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15:56 Uhr - 06.05.2016

Eric Syz: «Der persönliche Kontakt ist ein Muss»

Als das Genfer Bankhaus Syz vor zwanzig Jahren gegründet wurde, zeichnete sich schon ab, dass das Bankgeheimnis sterben würde, sagt CEO Eric Syz. Heute verwaltet die Bank mit 570 Beschäftigten knapp 40 Mrd. Fr.

Herr Syz, wie geht es dem Vermögensverwaltungsgeschäft, dem Private Banking, der Schweiz?
Es geht ihm über alles gesehen gut. Die Branche hat sich der neuen Situation mit der Weissgeldstrategie und der Regulierungsverschärfung mit Bravour gestellt. Tiefgreifende Reorganisationen wurden angepackt, eine Marktbereinigung kam in Gang, sodass man heute sagen kann: Der Sektor ist solid aufgestellt. Das Private Banking der Schweiz steht weltweit nach wie vor an der Spitze.

Zur PersonEric Syz stammt aus einer Zürcher Industriellenfamilie, die zu den Gründern der Credit Suisse und der Zürich-Versicherung gehörte. Er ist Mitgründer, Mehrheitsaktionär und CEO der 1996 gegründeten Syz-Gruppe, die heute eine wichtige Kraft im Schweizer Private Banking ist. Seine Finanzkarriere begann er in den USA. Später stiess er zu Lombard Odier, wo er in der Vermögensverwaltung, für Fusionen und Übernahmen und im Hedge-Funds-Bereich tätig war. In seiner Freizeit ist Eric Syz leidenschaftlicher Sammler von zeitgenössischer Kunst.Trotzdem klagen nicht wenige Anbieter über teure aufsichtsrechtliche Auflagen, in die IT muss investiert werden, der Kostendruck wächst. Ein Widerspruch?
Banken und besonders Privatbanken hatten lange Zeit Ruhe, bis die Finanzkrise 2007/08 die Branche weltweit zu einer massiven Restrukturierung zwang. In der Schweiz kam der Druck aufs Bankgeheimnis dazu. Da ist es logisch, dass Klagen laut werden. Die Bank Syz gehört nicht dazu. Seit der Gründung unseres Instituts vor zwanzig Jahren haben wir nie «Bankgeheimnis» verkauft. Es war damals schon nur eine Frage der Zeit, bis dieses Geschäftsmodell kippen würde. Meine Erfahrung aus den USA hat mich gelehrt, dass man nur mit Leistung, mit lösungsorientiertem Service und Performance erfolgreich sein kann.

FuW-Beilage «Private Banking»Dieser Beitrag ist Teil der Private-Banking-Beilage von «Finanz und Wirtschaft». Weitere Beiträge und Interviews der Publikation  vom 30. April 2016 befassen sich mit der Zukunft des Finanzplatzes Schweiz, dem Wandel im Banken- und Vermögensverwaltungsgeschäft, der Frage nach dem gläsernen Kunden auch in der Schweiz und diversen Analysen zur Anlagestrategie. Die gesamte Beilage ist als PDF unter www.fuw.ch/Magazine abrufbar.Grenzüberschreitend sind die regulatorischen und steuerrechtlichen Anforderungen dermassen gestiegen, dass eine Bank oder ein Vermögensberater nicht mehr alle Märkte bedienen kann. Wo sind die Hürden am höchsten?
Die USA sind sehr genau reguliert. Aber wenn eine Bestimmung einmal steht, ist sie fix, und man kann sich in ihrem Rahmen relativ frei bewegen. Anspruchsvoll ist aus Schweizer Sicht Europa. Vieles befindet sich im Fluss, und von Land zu Land sind die Unterschiede teils deutlich, was ein Kundenberater darf und was nicht. Da steckt eine grosse Portion Protektionismus dahinter.

Es geht nicht um Anlegerschutz, sondern um Politik?
Anbieter innerhalb der EU haben verhältnismässig viel Spielraum. Wer jedoch von ausserhalb kommt, also offshore tätig ist, kann zum Beispiel in Frankreich fast nichts unternehmen. Je weiter südlich in Europa, desto restriktiver. Deutschland ist offener, Grossbritannien noch mehr. Ausserhalb von Europa hat auch Japan zum Schutz der inländischen Anbieter hohe Mauern hochgezogen.

Wovor fürchtet sich Europa?
Innerhalb der EU selbst besteht zwischen den drei Finanzmetropolen London, Frankfurt und Paris, wozu noch Luxemburg kommt, ein erbitterter Konkurrenzkampf. Den will man nicht von aussen zusätzlich schü- ren. Deutsche und Franzosen reiben sich schon jetzt die Hände beim Gedanken, dass Grossbritannien aus der EU austreten und man von London Geschäfte übernehmen könnte.

Glauben Sie, der Brexit kommt, und könnte er den Standort London nicht auch stärken?
Trotz allen Unkenrufen glaube ich, dass die Chancen des Brexit ziemlich klein sind. Die unbekannten Folgen sind einfach ein zu grosses Risiko, nicht nur für die britische Wirtschaft, auch für die EU. In Grossbritannien haben viele Unternehmen investiert, um damit einen Zugang zum europäischen Markt zu erhalten.

Wie wichtig ist für Schweizer Finanzdienstleister der Marktzutritt zur EU, den sie seit längerem anstreben?
Ein grosses Finanzhaus, das onshore die europäische Kundschaft bedient, kann den Markt relativ einfach betreuen. Für die Branche insgesamt ist er wichtig, zum Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit, für die Wertschöpfung und die Arbeitsplätze. Je kleiner ein Institut, umso bedeutender ist der Marktzutritt.

Wird er kommen?
Allein für den Finanzsektor stünden die Chancen schlecht. Aber die Politik strebt den Zutritt ja auch für andere Industrien an. Das wägt die EU ab. Für uns, für die Schweizer Wirtschaft, geht es um viel. Wir müssen diesen institutionellen Vertrag mit der EU unter allen Umständen aushandeln.

Wie stehen Sie zur Regulierungsdichte in der Schweiz?
Dass die Eigenmittelvorschriften für Banken verschärft wurden, ist korrekt und notwendig. Die Frage ist, ob sich die Schweiz nicht überkorrekt verhält. Ich rede nicht vom Swiss Finish bei den Eigenmitteln, da scheint man eine vernünftige Lösung gefunden zu haben, sondern von anderen Bereichen. Dem OECDStandard für den automatischen Informationsausgleich, AIA, etwa. Und es gibt Teile des Finanzmarktes, die überhaupt nicht reguliert sind. Um als Vermögensverwalter tätig zu sein, braucht es in anderen Ländern eine Lizenz. In der Schweiz ist das nicht so.

Was stört Sie am automatischen Informationsaustausch?
Am AIA stört mich nichts. Ich wundere mich aber, wie rasch die Schweiz ihn umsetzt, während andere Länder zum Teil nichts unternehmen oder nur sehr langsam vorwärtsmachen. Ich kann mir nicht vorstellen, wie die Reziprozität des Austauschs sichergestellt werden soll. Das südliche Europa ist kaum fä- hig, die Daten in nützlicher Form und Frist zu liefern.

Den Musterschüler Schweiz kann man auch als Vorteil, als Garanten für Sicherheit, verkaufen.
Absolut, eine strenge Regulierung hat auch Chancen. Ziel muss es sein, eine Balance zu finden zwischen Anspruch und Realität. Wir gingen rasch voran und sollten jetzt schauen, was die anderen machen, bevor wir wieder aktiv werden. Beim Bankgeheimnis ist es ähnlich. Viele Länder pflegen es noch immer, zum Teil viel intensiver, als die Schweiz es getan hat.

Kommt der gläserne Bankkunde auch in der Schweiz? Weshalb ist die Schweiz als Bankenplatz attraktiv?
Wegen der politischen, wirtschaftlichen und rechtlichen Stabilität sowie aufgrund der soliden Währung. Zu den Werten der Schweiz gehört allerdings auch eine gewisse Wahrung der Privatsphäre. Schweizerinnen und Schweizer sind grundsätzlich steuerehrliche Bürger. Deshalb braucht es den gläsernen Bankkunden nicht. Abgesehen davon würde er in der Schweiz gar nicht akzeptiert.

Als Schlüssel zum Erfolg im Private Banking sprachen Sie von lösungsorientiertem Service und Performance. Das tun andere auch. Wie kann sich eine Bank, ein Vermögensverwalter am Markt profilieren?
Wenn ich lösungsorientiert sage, heisst das, dass man den Kunden richtig profilie en muss. Es ist enorm wichtig, dass man sich genügend Zeit nimmt, um die individuellen Ziele und Verpflichtungen, die Risikotoleranz, das Umfeld etc. in allen Facetten zu besprechen und das Risikoprofil im Detail festzuhalten. So bewahrt man den Kunden vor unliebsamen Überraschungen und kommt seinem Performanceziel möglichst nahe. Unsere Philosophie ist, dass wir unser eigenes Geld investieren wie das unserer Kunden. Mit dem Kunden im Risiko stehen ist eine doppelte Verpflichtung

Sind Kunden – zu sich selbst und zum Berater – immer ehrlich? Was ist Ihre Erfahrung?
Viele Kunden können sich tatsächlich schwer selbst einschätzen. Umso wichtiger ist es, sich mit dem Kunden und seiner Situation auseinanderzusetzen. Ihm Szenarien zu erklären, bildhaft und nachhaltig, wie sich ein Portfolio entwickeln kann und welche Schwankungsrisiken es umfasst. Wenn man das verständlich aufzeigt, erkennt man rasch, und auch der Kunde merkt es, wie risikofähig oder risikoavers er ist.

Gibt es bei Niedrigst- und Negativzinsen, fragiler  Wirtschaft und hoher Marktvolatilität noch Ertragsquellen, die das Risiko lohnen?
Aber ja, auch wenn die Suche schwieriger geworden ist, wobei: Schweizer Bundesanleihen haben im vergangenen Jahr trotz negativer Rendite einen Gesamtertrag von rund 8% geliefert. Leider wird das bei diesen niedrigen Zinsen kaum so weitergehen.

Wo schauen Sie sich um?
Bei Privatkrediten oder im Private-Equity-Sektor zum Beispiel: Kürzlich haben wir in Hongkong ins sogenannte Selfstorage-Geschäft investiert. Das sind Lagerhäuser, in denen die Bevölkerung, deren Wohnraum sehr knapp bemessen ist, Gegenstände wie Möbel, Kleider, Sportgeräte etc. unterbringt. Mit einer CashRendite von 7 bis 8% ist das für Anleger attraktiv und mit einer Beteiligung ab 500000 Fr. nicht nur für sehr vermögende Kunden zugänglich.

Ihre Gruppe steht mit dem Private Banking und dem Asset Management mit den Oyster-Fonds auf zwei Beinen. Wie stehen die beiden Bereiche zueinander?
In der Privatbank verwalten wir 22 Mrd. Fr., im Asset Management 18 Mrd. Fr. Die Kombination ist zwingend. Wer in der Vermögensverwaltung Inhalte liefern will, muss im Asset Management stark sein. Es ist, als würde man an Weltmeisterschaften teilnehmen, man misst sich mit seinen Produkten am Index und an der Konkurrenz. Erfolgreiche Vermögensverwaltung muss transparent und deshalb prozessorientiert und nachhaltig sein. Diese DNA kann man nur im Asset-Management-Geschäft aufbauen und sie dann aufs Private Banking übertragen.

Kunden könnten vermuten, dass bei dieser Konstellation nur hauseigene Produkte im Depot landen. 
Überhaupt nicht. Wir verwenden auch fremde Produkte. Das Asset Management muss sich dem Wettbewerb mit anderen Anbietern stellen und strengt sich enorm an, dass seine Leistungen – nicht nur bei uns – zum Zug kommen. Das spornt an.

Vermögensverwaltung ist ein sehr kompetitives Geschäft. Vergangenes Jahr hat Syz den Schweizer Teil von Royal Bank of Canada übernommen. Wo verläuft der Grat zwischen Ausbau und Rationalisieren?
Rationalisieren ist auf operationaler Ebene, wo es um möglichst schlanke Prozesse und ums Automatisieren geht, eine Daueraufgabe. Auch Digitalisierung ist ein Thema. Nach Zukäufen schaut man sich immer um. Aber die Preise sind teils noch immer hoch. Im Private Banking braucht es eine gewisse kritische Grösse. Ein Anbieter mit weniger als 20 Mrd. Fr. an verwalteten Vermögen hat es schwer. Wir betreuen rund 40 Mrd. Fr. und fühlen uns wohl damit. Dank RBC Schweiz haben wir nicht nur diese Grösse erreicht, sondern wir haben Märkte in Afrika und in Lateinamerika gewonnen.

Stichwort Digitalisierung, wo macht sie Sinn, wo nicht?
Im operativen Bereich macht Digitalisierung Sinn. Auch für Informationen, fürs Reporting, um Marktszenarien und ihre Auswirkungen aufs Depot zu simulieren, und für standardisierte Abfragen sind elektronische Kanäle hilfreich. Doch der Privatkunde, der Anspruch auf massgeschneiderte Lösungen hat und ihn auch nutzt, wird nie auf persönlichen Kontakt und Service verzichten.

Auch beim Kunden, der Anspruch auf persönliche Beratung hat, steigt die kritische Grösse. Wo liegt sie aktuell?
Branchenweit dürfte die Untergrenze bei einem Vermögen von 1 Mio. Fr. liegen, Tendenz steigend – nicht nur aus Kostengründen. Die Angebotspalette wird immer grösser. Mit günstigen Indexfonds zum Beispiel gibt es heute auch für kleinere Depots viele Möglichkeiten.

Ein Rat, Ihr wichtigster: Was sollen Anleger befolgen?
Viele Anleger, aber auch Berater machen den Fehler, dass sie ihre Strategie ständig verändern. Wenn die Märkte aufwärts tendieren, gehen sie mehr Risiken ein und korrigieren das Performanceziel nach oben, wenn’s schlecht läuft, fahren sie die Risiken zurück und verbauen sich so die Chance, von einer Erholung zu profitieren. Deshalb mein wichtigster Rat: immer der Strategie treu bleiben. Vor dreissig Jahren hatte ich einen Kunden beraten, der eine 50/50-Strategie verfolgte, 50% Aktien, 50% Obligationen. Die Anteile wurden laufend angepasst, über 50% verkauft, unter 50% zugekauft. Zwischendurch gab’s Buchverluste, aber nach dreissig Jahren hat sich das Vermögen verfünfzehnfacht.

Mit den Negativzinsen haben wir eine neue Situation. Wie soll man in diesen Verhältnissen investieren?
Solange weltweit die Bevölkerung zunimmt, werden auch die Wirtschaft und die gut geführten Unternehmen wachsen. Deshalb würde ich einen bedeutenden Teil der Anlagen in Aktien, sprich in Realwerten, halten und mich bei Anleihen allgemein eher zurückhalten.

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