Das Biotech-Unternehmen will komplexe Medikamente entwickeln. Bald könnte das erste, noch einfache zugelassen werden.
Molecular Partners (MOLN 22 -5.17%) hat an der Bilanzmedienkonferenz von einem sehr erfolgreichen Geschäftsjahr 2019 gesprochen. Die Zahlen waren dabei sekundär. Sie fielen etwas schlechter aus als von den Analysten im Schnitt erwartet. Das hat aber eher buchhalterische als geschäftliche Gründe.
So wurden als Umsatz, respektive Einnahmen, 20,4 Mio. Fr. ausgewiesen, eine Verdoppelung im Vergleich zum Vorjahr, aber deutlich weniger als die 30 Mio. Fr., mit denen die Analysten gerechnet hatten. Finanzchef Andreas Emmenegger hat von einer linearen Verbuchung umgestellt auf eine, die sich an den Meilensteinen des Projekts orientiert.
Bei den Einnahmen handelt es sich um einen Teil der 50 Mio. Fr., die Amgen (AMGN 231.45 -0.21%) für gewisse Lizenzrechte am Krebswirkstoff MP0310 vorausbezahlt hat. Den Rest will Emmenegger bis Ende 2021 verbuchen.
Wie bei Biotech-Unternehmen üblich, die noch kein Produkt verkaufen, interessiert an den Zahlen vor allem, ob die Ausgaben sich im Rahmen des Plans befinden. Bei Molecular lagen sie mit 57,6 Mio. Fr. in der Mitte der angegebenen Spanne von 55 bis 60 Mio. Fr. Die flüssigen Mittel, eine weitere wichtige Kennzahl solcher Gesellschaften, beliefen sich per Ende Dezember auf 95,1 Mio. Fr. Das ist dank der 50 Mio. $ von Amgen nur unwesentlich unter den im Vorjahr gemeldeten 99 Mio. Fr. Im laufenden Jahr plant Molecular, 60 bis 70 Mio. Fr. auszugeben. Es ist die einzige finanzielle Prognose, die das Management abgibt.
Zuversichtlich für erste Zulassung
Auf der Ebene der Medikamentenentwicklung gaben sich CEO Patrick Amstutz und der neue Chief Medical Officer Nicolas Leupin sehr zuversichtlich, zumindest was die angestrebte Zulassung des Augenheilmittels Abicipar betrifft. Der Entscheid der US-Gesundheitsbehörde FDA wird für Sommer erwartet, der ihres europäischen Pendants Ema soll im zweiten Halbjahr folgen.
Fallen beide Bescheide positiv aus, wird Molecular Meilensteinzahlungen von mehr als 100 Mio. $ von Kooperationspartner Allergan erhalten – oder bereits vom US-Pharmakonzern AbbVie (ABBV 87.18 0.63%), der im Begriff ist, den Branchennachbarn mit Sitz in Irland zu übernehmen. Genauer darf Molecular den Betrag nicht beziffern.
Enorm wichtiger Zulassungsentscheid
Die beiden Entscheide sind in diesem Jahr voraussichtlich die wichtigsten Ereignisse für das kleine Unternehmen aus Schlieren. Im Erfolgsfall will Amstutz «einen Gang höherschalten» und von sequenzieller Entwicklung auf eine parallele umstellen. Ihm stünden dann die Mittel zur Verfügung, deutlich mehr Produktkandidaten gleichzeitig voranzutreiben.
Bei den Behördenentscheiden zu Abicipar geht es aber um mehr als die Finanzen. Die Zulassung würde die firmeneigene technologische Plattform validieren. Die sogenannten Darpins wirken wie Antikörper, sind aber synthetisch hergestellt, kleiner und stabiler. Molecular glaubt, dass sie aufgrund ihrer Eigenschaften Ziele an Körperzellen erreichen können, die bisher unerreichbar waren. Ausserdem können bis zu sechs Darpins aneinandergekettet werden und so mehrere Funktionen gleichzeitig ausführen. Bei Abicipar ist lediglich ein einzelner Darpin aktiv. Wenn schon der nicht zugelassen wird, dann dürfte es schwierig werden, Investoren von komplexeren Projekten zu überzeugen.
Medikamente der übernächsten Generation
Amstutz zeigte mit pMHC, was mögliche Produkte der übernächsten Generation leisten könnten. Das P bei pMHC steht für Peptide. Das sind meist relativ kurze Ketten von Aminosäuren. Zellen bilden aufgrund ihrer inneren Beschaffenheit an der Zellaussenwand korrespondierende Peptide und zeigen sich somit. Krebszellen verfügen über spezifische Muster, die nur ihnen eigen sind. Bisher war es aber kaum möglich, die äusseren Peptide anzusteuern. Darpins sollen das leisten können. Sie wären mit anderen Darpins verkettet, die die Tumorzelle bekämpfen und ihre Abwehr schwächen. Es wären hoch spezifische und hoch wirksame Medikamente denkbar, die mit heute erhältlichen Antikörpern nicht möglich sind. pMHC sind zwar ein Forschungsschwerpunkt von Molecular, der Weg ist aber noch weit.
Erst einmal wird es darum gehen, einen weiteren Wirkstoff der nächsten Generation in die klinische Entwicklung zu bringen. Das soll in der ersten Hälfte des kommenden Jahres mit MP0317 der Fall sein. Es ist ähnlich wie das teilweise an Amgen auslizenzierte MP0310, das sich in Phase I befindet. Beide sollen Immunzellen gezielt im Tumor aktivieren können und nicht anderswo im Körper.
Auf Partnersuche für MP0250
Am weitesten fortgeschritten ist der trispezifische Darpin MP0250, der im Tumorumfeld wirksam wird und den Schutz der Tumorzelle aufhebt, den sie gegen Medikamente aufbaut. So können die Krebsmittel wieder wirken. Molecular hat MP0250 in einer kleinen Studie erfolgreich getestet und sucht nun Lizenzpartner, die ihre Wirkstoffe kombiniert mit dem Molecular-Produkt testen wollen. Verhandlungen mit mehreren Interessenten laufen, versicherte Amstutz. Er wollte sich nicht auf die Äste hinauswagen, wann es zu einem Abschluss kommen könnte. Denkbar seien sowohl eine exklusive Partnerschaft wie auch mehrere Partner.
Den zuvor gehegten Plan einer eigenen Studie habe man fallen gelassen. Denn es gebe mehrere Wirkstoffklassen mit jeweils mehreren Medikamenten. Zu gross sei das Risiko gewesen, eines auszuwählen, das einen späteren potenziellen Lizenzpartner gar nicht interessiere, erklärte Amstutz.
Grosses Potenzial, grosses Risiko
Möglicherweise war es diese Ankündigung, die am Donnerstag zu einem Kursrückschlag führte, möglicherweise waren es auch einfach Gewinnmitnahmen. Die Aktien Molecular Partners haben in diesem Jahr bereits einen Anstieg von mehr als 30% verzeichnet. Im vergangenen Jahr war der Kurs bis auf rund 12 Fr. gesunken, nachdem Molecular eine Studie mit MP0250 und einem Lungenkrebsmittel wegen Bedenken zu Nebenwirkungen eingestellt hatte.
«Finanz und Wirtschaft» zählt Molecular Partners zu ihren Favoriten unter Schweizer Biotech-Titeln. Zwar ist weiterhin ungewiss, ob die Technologie das schaffen wird, was das Unternehmen sich erhofft. Sollte sie erfolgreich sein, wäre das Potenzial aber enorm. Empfohlen werden können die Valoren bloss für Anleger, die auch einen Verlust verkraften können.
Die komplette Historie zu Molecular Partners finden Sie hier.»
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