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10:52 Uhr - 15.04.2016

«Wir müssen das Wachstum beschleunigen»

Alain Dehaze, CEO von Adecco, erläutert im Interview mit FuW, warum er Ziele über einen Zyklus setzt, was Frankreich braucht und was eine progressive Dividendenpolitik bedeutet.

Seit September 2015 amtiert Alain Dehaze als CEO des Personalvermittlers Adecco (ADEN 64.4 0%). Der Anfang war stürmisch. Nach seiner Wahl durch den Verwaltungsrat im Mai forderten mit Harris Associates und Artisan Partners zwei US-Aktionäre öffentlich, den Entscheid umzustossen und den damaligen Finanzchef Dominik de Daniel als CEO einzusetzen. Im November kündigte Dehaze mit dem Quartalsresultat einen hohen Goodwillabschreiber an. Beim Empfang am Sitz in Glattbrugg zeigt sich der Belgier indes wie gewohnt entspannt und umgänglich.

Zur Person«Immer respektvoll, ruhig» trete Alain Dehaze auf, sagt Stephan Howeg, Leiter des Bereichs Marketing & Communications von Adecco. Er habe vom CEO nie eine E-Mail erhalten, in der sich dieser im Ton vergriffen hätte. Dabei stand Dehaze in den ersten sieben Monaten an der Spitze des Personalkonzerns unter Druck. Bereits nach seiner Wahl im letzten Mai sah er sich mit Kritik von Aktionären konfrontiert. Mit Druck umgehen zu können, sei auch eine Frage der Lebenserfahrung, meint der 52-jährige Belgier, der neben Französisch, Englisch und Niederländisch auch fliessend Deutsch spricht.

Seit 2000 ist er in der Branche der Personaldienstleister tätig. 2009 folgte der Übertritt zu Adecco, wo er zwei Jahre später die Verantwortung für den grössten Markt, Frankreich, übernahm. Als CEO ist Dehaze stets auf Reisen, was «physisch sehr intensiv» sei, wie er sagt. Man gebe viel Energie in den Job. Da braucht es zum Ausgleich genug Schlaf – bei ihm im Schnitt sechs Stunden pro Tag. Bei seiner Reisetätigkeit sieht er es auch als grossen Vorteil, überall arbeiten zu können, sei es im Auto oder im Flugzeug.
Herr Dehaze, die Wahl zum CEO rief bei einigen Aktionären ungewohnte Kritik hervor. Wie hat sich das Verhältnis zu den Investoren seither entwickelt?
Die ersten sieben Monate im Amt sind sehr intensiv gewesen. Neben mehr als zweitausend Mitarbeitern traf ich auch viele Kunden und Investoren. Letztere teils mehrmals. Die dreissig grössten Investoren vertreten gut 50% unseres Aktionariats. Mit der Kritik sind wir professionell umgegangen, am Investorentag im Januar gaben wir dann die Strategie und die neuen Ziele bekannt. Die Rückmeldungen dazu sind generell positiv ausgefallen.

Es gab Analysten, die die neuen Ziele zu Marge oder Wachstum als wenig begeisternd und wenig ambitiös werteten.
Unsere Ziele sind nicht bescheiden. Wir haben etwa festgelegt, dass wir über einen Konjunkturzyklus hinweg eine Marge auf Stufe Ebita von 4,5 bis 5% erreichen wollen. Das hat die Gruppe bisher nie erreicht, über den letzten Zyklus waren es 4,3%.

Unerreicht blieb auch das grosse Ziel der vorherigen Führung, eine Ebitda-Marge von über 5,5% für das Jahr 2015.
Unser Geschäft als Personalvermittler ist in einem stark zyklischen Umfeld. Da macht es wenig Sinn, eine einzige Kennzahl als Ziel für ein einzelnes Jahr zu formulieren. Für 5,5% Marge 2015 hätten wir im zweiten Semester 8% organisches Wachstum benötigt. Wir erreichten gut die Hälfte. Gerade wegen der Abhängigkeit vom Wirtschaftsverlauf haben wir uns Ziele über einen ganzen Zyklus gesetzt, was bei Investoren gut angekommen ist.

Punkto organisches Wachstum hinkte Adecco in den letzten zwei Jahren Randstad (RAND 48.56 -0.42%) und Manpower (MAN 0 0%) hinterher. War man zu stark auf die Profitabilität konzentriert?
Wir waren sehr stark auf die Profitabilität fokussiert. Die Preisdisziplin und die Kostenführerschaft müssen gewahrt bleiben. Aber gleichzeitig müssen wir auch unser Wachstum wieder beschleunigen.

Wie?
Indem wir unsere sechs strategischen Prioritäten in allen Ländern konsequent umsetzen. In Spanien etwa ist das passiert, und da wachsen wir schneller als die Mitbewerber, bei höherer Profitabilität.

Ganz oben auf der Liste der strategischen Prioritäten steht die Marktsegmentierung.
Ja, wir brauchen unterschiedliche Dienstleistungen und Vorgehensweisen für grosse Kunden und für kleinere. Ein Beispiel, bei einem Grosskunden wie Amazon (AMZN 620.75 0.96%) haben wir eine Niederlassung direkt beim Kunden vor Ort, es wird zentral über Preise und Konditionen verhandelt. Bei kleineren Kunden ist die Beziehung eine andere, wir müssen da auch mehr als Berater wirken.

Ist das alles bisher nicht geschehen?
Nur teilweise, so in Spanien, Italien oder Frankreich. Wir wollen nun sicherstellen, dass die Strategie überall umgesetzt wird.

Zu Jahresbeginn hat sich das organische Wachstum verglichen mit dem Vorquartal aber schon wieder etwas vermindert.
Januar und Februar kombiniert waren es 4%. Mehr können wir zurzeit nicht sagen, ausser: Wir sehen moderates Wachstum in Amerika. Auch in Europa sehen wir in grossen Ländern Wachstum. Der Hauptmarkt Frankreich erholt sich, wenn auch nicht sehr schnell. Hier wachsen wir in allen Segmenten, gerade im wichtigen Automobilbereich. Und wir haben bisher eine Erholung im Bau gesehen, dem für uns grössten Segment in Frankreich.

Erwarten Sie da eine anhaltende Erholung?
Der Baubereich hat lange Zyklen, gerade was Infrastrukturbauten angeht. Die französische Regierung hat nun einige Grossinvestitionen entschieden. Dazu kommt, dass in Frankreich die Investitionen in den Wohnungsbau hinter den Marktbedürfnissen zurückgeblieben sind. Man rechnet, dass das Land pro Jahr 450 000 bis 500 000 neue Wohnungen benötigt. Im letzten Jahr wurden jedoch nur 300 000 Einheiten gebaut.

Was ist der Grund dafür?
Vor drei Jahren gab es in Frankreich eine Gesetzesänderung, die die Wohnungsvermietung unattraktiver machte und Investitionen so hemmte. Im vergangenen Jahr ist sie rückgängig gemacht worden.

Was wäre noch nötig, damit im Hauptmarkt Frankreich, der ein Fünftel zum Umsatz beiträgt, die Wirtschaft rascher wächst?
Das Land muss attraktiver werden für Unternehmen. So sind die Lohnnebenkosten für die Arbeitgeber zu hoch. In Frankreich betragen sie 33,2% des Bruttolohns, in der Schweiz 16%. Zudem ist Frankreich viel zu komplex. Das Arbeitsgesetz umfasst dort rund 3600 Seiten, in der Schweiz 36.

Im Heimmarkt Schweiz fällt auf, dass der Betriebsgewinn im Schlussquartal 2015 um die Hälfte eingebrochen ist. Was ist da passiert?
Der sehr starke Franken setzte unsere Kunden unter Druck, vorab die exportorientierten. Sie griffen weniger auf Zeitarbeit zurück, wir spürten Preisdruck, und zudem haben Sondereffekte das vierte Quartal in der Schweiz mit Mehrkosten belastet. Die neue Führung hat in den vergangenen Monaten auch die Organisation den Marktbedingungen angepasst.

Ein grosser Sondereffekt war 2015 der Goodwillabschreiber von 740 Mio. €, der vor allem in Deutschland anfiel.
In Deutschland soll Zeitarbeit künftig allgemein auf achtzehn Monate limitiert werden, danach ist sie in eine Festanstellung zu überführen. Dazu gilt künftig das Prinzip Equal Pay. Ersetzt ein Zeitarbeiter etwa eine Assistentin, die in den Mutterschaftsurlaub geht, muss er den gleich hohen Lohn erhalten. Mit den regulatorischen Änderungen hat sich die Marge in Deutschland reduziert, deshalb die Wertberichtigung auf Goodwill, der von Übernahmen in den Jahren 2006 und 2007 stammt. Der deutsche Markt bleibt aber sehr interessant.

Muss Adecco damit rechnen, dass Equal Pay auch anderswo eingeführt wird?
Viele Länder wie Frankreich oder Italien haben es schon vor Jahren eingeführt.

Unter Bundeskanzler Schröder war Zeitarbeit in Deutschland populär. Sie galt als Mittel, um Langzeitarbeitlose wieder in den Arbeitsprozess zu bringen. Die Gesetzesänderungen sind auch ein Indiz dafür, dass die Branche an Ansehen eingebüsst hat.
Darum gehört es zu unseren sechs strategischen Prioritäten, eine Vordenkerrolle einzunehmen. Wir können und müssen beweisen, dass wir mit der Schaffung von Arbeitsplätzen einen Nutzen für die Gesellschaft bringen. Nach einer Einsatzzeit von zwölf Monaten kriegen 60% unserer Zeitarbeiter eine Festanstellung.

Gerade mit Blick auf Deutschland stellt sich auch die Frage, ob Personalvermittler etwas zur Eingliederung von Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt beitragen können.
Wir arbeiten bereits mit den Behörden in Deutschland zusammen und sorgen für die erste Registrierung. Der Gesetzgeber muss jedoch die Rahmenbedingungen ändern, um Menschen, denen Asyl gewährt wurde, rasch in den Arbeitsmarkt integrieren zu können. Deutschland hat zurzeit eine Wartezeit von fünfzehn Monaten, bis einem Flüchtling Arbeit angeboten werden kann.

Investoren beschäftigt auch die Frage, ob neue Technologien das Geschäftsmodell der Personalvermittler angreifen könnten.
Wir sehen die Digitalisierung nicht als Risiko, sondern als Opportunität für unser Geschäft. Sie gibt uns die Möglichkeit, Prozesse innovativer zu gestalten und neue Dienstleistungen anzubieten. So haben wir ein Pilotprojekt in Frankreich, wo wir das Auswahlverfahren mithilfe von Big Data durchführen. Wir analysieren für Arbeitsuchende über grosse, auch frei zugängliche Datenmengen die Kultur und die DNA von Unternehmen und ihre künftigen Chefs. So prüfen wir, ob Arbeitnehmer und -geber zusammenpassen.

Das Dividenden-Argument von AdeccoDer Personalvermittler hat sich einer progressiven Ausschüttungspolitik verschrieben. Ernsthaft getestet wird sie im nächsten Zyklustief. Lesen Sie hier mehr.Letztlich zählt für die Investoren die Rendite. Es fällt auf, dass Adecco nach Bloomberg-Daten in fünf der letzten zehn Jahre die Kapitalkosten nicht verdient hat.
Wir sind in einem zyklischen Sektor tätig. Für Investoren ist er aber sehr interessant wegen der Cashflows. Wir wissen, dass unser Unternehmen auch in zyklischen Tiefs einen attraktiven Cashflow erzielt. Natürlich erfahren unsere Aktien Kursschwankungen. Aber wir schlagen vor, die Dividende 14% auf 2.40 Fr. je Titel zu erhöhen. Damit hat sie sich seit 2009 verdreifacht. Wir haben gesagt, dass wir eine progressive Dividendenpolitik verfolgen.

Adecco will jeweils 40 bis 50% des bereinigten Gewinns ausschütten. Wenn der Gewinn in einem zyklischen Tief stark sinkt, würde sich auch die Dividende reduzieren?
Mit dem Begriff progressiv wollen wir sagen, dass wir in der Dividendenerwägung als Minimumbasis jeweils den Wert des Vorjahres nehmen. Das nächste Mal wären das die 2.40 Fr., die wir in diesem Jahr den Aktionären vorschlagen werden.

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