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08:05 Uhr - 24.11.2015

Chiles Lack ist ab

Korruptionsskandale belasten das südamerikanische Musterland. Die Wirtschaft verliert an Schwung und die Regierung um Bachelet wird unbeliebter.

Bis vor Kurzem war Chile in Lateinamerika der Musterschüler. Es war das Land mit der geringsten Korruption, dem grössten Wachstum und Regierungen mit hoher wirtschaftlicher Kompetenz gleich welcher politischen Couleur, und das seit vielen Jahren. Doch das hat sich nun geändert: In wenigen Monaten haben gleich mehrere millionenschwere Korruptionsskandale das saubere Image des Andenlandes ruiniert.

Der Bergbau-  und Düngemittelkonzern Soquimich sowie die Finanzgruppe Penta sind in Kursmanipulation, Geldwäsche und Steuerhinterziehung verwickelt. Mit illegalen Wahlkampfspenden finanzierten die Konzerne Politiker. Die Zellulosehersteller CMPC und SCA haben über eine Dekade die Preise für Toilettenpapier abgesprochen. Die führenden Unternehmerclans des Landes sind in diese Affären verwickelt.

Bachelet im Popularitätstief

Selbst die Familie der Präsidentin Michelle Bachelet ist betroffen. Ihre Schwiegertochter soll bei gezinkten Immobiliendeals 3,8 Mio. $ gewonnen haben. Bachelets Popularität ist auf 25% abgestürzt. Dabei wurde sie vor drei Jahren noch mit fast zwei Drittel der Stimmen zum zweiten Mal ins Amt gewählt. Chile hat inzwischen seinen alleinigen Spitzenplatz als sauberstes Land in Lateinamerika auf der Liste von Transparency International verloren. Dort steht es nun zusammen mit Uruguay noch auf Rang 21, kurz hinter den USA. Vier von fünf chilenischen Managern glauben, dass die Korruptionsskandale im Land keine Einzelfälle sind.

Gleichzeitig verliert die Wirtschaft an Schwung: Zwei Prozent wird Chiles Bruttoinlandprodukt (BIP) dieses Jahr wachsen, und auch 2016 wird es nicht viel mehr sein. Das ist wenig für das Andenland, deren Wirtschaft seit zwei Dekaden durchschnittlich 4,5% im Jahr gewachsen ist. Mit dem vorläufigen Ende des Rohstoffbooms wird die weiterhin hohe Abhängigkeit der chilenischen Wirtschaft vom Exportprodukt Kupfer schmerzlich deutlich. Dessen Preis ist seit 2013 40% gefallen.

Fluch der Bodenschätze

Die Regierung will Ressourcen aus dem Bergbau in andere Exportbranchen umleiten, die durch die Abwertung des Peso von zeitweise 45% gegenüber dem Dollar in drei Jahren konkurrenzfähiger geworden sind. Die Regierung setzt auf Branchen wie Tourismus, Fischerei und Aquakultur sowie die Lebensmittelindustrie und die Import-Export-Logistik. Doch die Investitionen insgesamt sind rückläufig. Die Unternehmer kritisieren die Standortbedingungen: Kolumbien, Mexiko und Peru sind auf dem «Doing Business»-Ranking der Weltbank an Chile vorbeigezogen und offerieren offenbar ein besseres Investitionsklima.

Die Regierung Bachelet sitzt mit ihrer sozialdemokratischen Politik öfters zwischen den Stühlen: Die konservative Unternehmerschaft des Landes lehnt Steuererhöhungen zur umfassenden Finanzierung kostenfreier universitärer Bildung ab. Die unzufriedenen Studenten gehen sofort auf die Strasse, wenn sie die versprochenen Reformen zu langsam umgesetzt sehen.

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