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07:34 Uhr - 26.07.2019

Nestlé wirtschaftet deutlich profitabler

Der Nahrungsmittelkonzern bestätigt den guten Lauf. Nun richtet sich der Fokus über 2020 hinaus.

Nestlé (NESN 104.7 2.41%) gewinnt weiter an Fahrt. Unter CEO Mark Schneider hat sich der Lebensmittelkonzern in den vergangenen Quartalen deutlich gesteigert. Im ersten Halbjahr 2019 stieg das organische Wachstum wie erwartet auf 3,6%. Die zweite wichtige Kennziffer, die bereinigte Betriebsgewinnmarge, betrug 17,1 nach 16,1% in der Vorjahresperiode. Damit rückt das Unternehmen in die Nähe der Ziele für 2020.

Schneiders Strategie scheint aufzugehen. Nachdem Nestlé 2017 mit 2,4% aus eigener Kraft so langsam wuchs wie nie in den zwanzig Jahren davor, beschloss der CEO den Umbau und treibt diesen nun konsequent voran. Mit interner Innovation, strategischen Zukäufen wie jener der Handelssparte der US-Kaffeehauskette Starbucks (SBUX 90.98 0.36%) und dem Verkauf von Bereichen, die nicht zum Kerngeschäft gehören, will er den Konzern stärker fokussieren.

Wassergeschäft unter Druck

Für die verbesserte Profitabilität in den ersten sechs Monaten 2019 ist das Wachstumssegment Säuglingsnahrung mitverantwortlich. Für die entsprechende Produktgruppe Nutrition & Health Care beträgt die ausgewiesene Betriebsgewinnmarge mittlerweile 23%. Auch das Geschäft mit Hunde- und Katzenfutter ist lukrativ. Im ersten Halbjahr resultierte ein organisches Plus von 6,1%, die Marge betrug überdurchschnittliche 20,1%.

Unter Druck steht dagegen weiterhin das Wassergeschäft, das Schneider ebenfalls zu den schnell wachsenden Segmenten zählt. Zwar konnten die höheren Transport- und Logistikkosten im wichtigen US-Markt mittlerweile weitergegeben werden. Das verkaufte Volumen ging aber noch stärker zurück als bereits in den ersten drei Monaten. Damit verlor Nestlé wohl erneut Marktanteile. Die ausgewiesene Betriebsgewinnmarge stieg zwar von 10 auf 11,8%, liegt damit aber deutlich unter jener auf Konzernebene. Zeichnet sich nicht bald eine Erholung ab, muss sich Schneider Gedanken über die Zukunft der Sparte machen.

Erholt präsentierte sich das Geschäft mit Kaffee (Kaffee 131.705 0.04%). Im ersten Quartal lasteten hier die gesunkenen Rohstoffpreise auf dem Absatz. In der Zwischenzeit sei die Sparte zu einem Wachstum im mittleren einstelligen Prozentbereich zurückgekehrt, schreibt der Konzern. Positiv habe sich dabei die Einführung der ersten Starbucks-Produkte ausgewirkt. Seit Februar sind unter anderem Nespresso-kompatible Kaffeekapseln mit Starbucks-Kaffee in mehreren asiatischen Ländern erhältlich. Mit der Übernahme hat Nestlé das Angebot im Premiumsegment ausgebaut – ein weiteres Vorhaben Schneiders, um sich gegen den Preisdruck in verschiedenen Märkten zu stemmen.

USA ist Wachstumsmotor

Insgesamt stagnierte das Geschäft in Asien jedoch. Das organische Wachstum betrug wie im ersten Quartal 3,3%. Das bedeutet eine Abschwächung gegenüber 2018. Schuld daran sei insbesondere das schwächere Wachstum in einigen Sparten in China, das konjunkturelle Umfeld scheint nicht einfach zu sein.

Der Wachstumsmotor bleibt Amerika und insbesondere der grösste Einzelmarkt, die USA, sowie Brasilien. Wie bereits in den vergangenen Quartalen stiegen in der Region Americas sowohl das verkaufte Volumen als auch die Preise. Entsprechend resultierte ein organisches Plus von 3,9 nach 1% in der Vorjahresperiode respektive 3,4% im ersten Quartal. In Europa hat sich das deflationäre Umfeld zuletzt noch verstärkt und eine Entspannung ist derzeit nicht absehbar, umso erfreulicher ist das hohe Volumenwachstum.

Gewinnrückgang wegen Sondereffekt

Insgesamt stieg Nestlés Umsatz auf 45,5 Mrd. Fr. Kosteneinsparungen wirkten sich positiv auf die Profitabilität aus, dennoch ging die Bruttogewinnmarge leicht auf 50% zurück. Auf die bereinigte Betriebsgewinnmarge wirkte sich das nicht negativ aus. Sie nahm ebenfalls stärker als erwartet zu.

Unter dem Strich resultierte ein deutlicher Gewinnrückgang auf 5 Mrd. Fr. Schuld daran ist ein Sondereffekt im vergangenen Jahr: Damals resultierte allein aus dem Verkauf des US-Süsswarengeschäfts ein ausserordentlicher Gewinn von 900 Mio. Fr.

Bereinigt stieg der den Aktionären zurechenbare Gewinn dank dem Wachstum und der Margenverbesserung erneut überproportional. Damit zeichnet sich für das Gesamtjahr wie erwartet eine deutliche Steigerung ab. «Finanz und Wirtschaft» hält an ihrer Schätzung von 4.30 Fr. und 4.65 Fr. je Aktie für 2019 respektive 2020 fest.

Strategie hinterlässt Spuren in der Bilanz

Die gute Performance schlägt sich zusammen mit Sondereffekten auch in einem rund 40% höheren freien Cashflow von 4,1 Mrd. Fr. nieder. Der Abschluss des Verkaufs von Nestlé Skin Health für 10,2 Mrd. Fr. wird zusätzliche Mittel in die Kasse spülen. Auch die strategische Prüfung des Chacuterie-Geschäfts der deutschen Tochter Herta laufe plangemäss. Nestlé rechnet mit einem Abschluss bis Ende Jahr.

Trotz des hohen Cashflows hinterlässt die aktionärsfreundliche Strategie Schneiders Spuren in der Bilanz. Infolge des Rückkaufs eigener Aktien im Wert von 4,2 Mrd. Fr. und der Dividendenzahlung ist die Nettoverschuldung weiter gestiegen. Sie beträgt mit 38,3 Mrd. Fr. mittlerweile das 1,6-Fache des Gewinns auf Stufe Ebitda.

Das ist zwar deutlich höher als noch vor zwei Jahren, aber angesichts der Stabilität des Geschäfts verkraftbar und dürfte dank dem erwarteten Gewinn aus weiteren Verkäufen im Jahresverlauf sinken. Das Aktienrückkaufprogramm soll bis Ende Jahr abgeschlossen sein.

Deutlich erstarkt

Für das Gesamtjahr konkretisiert Nestlé das Wachstumsziel auf 3,5%, nachdem sie zuletzt lediglich ein verbessertes Wachstum in Aussicht gestellt hatte. Damit nähert sie sich nun definitiv dem einst als ambitioniert angesehenen Mittelfristziel, bis 2020 im «einstelligen Prozentbereich» zu wachsen. Die bereinigte Betriebsgewinnmarge dürfte mit 17,5% bereits das untere Ende des Zielbands von 17,5 bis 18,5% erreichen.

Mit dem Semesterausweis und dem Ausblick beweist der Konzern, dass er unter Mark Schneider deutlich erstarkt daherkommt. Nach den positiven vergangenen Quartalen hält sich die Überraschung über die Steigerung aber in Grenzen. Vieles ist bereits eingepreist: Seit Jahresbeginn haben die Aktien rund 30% zugelegt.

Mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von 24 und 22 für 2019 respektive 2020 sind die Titel im historischen Vergleich stattlich bewertet. Umso wichtiger wird der Blick über die Ziele für 2020 hinaus. Von Schneider ist zu erwarten, dass er die Transformation fortsetzt. Entsprechend gehören die Aktien gerade im gegenwärtigen Börsenumfeld ins Portefeuille.

Die komplette Historie zu Nestlé finden Sie hier. »

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