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12:04 Uhr - 14.10.2014

Pictet: «UBS-Affäre kommt zum falschen Zeitpunkt»

Als Präsident der Fondation Genève Place Financière plädiert Nicolas Pictet im Interview mit FuW für eine Entspannung im französisch-schweizerischen Verhältnis.

Herr Pictet, wie beeinflussen die jüngsten Friktionen mit Paris den Finanzplatz Genf?
Ich würde nicht von Friktionen, sondern eher von Diskussionen sprechen. Und es handelt sich auch nicht um einen Disput zwischen Paris und Genf, sondern zwischen Frankreich und der Schweiz. Solche Probleme können und sollten jedoch nicht vom Wesentlichen ablenken: Die Schweiz und Frankreich sind an einem guten nachbarschaftlichen Verhältnis interessiert. Das haben kürzlich auch Gespräche mit den beiden französischen Ministern Michel Sapin sowie Pierre Moscovici deutlich gemacht. Niemand ist an einer Verschlechterung des Verhältnisses zwischen der Schweiz und Frankreich interessiert.

Trotzdem: Welche Haltung wünscht sich Genf in dieser Frage von UBS (UBSN 15.25 -0.33%)?
Der Finanzplatz Genf hat in dieser Frage keine spezifischen Wünsche an die Grossbank UBS, die ebenfalls wichtiger Bestandteil des Finanzplatzes Genf ist. Wir sollten auch nicht verkürzt davon ausgehen, dass Genf lediglich von französischen Kunden lebt. In Tat und Wahrheit ist der Finanzplatz Genf sehr breit aufgestellt. Sicher ist es so, dass die Affäre UBS zum falschen Zeitpunkt kommt – umso mehr, als der Ruf der Schweizer Banken seit einiger Zeit deutlich besser ist. Die Schweiz ist daran, den automatischen Informationsaustausch zu übernehmen, und französische Kunden regularisieren sich.

Was erhofft sich Genf in dieser Frage vom Bundesrat?
Die vorhin erwähnten hochrangigen Besuche französischer Minister in der Schweiz unterstreichen den besonderen Charakter der französisch-schweizerischen Beziehung aus geografischen, historischen und kulturellen Gründen. Mehrere Probleme harren jedoch einer Lösung, und nicht alle betreffen die Finanzindustrie. Der Flughafen Basel ist ebenfalls Gegenstand eines schweizerisch-französischen Disputs. Ich hoffe sehr, dass hier und in anderen Fragen bald nachhaltige Lösungen gefunden werden können – eine Einschätzung, die meiner Meinung nach auch in Bern geteilt wird.

Der Finanzplatz Genf profitiert von Neuansiedlungen, z.B. IG Group. Ist anderes in der Pipeline?
Die Region Genf darf sich in der Tat glücklich schätzen, über einen eigentlichen Finanz- und Rohstoffcluster zu verfügen, der die verschiedensten Branchen nährt. Diesem müssen wir Sorge tragen. Neuansiedlungen wie die von IG Group oder der brasilianischen Bank BTG Pactual zeigen, dass wir auch vis-à-vis von Zürich attraktiv sind. Das nächste grosse Projekt ist nun sicher die Ansiedlung einer chinesischen Bank in Genf. Eine Delegation des Genfer Regierungsrats hat vor diesem Hintergrund vor einigen Wochen Peking besucht. Wir sind zuversichtlich, dass wir hier schon bald Erfolge melden können.

Wie sieht es im klassischen Genfer Private Banking aus? Wie beeinflusst die neue Offenheit die Geschäftspolitik der Privatbanken?
Die Transparenz zeigt zuerst einmal, wie breit aufgestellt, wie solide und wie stark und innovativ die Genfer Privatbanken sind. Es wird nun aber auch deutlich, wie wichtig der Marktzugang nicht einzig für die Genfer Privatbanken, sondern den gesamten Finanzplatz Schweiz ist.

In Ihrer Präsidialadresse zitieren Sie Studien, wonach Genf in den globalen Klassierungen Plätze verliert. Ist das eine Einschätzung, die Sie teilen?
Genf, Zürich, aber auch andere Finanzplätze wie Luxemburg oder Jersey verlieren an internationaler Attraktivität – das ist eine Tatsache, die sich nicht leugnen lässt. Was die Schweiz betrifft, ist ein Teil des Rückschlags darin begründet, dass die Rechtssicherheit in der Schweiz nicht mehr gleich gross ist wie in der Vergangenheit. Und das wiederum hat mit politischen Vorlagen und Abstimmungen zu tun, die anstehen.

Im Zusammenhang mit den laufenden Gesetzesvorhaben wie Fidleg warnen Sie vor einem Swiss Finish. Kann sich die Schweiz einen solchen nicht leisten?
Nein, ganz sicher nicht. Wir leben in einem intensiven internationalen Wettbewerb. Es ist zum Beispiel klar, dass wir mit dem Fidleg die Vorgaben des europäischen Regelwerks Mifid II übernehmen müssen und übernehmen wollen. Allerdings wird nun versucht, anderes in dieses Gesetz zu schmuggeln, das überhaupt nichts mit Mifid zu tun hat. Es macht beispielsweise keinen Sinn, die Beweislast umzukehren – zumal die Gefahr besteht, dass dies später auch für weitere Branchen gelten wird.

Sie sprechen in diesem Zusammenhang von unnötigen Plänen – sind das nicht sehr harte Worte?
Nein, es gibt wirklich völlig Unnötiges in den Gesetzesvorlagen. Wir brauchen beispielsweise sicher kein Register der Vermögensverwalter. Ein solches Register zu führen, wäre teuer und ein absoluter Leerlauf. Dies ist auch nicht unter dem Titel Mifid erforderlich.

Sie plädieren für die Pauschalbesteuerung, obwohl Zürich mit der Abschaffung keine schlechten Erfahrungen gemacht hat. Wäre die Annahme der entsprechenden Initiative wirklich eine Katastrophe für Genf?
Man sollte sich davor hüten, die Abschaffung in Zürich bereits als Erfolg zu interpretieren. Zürich ist umgeben von Kantonen mit tiefen Steuern, was sehr disziplinierend wirkt. Es darf tatsächlich nicht vergessen werden, dass sich viele pauschalbesteuerte Personen eben in diesen benachbarten Kantonen niedergelassen haben. In Genf haben wir eine andere Situation; es ist nicht zu übersehen, dass nicht weniger als 150 Mio. Fr. Steuereinnahmen aus der Pauschalbesteuerung stammen. Dazu kommt, dass anderswo in Europa solche Regime nun gerade eingeführt werden, beispielsweise in Portugal. Die Portugiesen wissen, weshalb. Die Pauschalbesteuerung bringt Einnahmen und zieht Leute an, die überdurchschnittlich viel konsumieren und investieren – wovon letztlich alle profitieren.

Ähnlich kritisch beurteilen Sie die Erbschaftssteuerinitiative. Ist die Angst aus Sicht von Genf berechtigt?
Auch hier müssen wir sehr vorsichtig sein, das zeigt schon der Blick über die Landesgrenzen hinaus. In Frankreich wird von Generation zu Generation Kapital vernichtet, was unter anderem verheerende Folgen für die industrielle Basis des Landes hat. Das dürfen wir nicht wollen. Dazu kommt, dass es sich bei der Erbschaftssteuer ja um eine klassische Doppelbesteuerung handelt. Das Geld wurde schon besteuert.

Wie wichtig ist für Genf die Unternehmenssteuerreform III?
Die Unternehmenssteuerreform III muss unter allen Umständen gelingen. Das ist nicht nur für den Standort Genf wichtig, sondern für die ganze Schweiz. Nur so können wir die internationalen Firmen, die Prosperität garantieren, in der Schweiz halten. In Genf muss es möglich sein, die Unternehmenssteuer auf 13% zu senken. Erreichen wir das, bleiben wir auch international wettbewerbsfähig.

Sind diese anstehenden Abstimmungen und Entscheidungen nicht auch eine Chance für den Finanzplatz Schweiz und Genf – da damit letztlich die Rechtssicherheit erhöht werden kann?
Das ist sicher so, zumal die Rechtssicherheit seit zwei bis drei Jahren erodiert wird. Wenn es uns mit guten Gesetzen und entsprechenden Abstimmungen gelingt, diesen Prozess zu stoppen, profitieren davon alle.

Wie wird sich der Finanzplatz Genf in fünf und in zehn Jahren präsentieren?
Aufgrund der Internationalität und der breiten Verankerung des Finanzplatzes Genf bin ich recht optimistisch.  Genf ist so etwas wie Davos am See – allerdings nicht nur im Januar, sondern das ganze Jahr. Der wirtschaftliche, gesellschaftliche, kulturelle und diplomatische Reichtum in unserer Stadt ist einmalig und lebt vom hohen Anteil von Bürgern mit ausländischen Wurzeln.

Die letzte Frage nicht zur Finanzplatzvereinigung, sondern zu Pictet. Wie entwickelt sich das Institut seit Mitte Jahr?
Wir sind sehr zufrieden mit dem Nettoneugeldzufluss. Nach einem etwas schwierigen Jahresanfang waren vor allem die Monate Juni und jüngst auch September sehr gut. Der Zufluss wird allerdings nicht primär in der Schweiz, sondern ausserhalb der Landesgrenzen verzeichnet. Das Wachstum ruft nach Investitionen. Die Anzahl der Mitarbeiter werden wir von heute rund 3600 bis Ende Jahr auf rund 3700 steigern. Auch möchte ich erwähnen, dass FitchRatings wie auch Moody’s unsere Ratings bestätigt haben.

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