Die Laufzeiten neu platzierter Frankenobligationen werden immer länger. Das ist eine Folgeerscheinung des Minuszinsumfelds.
In Zeiten negativer Renditen, von denen immer mehr Anleihen heimgesucht werden, weichen Anleger zunehmend auf länger laufende Obligationen aus. Solche bieten noch ein klein wenig (positive) Rendite – oder zahlen bei Verfall zumindest das investierte Kapital ohne Abschläge wieder zurück. Entsprechend stellen sich die Emittenten auf die veränderte Nachfrage ein.
Das ist vor allem bei Anleihen von Unternehmen (Corporates) und auch aus dem Finanzsektor der Fall, wie jüngste Transaktionen am Frankenkapitalmarkt einmal mehr zeigen: So platzierte die Swisscom (SCMN 471.2 0.45%) am Mittwoch 300 Mio. Fr. mit 16 Jahren Laufzeit. Bei einem Minicoupon von 1/8% und einem Ausgabepreis von 100% des Nominalwerts bietet das Papier somit eine Rendite von 0,125% p.a. – und das 16 Jahre lang.
Nur dem Kapitalerhalt diente gleichentags die Emission der Luzerner Kantonalbank (LUKN 407 0.25%) über 375 Mio. Fr. Sie wird zwar bis zum Fälligkeitstermin im September 2031 zu 0,1% pro Jahr verzinst, wurde aber zu 100,1% des Nominalwerts ausgegeben – und bei Verfall zahlt der Schuldner 100% zurück. Für Investoren, die die Anleihe gezeichnet haben, ist das also ein Nullsummenspiel.
Dazu kommt das Zinsänderungsrisiko, auch Durationsrisiko genannt: Je länger die Laufzeit einer Anleihe, desto grösser ist der Kursverlust, falls die Zinsen einmal steigen sollten. Die Masszahl Duration misst, wie lange das Kapital durchschnittlich im Wertpapier gebunden ist (lesen Sie hier mehr dazu).
Die Duration steigt stetig
«Die Duration wird tatsächlich immer länger und ist getrieben durch das Negativzinsumfeld; denn viele Investoren wollen nach wie vor nicht in negative rentierende Anleihen investieren», sagt Daniel Rupli, Chef des Global Credit Research der Credit Suisse (CSGN 12.17 1.25%). So war bis Mitte 2011 die Duration zehnjähriger Anleihen am Schweizer Markt recht konstant bei rund sechs Jahren – Massstab ist die durchschnittliche Restlaufzeit, dargestellt am Liquid Swiss Index (LSI), dem Bondmarktindex der Credit Suisse. Danach ist die Duration recht stetig auf heute über 8,5 Jahre gestiegen.
Die Duration ist auch ein Mass für die Zinssensitivität eines Bonds. Bei zehnjährigen «Eidgenossen», gemeinhin als sicherer Anlagehafen bezeichnet, beträgt die Duration jetzt bereits neun Jahre. Das bedeutet, dass die Kurse dieser Anleihen neunmal stärker auf Zinsänderungen reagieren als eine Geldmarktanlage. Steigen in der Schweiz also irgendwann die Zinsen, müssen Anleger mit erheblichen Kurseinbussen rechnen, weil diese Papiere mit dem alten, niedrigeren Coupon dann weniger attraktiv sind, was auf den Kurs durchschlägt.
Eine «prekäre Zinssituation»
«Eine immer längere Duration ist kein neues Phänomen; das Negativzinsumfeld gibt dem laufenden Trend aber bestimmt eine gute Stütze», bemerkt Luca Corletto vom Credit Research der Zürcher Kantonalbank. Er belegt das mit der Durationsentwicklung der Obligationen im Swiss Bond Index (SBI), die von 5,1 Jahren im Januar 2010 auf 7,6 Jahre Ende August 2016 recht stetig gestiegen ist.
Ronald Hinterkircher, Co-Head Capital Markets Raiffeisen Schweiz, spricht von einer «prekären Zinssituation», die dafür verantwortlich sei, dass die Laufzeiten immer länger würden. Investoren wie Versicherungen, Vermögensverwalter, Privatkunden und Kleinanleger hätten nur «zwei Optionen, um zu einem Minimum von Rendite und Performance zu kommen».
Länger oder tiefere Bonität
Die zwei Optionen seien entweder niedrigere Bonitäten – mit entsprechend höherem Risiko – oder eben längere Laufzeiten, etwa 15 bis 30 Jahre. Hinterkircher erinnert daran, dass seit Beginn der zweiten Jahreshälfte zwölf der bisher abgewickelten 25 Neuemissionen am Frankenkapitalmarkt – einschliesslich der Hypothekenanleihen von Pfandbriefbank und Pfandbriefzentrale – Laufzeiten von 15 Jahren und länger haben.
Stefan Bösl, zuständig für das Schweizer Bondgeschäft der Commerzbank (CBK 6.024 -0.38%) in Zürich, sieht eine deutliche Verschiebung hin zu längeren Fälligkeiten. Im Vergleich zu 2015 habe es 2016 «nahezu keine Emissionen unter fünf Jahren Laufzeit» gegeben. Gleichzeitig hätten die Emissionen von Langläufern von 15 und mehr Jahren deutlich zugenommen. Er bestätigt: «Dies ist hauptsächlich dem negativen Zinsumfeld geschuldet» und gelte für alle Emittentenkategorien.
Deutliche Verschiebung
Bei Pfandbriefemittenten oder auch bei Kantonen und Städten, die alle über beste Bonitätsnoten verfügten, sei diese Tendenz weniger stark ausgeprägt als bei Unternehmen, da etwa für Pfandbriefemittenten das Fälligkeitenprofil der Kredite eine Rolle spiele, sagt Bösl. «Hier sinken jedoch die Renditen deutlich stärker in den Laufzeiten bis zehn Jahren als in den längeren Bereichen.» Grund sei das grosse Interesse ausländischer Investoren, die Frankenanleihen in Euro oder Dollar wechseln (Swapen) und dabei ein bisschen Rendite mitnehmen könnten.
Frankenemittenten profitierten auf diese Weise indirekt vom Anleihenkaufprogramm der Europäischen Zentralbank. Bei Unternehmensanleihen ergibt sich gemäss Bösl ein ähnliches Bild. Hinzu komme, dass sich Corporate-Emittenten momentan «wie eine defensive Fussballmannschaft verhalten», nach der Devise: «Die Null muss stehen!» Unternehmen versuchten, die maximale Laufzeit mit 0% zu bekommen.
Andreas Tocchio, Head of Swiss Franc Debt Syndicate der UBS (UBSG 13.77 0.81%) Investment bank, sieht das Problem «in der Notwendigkeit einer positiven Rendite» für Anleger aus der Schweiz. Dies gelte natürlich nicht für ausländische Investoren, die Frankenanleihen in eine andere Währung tauschen. Darüber hinaus habe sich das Problem der negativen Zinsen akzentuiert, da die meisten Investoren auf ihren Cashbeständen -0,75% bezahlen müssen.
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