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10:08 Uhr - 22.02.2017

Südafrikas Börse vor turbulenten Monaten

Die Regierungspartei ANC schürt mit immer neuen Auflagen die Unsicherheit. Auch die Lokalwährung Rand erscheint stark korrekturgefährdet.

Wer vor ein paar Jahren sein Geld  an der Johannesburger Börse (JSE) investierte, kaufte dort für gewöhnlich Aktien der vielen Goldschürfer. Doch längst ist ihre Zahl drastisch geschrumpft – und der Goldrausch verflogen: Förderte Südafrika 1970 mit 1000 Tonnen Gold (Gold 1236.69 0.15%) noch mehr als zwei Drittel der Weltproduktion, sind es mit 140 Tonnen inzwischen nur noch 5%.

Zeichen dieses Wandels sind die sechs Konzerne, die zusammen rund die Hälfte des Börsenwerts der JSE ausmachen: An erster Stelle rangiert Anheuser-Busch InBev (Bier), die letztes Jahr für über 100 Mrd. $ Südafrikas Vorzeigeunternehmen SABMiller geschluckt hat. Es folgen British American Tobacco (BATS 5000 -0.04%) (Zigaretten) und das international weit verzweigte Medienhaus Naspers (Naspers 16.99 2.29%) sowie der von der südafrikanischen Rupert-Familie kontrollierte und in der Schweiz beheimatete Luxusgüterkonzern Richemont (CFR 76.3 -0.2%). Mit den breit aufgestellten Minenhäusern BHP Billiton (BLT 1390 -1.45%) und Glencore (GLEN 328.05 -0.02%), die tiefe Wurzeln in Südafrika haben, sind inzwischen aber auch zwei Rohstoffkonzerne wieder ganz vorne dabei.

Kein Abbild der Wirtschaft

Bemerkenswert ist, dass praktisch alle diese Konzerne – wie auch die darauffolgenden Unternehmen Steinhoff (Möbel), Anglo American (Bergbau) und Sasol (Petrochemie) – mehr als zwei Drittel ihrer Wertschöpfung  im Ausland erzielen. Ein Spiegelbild der südafrikanischen Volkswirtschaft ist die JSE deshalb schon lange nicht mehr. Die meisten einheimischen Anleger freuen sich indes darüber: Sie kaufen Aktien auch deshalb, um sich damit gegen die vielen Polit- und Währungskrisen am Kap zu wappnen. Dies erklärt auch, warum  der Ausblick für die JSE trotz der trüben Wirtschaftslage des Landes weit weniger düster ist.

Befeuert wird die jüngste Erholung nicht wie in den Vorjahren von Banken oder Industriewerten, sondern ausgerechnet vom Rohstoffsektor, der 2016 satte 25% zulegen konnte und den Gesamtindex um 5% in die Höhe trieb. Dank des neu erwachten Rohstoffhungers Chinas, das inzwischen rund die Hälfte aller geförderten Bodenschätze weltweit verschlingt, konnten die Minenkonzerne weit höhere Einnahmen als erwartet verbuchen. Dank der Verdoppelung des Preises für Eisenerz stieg etwa der Kurs des Förderers Kumba, einer Tochter des Minenhauses Anglo American, über die letzten zwölf Monate auf mehr als das Dreifache. Aber auch Anglo American konnte ihren Börsenwert binnen eines Jahres verdoppeln und sich wieder unter den Top Ten der JSE etablieren.

Erstaunlich auch: Nach Jahren von Kosteneinsparungen und Effizienzsteigerungen verzeichnen viele Minenkonzerne gegenwärtig höhere Einnahmen als im letzten Rohstoffboom, obwohl die Metallpreise damals oft viel höher lagen. Für die JSE hätte die Rückkehr des Minensektors schon deshalb zu keinem besseren Zeitpunkt kommen können, weil ihre bisherigen Zugpferde – wie etwa die Supermarktketten Woolworths oder Shoprite – wegen der immer höheren Verschuldung vieler Konsumenten am Kap schwächeln. Gerade erst hat auch der Internationale Währungsfonds (IWF) seine Wachstumsprognose für Südafrika auf kümmerliche 0,5% reduziert – ein Bruchteil der mehr als 4%, die er für die gesamte Gruppe der Schwellenmärkte voraussagt.

[info 2R]Sorgenkind im Bergbausektor bleibt allerdings die Platinbranche, die unter dem niedrigen Preis des weissen Metalls leidet. Erst kürzlich prophezeite der Edelmetallspezialist Johnson Matthey eine Zunahme des Recycling aus Autokatalysatoren und einen Rückgang der Platinnutzung in der Autobranche, die rund 50% allen Platins verbraucht. Zusammen mit der geringeren Schmucknachfrage in China könnte der Platinmarkt dieses Jahr erstmals seit 2011 wieder einen Angebotsüberschuss verzeichnen. Das verspricht für die weltweit grössten JSE-kotierten Förderer Anglo Platinum, Impala, Lonmin (LMI 130.25 -0.57%) und Sibanye wenig Gutes.

Für zahlreiche andere Rohstoffförderer dürfte es 2017 hingegen weiter bergaufgehen. Zwar prophezeien die meisten Experten keinen Boom, aber auch keine Rückkehr zu den Tiefpreisen von Ende 2015. Ob der Aufschwung in Südafrika anhält, wird entscheidend von der Politik am Kap abhängen, wo der regierende Afrikanische Nationalkongress (ANC) seit Jahren mit immer neuen Regeln und Auflagen die Unsicherheit schürt. Südafrika hat aus diesem Grund vor allem im Bergbau viel von seiner Attraktivität verloren.

Viele Experten bleiben deshalb für den Minensektor skeptisch. Für aussichtsreicher hält David Shapiro – Analyst des lokalen Asset-Managers Sasfin – Mobilfunker wie MTN oder Vodacom, den Einzelhändler Shoprite, Konsumgüterproduzenten, aber auch private Krankenhausbetreiber wie das in der Schweiz sehr aktive Unternehmen Mediclinic – vor allem dann, wenn sie in Afrika oder einer anderen Weltregion gut aufgestellt sind. «Es ist mir ein Rätsel, warum wir am Ende der Nachrichten noch immer die Gold- und die Platinpreise verlesen», sagt Shapiro. «Angemessener wäre beim Blick auf die JSE der Preis einer Flasche Castle-Bier oder einer Zigarettenpackung Dunhill Light.»

Neuwahlen zum Jahresende

[info 3R]Zu den grössten Nutzniessern der gestiegenen Rohstoffnotierungen zählt die mächtig unter die Räder gekommene Währung, der Rand. In den vergangenen zwölf Monaten hat sie zum Dollar und zum Euro rund 20% an Wert gewonnen. Viele Beobachter halten den Rand inzwischen sogar für überbewertet, zumal seit Monaten das Damoklesschwert einer möglichen Ablösung des kompetenten Finanzministers Pravin Gordhan über den Märkten schwebt. Er versucht seit über einem Jahr mit Erfolg, die Staatskasse vor dem Zugriff von Präsident Jacob Zuma zu schützen.

Sollte Gordhan dennoch gefeuert werden, erwarten die meisten Analysten wie Peter Attard Montalto von Nomura einen Absturz des Rands um mindestens 30% oder mehr. Dies würde wiederum unausweichlich zu einem Anstieg der bereits hohen Zinsen führen – und gleichzeitig wohl auch zu einer sofortigen Herabstufung des Landes auf Ramschniveau.

Erschwerend kommt schliesslich hinzu, dass der intern tief zerstrittene ANC zum Jahresende einen neuen Parteichef und damit faktisch auch den nächsten Staatspräsidenten wählt. Die politischen Manöver im Vorfeld des Parteitages dürften auch an den Finanzmärkten nicht spurlos vorübergehen. Schon deshalb sollte das vergleichsweise gute Abschneiden der JSE im vergangenen Jahr  nicht darüber hinwegtäuschen, dass Südafrika mit hohen Risiken behaftet bleibt und seine Unternehmen vor ausgesprochen unsicheren Zeiten stehen.

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