Zurück zur Übersicht
10:15 Uhr - 20.01.2015

Gloor: «Negativzinsen sind schlecht für Privatbanken»

Christoph Gloor, Präsident der Vereinigung Schweizerischer Privatbanken, kritisiert die Negativzinsen als wettbewerbsverzerrend. «Das ist nur sehr schwer hinnehmbar», sagt er im Gespräch mit «Finanz und Wirtschaft».

Herr Gloor, in welcher Form sind die Privatbanken vom Entscheid der SNB betroffen?
Der Entscheid der Nationalbank, die Mindestgrenze gegenüber dem Euro nicht mehr zu halten, hat für uns Privatbanken vielfältige Auswirkungen – die meisten davon negativ. Zuerst einmal sind wir so etwas wie eine Exportindustrie. Unsere Kosten fallen im Inland an, die Einnahmen stammen je nach Institut zu einem grösseren oder sehr grossen Teil aus dem Ausland respektive von unseren ausländischen Kunden. Für diese sind unsere Dienstleistungen auf einen Schlag teurer geworden. Dazu kommt, dass durch die Währungs- und Kursverschiebungen die Vermögen unter Verwaltung – die oftmals Basis für die Berechnung der Gebühren sind – geschrumpft sind. Auf der positiven Seite ist aber immerhin zu vermerken, dass ausländische Anleger, die in Franken investierten – und das sind nicht wenige –, einen schönen Währungsgewinn verzeichnet haben.

Wie ist aus Privatbankensicht die Verschärfung des Negativzinsregimes zu werten?
Negativzinsen sind für uns Privatbanken ausgesprochen schlecht. Wenn SNB-Präsident Thomas Jordan erklärt, der Negativzins habe keine Auswirkungen auf die Sparer und die Kunden, so ist das für Banken ein klarer Auftrag: Sie dürfen die Negativzinsen nicht an die Kunden weitergeben, sondern müssen die Zinslast selbst tragen. Und die ist für gewisse Vermögensverwaltungsbanken, die kein aktives Bilanzgeschäft betreiben, sehr einschneidend, während die systemrelevanten Grossbanken von dieser Massnahme nicht betroffen sind. Sie ist somit stark wettbewerbsverzerrend, was nur sehr schwer hinnehmbar ist. Mehr noch: Die Verschärfung des Negativzinses beweist, dass die Ankündigung im Dezember die erwünschte Wirkung nicht oder nur ganz kurzfristig gezeigt hat. Der Negativzins kann nur dann die gewünschte Wirkung erzielen, wenn für alle Akteure die gleichen Bedingungen herrschen. Es scheint mir, dass diese Massnahme nicht in allen Konsequenzen durchdacht worden ist.

Die Inlandbanken haben gefordert, dass das Bankgeheimnis auch in der Schweiz abgeschafft wird. Was halten Sie von dieser Forderung?
Ganz entscheidend für die Beurteilung dieser Frage ist der Unterschied zwischen dem Bankgeheimnis per se und dem steuerlichen Bankgeheimnis. Das Bankgeheimnis als Vertrauensschutz darf selbstverständlich so wenig abgeschafft werden wie das Arzt- oder das Anwaltsgeheimnis. Die Abschaffung dieses Bankgeheimnisses wäre fatal. Ganz anders präsentiert sich die Sache beim steuerlichen Bankgeheimnis. Das betrifft uns als Banken und Privatbanken eigentlich nur am Rande und ist eine Grundsatzfrage, die es zwischen dem Bürger und dem Staat zu regeln gilt. Wir als Banken müssen aber eindeutig zunehmend aufpassen, dass wir hier vom Staat und von der Gesellschaft nicht in die Pflicht genommen werden und als verlängerter Arm des Steueramtes agieren müssen. Der automatische Informationsaustausch wird über kurz oder lang auch in der Schweiz kommen, das ist eine Realität, und darin sind wir mit den Inlandbanken einig, auch wenn wir seine Einführung nicht fordern.

Wie beurteilen Sie die jüngsten Entwicklungen rund um das US-Steuerprogramm?
Ich finde es höchst beunruhigend, dass der erste Entwurf des amerikanischen Justizdepartements DOJ nicht nur vom ursprünglich präsentierten Programm abweicht, sondern ihm geradezu widerspricht. Und nicht nur das: Dieser Entwurf würde sogar der schweizerischen Gesetzgebung widersprechen und damit Schweizer Banken zwingen, das schweizerische Recht zu brechen. Das kann und darf nicht sein. Die jüngsten Signale, die wir erhalten, stimmen positiv, dass eine für alle Seiten vertretbare Lösung zur Beendigung des Steuerstreits gefunden werden kann. Es ist meiner Meinung nach sehr bedauerlich, dass die bisher bekannten Entwürfe des DOJ ein sehr grosses Misstrauen der amerikanischen Behörden der Schweiz und den Schweizer Banken gegenüber spiegeln. Die Amerikaner realisieren ganz offensichtlich nicht, welch grossen Aufwand wir Banken betreiben, um dieses Problem zu lösen. Das sollte von der amerikanischen Seite doch auch honoriert werden.

Die Schweizer Beratungs- und Revisionsgesellschaft BDO empfiehlt kleineren Banken mit wenigen US-Kunden, nicht am Programm zu partizipieren. Können Sie sich dem anschliessen?
Nein, und ich kann diese Forderung oder Empfehlung von BDO auch nicht nachvollziehen. Die meisten Kategorie-2-Banken sind in ihrer Arbeit schon sehr weit fortgeschritten und wissen nun dank einem grossen Aufwand ziemlich genau, wie viel der US-Steuerstreit sie letztlich kosten könnte. In aller Regel dürfte der Betrag für die Institute, denen BDO den Ausstieg aus dem Programm empfiehlt, nicht sehr hoch sein. Banken, die nun nicht am US-Programm partizipieren oder sich zurückziehen wollen, springen im Gegensatz dazu ins Ungewisse. Das würde ich keiner Bank empfehlen. Dies ist jedoch meine persönliche Meinung.

Privatbanken klagen, gewisse Mitspieler würden mit Tiefstpreisen – die Rede ist von 40 Basispunkten für Vermögensverwaltungsmandate – Geschäft an sich reissen. Was sagen Sie als Verbandspräsident dazu?
Die Frage ist, ob es sich um Gebühren für einzelne Dienstleistungen oder eine All Inclusive Fee handelt. Ausgeschlossen sind Angebote in dieser Grössenordnung nicht. Ganz grundsätzlich kann festgestellt werden, dass wir Privatbanken mit unserem Angebot von solchen Tiefstpreisen nicht betroffen sind, da wir spezifische Dienstleistungen anbieten, die ihren Preis haben und haben dürfen, der von den Kunden auch als korrekt akzeptiert wird.

In Ihren Ausführungen an der Jahrespressekonferenz Ihres Verbands plädierten Sie dafür, dass die Wettbewerbsfähigkeit der Vermögensverwalter gestärkt wird. Wie soll das geschehen?
Hier geht es meiner Meinung nach vor allem darum, dass in der Regulierung nicht über die internationalen Standards hinausgeschossen und vor allem kein Swiss Finish eingeführt wird. Zudem muss die leidige Stempelsteuer, die viel Geschäft aus der Schweiz vertreibt, endlich, zwingend und rasch abgeschafft werden. Der Finanzplatz Schweiz kann sich die Stempelsteuer im heutigen Umfeld nicht mehr leisten. Und schliesslich muss der Marktzugang schweizerischer Institute im Ausland absolute Priorität haben.

Die Forderung nach dem Marktzugang ist nicht neu. Sehr realistisch scheint sie aufgrund der jüngsten Entwicklung in verschiedenen Ländern jedoch nicht zu sein.
Diese Einschätzung ist nicht falsch. Sicher ist, dass die Abstimmung am 9. Februar 2014 über die sogenannte Masseneinwanderungsinitiative der offiziellen Schweiz die Sache auch im Dossier Marktzugang für Banken nicht einfacher gemacht hat. Vielleicht kann die offizielle Schweiz aber gerade im Dossier Marktzugang auch noch etwas mehr machen und geschickter agieren. So sollte unserer Meinung nach in den Verhandlungen über den Marktzugang die Schweizer Seite vermehrt thematisieren, dass ausländische Bankinstitute im Ausland häufig gegenüber den einheimischen diskriminiert werden. Es muss jedoch auch hier differenziert werden. In gewissen Ländern – an erster Stelle ist hier Deutschland zu erwähnen – wird den Schweizer Instituten aufgrund geltender Vereinbarungen relativ einfach und vergleichsweise unbürokratisch Marktzugang gewährt. In anderen Ländern – hier steht beispielsweise Frankreich an der Spitze – werden Schweizer Banken jedoch systematisch behindert.

Mit dem Brunetti-Bericht scheinen die Privatbanken im Unterschied zu den Inlandbanken zufrieden zu sein. Ist diese Wahrnehmung korrekt?
Wir attestieren der breit abgestützten und sehr kompetenten Brunetti-Kommission, dass sie seriös gearbeitet hat. Nun geht es jedoch darum, ihre konkreten Empfehlungen möglichst rasch umzusetzen. Was die Kritik der Inlandbanken betrifft, so können wir die Forderung nach einer differenzierten Regulierung für unterschiedliche Bankkategorien nachvollziehen und unterstützen. Das ist etwas, worauf wir von der Vereinigung der Schweizerischen Privatbanken auch schon hingewiesen haben. Wir haben nichts gegen eine differenzierte Regulierung je nach Kategorie der Banken – ganz im Gegenteil. Es können nicht alle Institute gleich behandelt werden. Sie darf jedoch die internationale Äquivalenz nicht in Frage stellen.

Was ist für Sie eine rasche Umsetzung des Brunetti-Berichts?
Sicher ist: Man darf die im Brunetti-Bericht erwähnten Massnahmen nun auf gar keinen Fall auf die lange Bank schieben, sondern muss ihre Realisierung möglichst schnell und zügig an die Hand nehmen. Die Zeit drängt. Jeder Tag, der tatenlos vorbeigeht, ist verloren.

Zum Schluss: Welche negativen Entwicklungen im und rund um das Schweizer Private Banking bereiten Ihnen Sorgen?
Sorgen bereiten mir die protektionistischen Tendenzen in vielen Ländern, was den Marktzugang für Schweizer Banken erschwert oder sogar verunmöglicht. Zu erwähnen ist auch, dass die von uns empfohlene und von vielen Kunden gewünschte Regularisierung bislang nicht oder unvollständig versteuerter Vermögenswerte in vielen Ländern ausgesprochen – und vielleicht sogar gewollt – komplex ist. In etlichen Ländern hat man das Gefühl, sie hätten gar keine echte Freude an der Offenlegung und den damit verbundenen Steuereinnahmen. Die Tendenz, Banken und Bankmitarbeiter zunehmend zu kriminalisieren, macht mir ganz grosse Sorgen.

Was bleibt auf der positiven Seite?
Als Positivum ist zu erwähnen, dass die Rechtssicherheit des Schweizer Finanzplatzes allen Unkenrufen zum Trotz nach wie vor sehr gross ist, und zwar sowohl isoliert wie auch im internationalen Vergleich betrachtet. Die Rechtssicherheit ist nach wie vor ganz eindeutig ein Konkurrenzvorteil für den Schweizer Finanzplatz. Ins selbe Kapitel gehört der ausgesprochen gute Ruf, den die Schweiz im Allgemeinen und der Schweizer Finanzplatz im Besonderen in der Welt geniessen. Dieser gute Ruf kommt selbstverständlich nicht von ungefähr. Das Banking-Know-how und die Dienstleistungsqualität sind in der Schweiz ausgesprochen hoch. Sorgen wir dafür, dass das so bleibt.

 

Zur Person

[infolinked 2W]

Hat Ihnen der Artikel gefallen? Lösen Sie für 4 Wochen ein FuW-Testabo und lesen Sie auf www.fuw.ch Artikel, die nur unseren Abonnenten zugänglich sind.

Seite empfehlen



Kopieren Sie den Link [ctrl + c] und fügen Sie ihn in ein E-Mail ein [ctrl + v]. Aus Sicherheitsgründen ist kein Versand von E-Mails direkt vom VZ Finanzportal möglich.