Olgerd Eichler, Fondsmanager des Aktienfonds MainFirst Top European Ideas, hat zum Ziel, dass sich die Kerninvestments innerhalb von fünf Jahren im Wert verdoppeln.
Herr Eichler, vielversprechende Unternehmen gibt es weltweit, weshalb fokussiert Ihr Fonds auf Europa?
Die Konzentration auf das Wesentliche führt zum Erfolg. Ich habe in meiner Karriere bereits die unterschiedlichsten Fonds erfolgreich geführt. Mit einer gelungenen Aktienselektion kann man in jedem Universum Performance generieren. Der Entscheid für Europa ist keine Beurteilung der Potenziale der verschiedenen Regionen.
Gute Ideen haben häufig mit Innovation zu tun. Da sind die USA Leader. Wie schwer macht das die Arbeit für einen auf Europa konzentrierten Fonds?
Der US-Markt beherbergt tatsächlich viele herausragende und innovative Geschäftsmodelle. Aber auch in Europa gibt es unzählige hochinnovative Unternehmen, die in ihren Nischen Marktführer sind. Ein Beispiel ist Hella (HLE 40.28 -2.33%), Spezialist für Lichttechnik, Elektronik und Assistenzsysteme im Automobilbereich. Oder der deutsche Autovermieter Sixt (SIX3 60.4 -1.79%), der nicht nur als Erster seine Dienstleistungen online angeboten hat, sondern auch Pionier im Carsharing war. Beides wird gepaart mit einer hervorragenden Bilanzqualität und einer sehr konservativen Unternehmensführung.
Welche Selektionskriterien liegen den rund fünfzig Titeln im Portfolio Ihrer Top-Ideen in Europa zugrunde?
Unsere Kerninvestments sollten sich innerhalb von fünf Jahren im Kurs verdoppeln. Wir suchen klar unterbewertete Unternehmen, mit herausragendem Geschäftsmodell, hohem Wachstumspotenzial und besonderer Rentabilität. Wir schätzen ein ausgezeichnetes und vor allem konservatives und zuverlässiges Management, das unternehmerisch und gewissenhaft das ihm anvertraute Aktionärskapital einsetzt.
Attraktive Aktien sind in der Regel teuer. Ab welcher Bewertung verzichten Sie auf ein Engagement?
Es sind vor allem zwei Faktoren, die den Wert eines Unternehmens steigern: Gewinnwachstum und Bewertungsausweitung. Wenn wir den Unternehmen zutrauen, in einem überschaubaren Zeitraum durch eigene Leistung eine Aufwertung an der Börse zu erfahren, sind auch auf den ersten Blick teure Unternehmen eine gute Investition. Effektiv fallen bei uns etliche Unternehmen bei der endgültigen Betrachtung aus der Auswahl, weil die niedrige Bewertung für uns ein wichtiges Kriterium ist, was auch viel mit Eigendisziplin zu tun hat.
Wie beurteilen Sie generell die Marktaussichten, dauert der Börsenaufschwung an?
Da die sehr niedrigen Zinsen noch mindestens zwei Jahre anhalten dürften oder sogar weiter fallen, sollte der Markt selbst bei rückläufigen Unternehmensgewinnen eine höhere Bewertung erfahren. Daher sind wir optimistisch, dass bei leichtem Wirtschaftswachstum auch Aktien teurer werden und insgesamt im Kurs steigen.
Für Irritation sorgt seit geraumer Zeit die Politik, allen voran der Handelsstreit. Was unternehmen Sie: zuwarten, kaufen oder verkaufen?
Wir müssen uns an eine anhaltende Unsicherheit gewöhnen. Politische Hasardeure gefährden die Errungenschaften der Globalisierung. Das Investitionsklima trübt sich ein. Daher haben wir aktuell auch mehr Standardwerte im Portfolio und fahren einen etwas ausgeglicheneren Branchenmix als in den letzten Jahren.
Fast die Hälfte des Fondsvermögens von 1,16 Mrd. € Anfang Juni entfällt auf deutsche Aktien. Kein Klumpenrisiko? Deutschland ist als Exportnation Handelsfriktionen und stagnierender Globalisierung besonders ausgesetzt.
Wir finden viele ausgezeichnete Unternehmen in Deutschland. Hier haben wir den besten Draht zu den Vorständen und anderen Firmenvertretern. Ausserdem halten wir nur einen sehr kleinen Anteil unserer deutschen Position in Blue Chips. Der Deutschlandteil ist breit gestreut. Seit Auflage des Fonds hat die Deutschlandquote eine hohe Schwankungsbreite von 20 bis 60% des Portfolios.
Grösste Einzelposition ist mit Bawag eine österreichische Bankholding. Was spricht für diese Wahl?
Bawag ist eine der effizientesten Banken Europas, mit einer Cost-Income-Ratio von zuletzt 43% und einer hohen Dividendenrendite von über 5%. Das ausgezeichnete Vorstandsteam ist über ein mehrjähriges Vergütungssystem stark incentiviert. Die äusserst profitable Bank hat eine beneidenswerte Eigenkapitalausstattung, ist sehr preiswert bewertet und hat am Kapitalmarkt noch nicht ihre angemessene Beachtung gefunden.
Der Fonds bevorzugt auffällig viele Finanzaktien. Haben bei niedrig bleibenden oder sogar noch fallenden Zinsen Finanzunternehmen nicht das Nachsehen?
Der Fonds ist seit mittlerweile mehr als acht Jahren in Finanztitel übergewichtet. Dabei ist die starke Konzentration per se nicht auf die Branche bezogen, sondern fusst auf selektiven Einzelengagements. Ein Drittel des Finanzgewichts rekrutiert sich aus Asset-Managern und Börsen. Es ist offensichtlich, dass niedrige Zinsen die Zinsmarge der Banken beeinträchtigen. Jedoch schaffen es erfolgreiche Adressen wie die Deutsche Pfandbriefbank (PBB 10.87 -1.27%) oder die angesprochene Bawag regelmässig, ihre Kosten zu reduzieren. Der Markt hat eine Aversion gegenüber Banken entwickelt, die wir nicht teilen, zumal die sehr tiefen Zinsen die Bedienbarkeit von Krediten erheblich verbessert, was zu geringeren Ausfallquoten führt.
Weshalb kommen zwei als wachstumsstark geltende Sektoren, Informationstechnologie und Gesundheit, auf den hinteren Rängen, noch nach Konsum und Energie?
Wir haben im April am IPO des Schweizer Medtech-Unternehmens Medacta (MOVE 83.7 -0.36%) teilgenommen, sind aber mit nur 3% im Gesundheitswesen untergewichtet. Bei Tech haben wir einige Bedenken, viele Unternehmen handeln zu sehr anspruchsvollen Bewertungen, gepaart mit einer Portion Zyklizität. Wir bevorzugen weniger begutachtete und profitable Gesellschaften. Generell gesagt: Ein Euro Gewinn ist ein Euro Gewinn – egal, ob von Tech- oder Versorgerunternehmen.
Was gab den Ausschlag für Medacta?
Die Tessiner Firma stellt hochinnovative Produkte im Bereich der Hüft- und Knieimplantate her. Nach dem IPO haben wir weitere Titel zugekauft. Medacta ist in den letzten Jahren bei überdurchschnittlich hohen Margen jährlich gut zweistellig gewachsen und hat noch höhere Ambitionen, das strukturelle Wachstumspotenzial durch Produkte für Schultern und Wirbelsäule ist immens. Medacta legt starken Fokus auf Forschung und Entwicklung und ist mehrheitlich im Familienbesitz.
Welche Bedeutung hat in Ihrer Anlagestrategie insgesamt der Schweizer Aktienmarkt?
Wir hatten sehr lange einen Portfolioanteil von fast 25% in Schweizer Werten. Zurzeit halten wir Titel wie Novartis (NOVN 87.78 0.06%), LafargeHolcim (LHN 48.87 -2.88%) und Medacta als nun grösste Schweizer Position. Die Eidgenossen stehen allgemein für Solidität, Qualität und Sicherheit. Jedoch sind Schweizer Aktien teurer als Unternehmen in anderen Ländern. Aktuell haben wir kein starkes Bedürfnis, primär auf Sicherheit zu setzen.
Sie leiten den Fonds seit der Lancierung im Sommer 2007. Welches war Ihr bisher bestes Investment?
Das war in den Aktien eines deutschen Spezialisten für Workforce Management: Atoss Software. Die Gesellschaft liefert seit mehr als einem Jahrzehnt kontinuierlich neue Rekorde in Umsatz und Ertrag, investiert Jahr für Jahr mehr in die Verbesserung der eigenen Software und kann durch eine herausragende Profitabilität und hohe wiederkehrende Zahlungsmittelzuflüsse regelmässig Sonderausschüttungen an die Aktionäre zahlen. Die Wachstumspotenziale sind dabei noch lange nicht ausgeschöpft.
Welcher Kauf hat Sie besonders enttäuscht, und was war die Lehre daraus?
Die grössten Enttäuschungen resultierten aus Währungen und Rohstoffen, die man schlichtweg nicht vorhersagen kann. So hatten wir zum Tiefpunkt des Ölpreises 15% des Fondsvermögens in Öl und Gas, unter anderem in Royal Dutch Shell (RDSB 2533 -0.74%) und Total (FP 47.575 -1.77%) investiert, aber viel zu früh verkauft.
Als aktiver Fonds kämpfen Sie gegen die immer billiger werdenden passiven Anlageprodukte. Wie geht der Wettstreit aus?
Leider wird sich der Trend der Marktanteilsgewinne durch ETF noch mehrere Jahre fortsetzen. Aber es wird einen Zeitpunkt geben, in dem sich das passive Investieren lächerlich machen wird. Das könnte der Fall sein, wenn das themenbezogene passive Investieren bestimmte Branchen auf irrwitzige Bewertungslevel hebt, bevor es zu einer massiven, schmerzhaften Korrektur kommt. Für aktive Investoren wird es weiterhin Räume geben, vor allem für diejenigen, die langfristig Mehrwert bieten.
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