Die «Lex Netflix» will eine nutzlose Sondersteuer. Die Revision des Filmgesetzes gehört abgelehnt. Ein Kommentar von FuW-Redaktor Arno Schmocker.
Schon wieder stimmt die Schweizer Bevölkerung über eine fragwürdige Subvention ab, die einer von strukturellen Veränderungen geplagten Branche unter die Arme greifen soll. Nach den Medien im Februar ist es nun das einheimische Filmschaffen.
Eine erste repräsentative SRG-Umfrage zur Revision des Bundesgesetzes über Filmproduktion und Filmkultur, über die Mitte Mai abgestimmt wird, hat einen Ja-Trend ergeben. Viele jedoch sind noch unentschlossen, in Bezug auf Pro- und Kontra-Argumente hat sich ein Patt ergeben – es besteht noch Aussicht, dass auch diese Subventionsvorlage am Schluss bachab geht.
Dass es überhaupt zu einer Volksabstimmung kommt, ist den bürgerlichen Jungparteien zu verdanken. Sie ergriffen das Referendum. Nicht zum ersten Mal vertraten sie eine konsequentere Haltung als ihre Mutterparteien.
Im Parlament machte ausgerechnet die FDP.Die Liberalen im Herbst 2021 eine zweifelhafte Figur: In beiden Räten stimmten die Vertreter dem staatsgläubigen Gesetz im Verhältnis zwei zu eins zu. Zu hoffen ist, dass ein grosser Teil der FDP-Wählerschaft «ihren» Parlamentariern die Gefolgschaft wie schon beim CO2-Gesetz verweigern wird.
Warum ist das neue Gesetz abzulehnen? Die Schweiz ist mitnichten kulturelles Brachland. Die öffentlichen Kulturausgaben summieren sich auf 3 Mrd. Fr. oder 350 Fr. pro Kopf und Jahr. Filmförderung kommt dabei nicht zu kurz. Bereits jetzt wird die Branche von Bund, Kantonen und Gemeinden sowie über die Serafe-Mediensteuer mit über 120 Mio. Fr. jährlich unterstützt. Der Selbstfinanzierungsgrad ist bescheiden.
Nun sollen gemäss verschiedenen Schätzungen 18 bis 30 Mio. Fr. Zwangssubventionen hinzukommen. Kosten, befürchtet das Referendumskomitee nicht zu Unrecht, die am Schluss die Konsumenten über eine Erhöhung der Abonnementsgebühren berappen müssen.
Mit der «Lex Netflix», wie die Revision eingängig genannt wird, sollen Streaminganbieter wie Netflix, Amazon, Disney oder «Blue» von Swisscom künftig 4% des in der Schweiz verbuchten Umsatzes in hiesiges Filmschaffen investieren, oder aber eine Ersatzabgabe entrichten. Die Befürworter der Vorlage argumentieren, es würden gleichlange Spiesse geschaffen, weil private Fernsehsender seit fünfzehn Jahren ebenfalls 4% der Einnahmen in Schweizer Filme leiten müssen. Warum aber diese Regel nicht abschaffen, statt eine Folgeintervention im Gesetz zu verankern?
Der protektionistische Ansatz der Gesetzesrevision wird durch die Vorschrift verstärkt, das digitale Filmangebot solle zu mindestens 30% mit Werken europäischer Herkunft bestückt sein. Eine solche Quote ist ein Unding. Sie fördert Innovation, Kreativität und Vielfalt keineswegs. Zudem wird die Wahlfreiheit der Konsumenten eingeschränkt. Pflichtkonsum ist teuer und schmeckt nicht wirklich, das wissen alle, die Militärkost geniessen durften.
Entscheidendes Kriterium ist die Nationalität des Filmproduzenten. Qualitätsanforderungen werden im Gesetz keine gestellt. Bei einer Annahme ist davon auszugehen, dass etliche Streifen unterstützt werden, die am Markt beziehungsweise an der Nachfrage vorbei produziert werden. 2019 registrierte das Bundesamt für Statistik 277 Produktionen, die im Durchschnitt von sagenhaften 2600 Personen besucht wurden.
Ein Ja schüfe überdies ein gefährliches Präjudiz für eine weitere Regulierung der digitalen Welt. Bereits ist ein parlamentarischer Vorstoss eingereicht worden, der suggeriert, auch die Musikbranche möge sich in Zeiten von Spotify und Apple Music vermehrt an den Subventionstöpfen ernähren.
Kulturförderung, schreibt das Bundesamt für Statistik, «ist in der Schweiz stark föderalistisch geprägt». Das soll so bleiben. Die «Lex Netflix» ist unnötig und ordnungspolitisch höchst bedenklich, sie verzerrt den Wettbewerb, privilegiert eine Branche und schafft eine neue Sondersteuer.
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