskalischen Massnahmen gegensteuern», ist der Zuger Makrostratege Felix Zulauf überzeugt. Deshalb könnten die Titel, die den Zyklus bisher angeführt haben, nochmals Auftrieb erhalten. Gemeint sind defensive Qualitätsaktien aus dem Gesundheits- und dem Basiskonsumgüterbereich wie Novartis (NOVN 90.6 -2.21%) oder Nestlé (NESN 69.85 -0.92%), die von vielen Anlegern als Anleihenersatz erworben wurden. Zyklische Unternehmen hingegen hätten wegen des von China ausgehenden Abschwungs weiterhin das Nachsehen.

In diese Richtung zielt auch Michael Hartnett, Stratege bei Bank of America (BAC 15.26 -0.2%) Merrill Lynch, der in einem Kommentar schreibt: «Die Märkte hören auf, panisch zu reagieren, wenn die Zentralbanken beginnen, auf Panik zu machen.» Auch er glaubt, die Währungshüter würden einem Ausverkauf an den Börsen nicht tatenlos zusehen. Die Wende zum Besseren könne im September eintreten, wenn die US-Notenbank angesichts der jüngsten Ereignisse auf eine Zinserhöhung verzichte.

Von den Märkten ebenfalls positiv aufgenommen würde ein überzeugenderes Gesamtpaket der chinesischen Behörden zur Stimulierung der Konjunktur. Der Kurssprung an den europäischen Börsen, der die Leitzinssenkung der People’s Bank of China am Dienstag begleitete, scheint Zulauf und Hartnett recht zu geben.

Auch Hartnett traut den Pharma- und Biotech-Aktien sowie den Technologiewerten weitere Avancen bis hin zur Blasenbildung zu: «Eine Technologieblase bleibt der grösste Pain Trade dieses Zyklus.» Dies, weil Anleger nicht für eine Aufwärtsbeschleunigung der Kurse positioniert seien. Deshalb empfiehlt er, die Korrektur für Zukäufe zu nutzen.

«Es fühlt sich an wie während der Asienkrise»Wallstreet-Veteran Art Cashin erlebt den Kurssturz an den Börsen hautnah auf dem Trading Floor der New York Stock Exchange. Er fürchtet einen Währungskrieg unter den Schwellenländern und sieht keine Chance für eine Zinserhöhung in den USA. Lesen Sie hier das Interview.In der Tat scheint bereits ein Drehbuch für die weitere Marktentwicklung zu existieren. Die gegenwärtige Lage erinnert an die Asien- und die Russlandkrise Ende der Neunzigerjahre. Nachdem Russland im August 1998 den Rubel abgewertet und erklärt hatte, es sei zahlungsunfähig, korrigierte der S&P 500 mehr als 20%. Kurze Zeit später schritt die US-Notenbank Fed ein, um den vor dem Bankrott stehenden Hedge Fund LTCM zu retten, der sich mit Russlandpapieren verspekuliert hatte.

Risiko Notenbankimpotenzzoom

Weil die US-Wirtschaft den zusätzlichen Stimulus damals nicht nötig hatte, pumpte die so geschaffene Liquidität an der amerikanischen Börse die grösste Blase aller Zeiten auf. Gleichzeitig kamen Schwellenländeraktien nicht vom Fleck. Auch jetzt steht die US-Wirtschaft vergleichsweise gut da, während es in den Emerging Markets kriselt.

Hartnett weist jedoch auch auf die Gefahren für die Hausse hin. Gehe die Potenz der Zentralbanken verloren, würden die Märkte einstürzen, schreibt er. Das glaubt auch der unabhängige Stratege Russell Napier. Doch im Gegensatz zu Hartnett ist der Schotte überzeugt, dass den Notenbanken die Kontrolle bereits entglitten ist, «China muss mehr als 20 Prozent abwerten»Russell Napier, unabhängiger Stratege, erwartet eine Reihe von Zahlungsausfällen in den Schwellenländern. Das Fed werde die Zinsen nicht erhöhen können,
sagt er im Interview mit FuW.
weil die bisherigen Reflationierungsbemühungen wirkungslos verpufften.

So habe die unorthodoxe Geldpolitik die nominale Wirtschaftsleistung nicht gesteigert; stattdessen drohe ein deflationärer Schock. «Was wir derzeit weltweit beobachten können, ist das Scheitern dieser Geldpolitik», sagte Napier im Interview mit «Finanz und Wirtschaft». Deshalb würden zusätzliche Massnahmen des Fed die Börsen diesmal nicht weiter hochtreiben.

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