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16:05 Uhr - 30.01.2015

«US-Aktien dürften 2015 nur 4% abwerfen»

David Kostin, Chef-US-Aktienstratege von Goldman Sachs, setzt angesichts stolzer Bewertungen auf Anlagethemen, die einen höheren Ertrag versprechen.

Die Prognose lässt aufhorchen. David Kostin, Chef-US-Aktienstratege von Goldman Sachs (GS 174.64 -0.77%), erwartet von der amerikanischen Börse dieses Jahr einen Gesamtertrag von nur gerade 4% – Dividenden eingerechnet. Das Kursplus 2015 dürfte demnach weniger als 2% betragen. Damit hebt sich Kostin von der üblicherweise freundlich gestimmten Strategengilde ab. Im Gespräch mit «Finanz und Wirtschaft» erklärt er, wo trotzdem noch attraktive Gelegenheiten locken.

Zur PersonDavid Kostin ist einer der einflussreichsten Strategen Wallstreets. Seit 2004 ist er als Chef-US-Aktienstratege von Goldman Sachs für die Anlagepolitik und die Einstufung des US-Aktienmarktes verantwortlich. Kostin steht seit bald zwanzig Jahren im Dienste des US-Wertschriftenhauses. 1998 wurde er zum Managing Director ernannt und 2010 zum Partner befördert. Vor Goldman Sachs arbeitete er siebzehn Jahre lang als Research-Analyst im Immobilienbereich und machte sich von 1986 bis 1994 bei Salomon Brothers einen Namen. In früheren Jahren bekleidete er auch das Amt des Präsidenten der New Yorker Gruppe der Immobilienanalysten. Seine akademischen Sporen verdiente Kostin an der Brown University in Providence im US-Bundesstaat Rhode Island ab, wo er das Studium der angewandten Mathematik mit der Auszeichnung magna cum laude abschloss.

Herr Kostin, die US-Börse haussiert seit bald sechs Jahren, und es gibt kaum Anzeichen, dass der Höhenflug bald endet. Wird Ihnen nicht langweilig?
Die Hausse der letzten Jahre wurde zu einem guten Teil von der steigenden Bewertung getragen. Das Kurs-Gewinn-Verhältnis des amerikanischen Aktienmarktes ist von rund 10 im Jahr 2009 auf knapp 17 heute geklettert. Die durchschnittliche Aktie – die Medianaktie – handelt sogar zu einem KGV von 18. Das ist einer der höchsten Werte der vergangenen vierzig Jahre. Die typischen Bewertungsmassstäbe notieren alle auf sehr hohem Niveau. In diesem Umfeld attraktive Opportunitäten zu finden, macht die Arbeit als Aktienstratege interessant.

Wo finden Sie diese Opportunitäten?
Wir fokussieren auf Unternehmen, die ihr Geld hauptsächlich in den Vereinigten Staaten verdienen, weil sich das Wachstum der US-Wirtschaft beschleunigt. Unsere Ökonomen erwarten eine Zunahme des Bruttoinlandprodukts um 3,3%. Das ist im Vergleich zu Europa und Japan attraktiv, wo wir einen Zuwachs von weniger als 1% prognostizieren.

Aktientipps von Goldman Sachs

Sind nicht genau diese Titel bereits teuer?
Wir berücksichtigen Wachstum und Bewertung. Für den Technologiesektor erwarten wir 2015 ein Gewinnplus von 9% – beim Gesamtmarkt sind es nur rund 5%. Dagegen sind der Energie- und der Telecomsektor günstig bewertet. Wir empfehlen ein Übergewicht in allen drei Sektoren, doch der klassische Sektoransatz entspricht nicht der effektivsten Vorgehensweise.

Welches Vorgehen empfehlen Sie?
Das Denken in sektorübergreifenden Themen. Dazu zählt die Ausrichtung auf Unternehmen mit einem hohen US-Umsatzanteil, aber auch auf Gesellschaften, die liquide Mittel an die Aktionäre zurückführen – sei es über Dividenden oder über Aktienrückkäufe. Auch diesbezüglich sticht Amerika die europäische Konkurrenz aus, weil es in Europa kaum aktivistische Investoren gibt, die eine solche Mittelverwendung erzwingen. Rückkäufe machen in den USA den grössten Teil der Aktiennachfrage aus. Das erste Thema spielen wir übrigens weltweit, weil diese Titel nicht nur vom höheren US-Wachstum profitieren, sondern auch vom erstarkenden Dollar.

Wird die Stärke des Dollars nicht zum Problem für die US-Börse?
Amerikanische Unternehmen erwirtschaften zwei Drittel ihres Umsatzes im Heimmarkt. Viele Gesellschaften sind ausschliesslich in den USA tätig.

Gerade der IT-Sektor ist doch ausgesprochen international.
US-Technologieunternehmen erzielen etwas mehr als die Hälfte ihrer Einnahmen im Ausland. Ein bedeutender Teil davon entfällt aber auf Exporte an taiwanesische Tochtergesellschaften von anderen US-Firmen, die das Endprodukt zurück in die USA liefern. Der Energie- und der Rohstoffsektor weisen ebenfalls ein hohes internationales Exposure auf, alle anderen Branchen erwirtschaften jedoch weit weniger als ein Drittel ihres Umsatzes im Ausland.

Gibt es Sektoren, die besonders viele auf den US-Markt ausgerichtete Gesellschaften enthalten?
Wir stellen sektorneutrale Portfolios zusammen. Wir finden in jeder Branche Titel mit hohem US-Umsatzanteil. Das gilt auch für den Technologiesektor, der Unternehmen enthält, die zu 100% in den USA wirtschaften. Das Gleiche trifft für die Gesundheitsbranche zu, die von den globalen Pharmariesen dominiert wird. Der Sektor umfasst aber auch Spitäler, die nur in den Vereinigten Staaten tätig sind.

Welchen Ertrag kann der Anleger angesichts der hohen Bewertung von US-Aktien erwarten?
Der Ertrag für 2015 lässt sich aus der Dividendenrendite von 2,1%, dem Gewinnwachstum von 5% und einem leichten Rückgang des KGV von 16,9 auf 16 ableiten. Zusammen ergibt das einen unterdurchschnittlichen Gesamtertrag von rund 4%.

Das ist nicht gerade attraktiv.
n Japan und Europa winkt zwar ein höherer Ertrag in Lokalwährung, der durch die erwartete Währungsschwäche aber zumindest teilweise weggefressen wird. Eine Investition in den Topix dürfte inklusive Dividenden 19% abwerfen – in Dollar sind es noch 11%. Noch stärker fällt die Währung beim Stoxx 600 (SXXP 367.05 -0.46%) ins Gewicht, wo aus einem Plus von 17% in Euro umgerechnet in Dollar bloss 6% verbleiben.

Wie beurteilen Sie die Stimmung der Investoren?
Kurzfristig erwarten wir eine Konsolidierung an der US-Börse, weil Anleger übermässig optimistisch sind. Danach sollte sich die Hausse dank steigender Unternehmensgewinne bis ins zweite Quartal fortsetzen, bevor die erste Zinserhöhung der US-Notenbank, die wir für September erwarten, eine Korrektur auslöst – bedingt durch einen leichten Rückgang des KGV. Im historischen Mittel bildete sich das KGV in den drei Monaten nach dem ersten Zinsschritt 8% zurück. Danach sollte der US-Markt dank des höheren Wachstums weiter steigen.

Was bedeutet der erste Zinsschritt für Ihre Sektorallokation?
Wegen des rückläufigen KGV muss noch stärker auf das Gewinnwachstum geachtet werden. Das spricht für Technologiewerte. Stark unterbewertete Sektoren wie Energie sollten ebenfalls einen gewissen Schutz bieten. Das Gleiche gilt für Unternehmen, die liquide Mittel an die Investoren zurückführen. Zählt man Dividenden und Aktienrückkäufe zusammen, bietet der Gesamtmarkt rund 5%. Unsere Auswahl erreicht 13%.

Sind Sie wirklich mutig genug, in den Energiesektor zu investieren?
Die Zeit mag noch nicht ganz reif sein, doch wenn Ihr Anlagehorizont über die nächsten zwölf Monate hinausreicht, ist eine Investition durchaus sinnvoll. Während der Gesamtmarkt wegen der hohen Bewertung nur moderate Erträge abwerfen dürfte, kann mit Energieunternehmen wesentlich mehr verdient werden.

Was wäre der Treiber für Energieaktien – ein höherer Ölpreis oder die niedrige Bewertung?
Die im S&P 500 (SP500 2014.23 -0.35%) vertretenen Unternehmen investieren etwa die Hälfte ihres Cashflows in Wachstum – sei es in Ausrüstung, Forschung und Entwicklung oder Akquisitionen. Die andere Hälfte fliesst über Dividenden und Aktienrückkäufe an die Investoren. Energieunternehmen haben 75% in Wachstum investiert und nur 25% an die Aktionäre zurückgeführt. Nach dem Ölpreiszerfall werden die Investitionen zurückgefahren, doch die Dividenden bleiben unangetastet. Dazu kommt: Energieunternehmen erwirtschaften 11% der Indexgewinne, weisen aber eine Gewichtung von nur 8% auf. Der Markt nimmt demnach bereits einen markanten Gewinneinbruch vorweg.

Aktientipps von Goldman SachsDavid Kostin empfiehlt im Gespräch mit «Finanz und Wirtschaft», auf Unternehmen zu setzen, die ihr Geld hauptsächlich in den USA verdienen. Solche Namen finden sich in jeder Branche – auch im Technologiesektor, der etwas mehr als jeden zweiten Dollar im Ausland umsetzt und deshalb als ausgesprochen international gilt.
Das Softwarehaus Intuit und der Zahlungsabwickler Paychex sind sogar ausschliesslich in den Vereinigten Staaten tätig. Das gilt im Übrigen für sämtliche in der Tabelle zum Thema hoher US-Umsatzanteil aufgeführten Namen.

Ferner mag Kostin Gesellschaften, die Kapital an die Aktionäre zurückführen – sei es über Dividenden oder Aktienrückkäufe. Die Tabelle zeigt für jeden Sektor die Aktie mit der höchsten Gesamtrendite aus Kostins Aktienkorb. Mit über 22% bietet der Düngemittelkonzern CF Industries den höchsten Ertrag, wobei die Aktienrückkäufe mehr als 20% ausmachen.
Mit über 19% schneiden auch der Spezialglashersteller Corning und der Sicherheitsdienstleister ADT gut ab.

Weniger eindrücklich ist die Bilanz bei den klassischen Dividendenchampions aus den Branchen Versorger und Telecom. So kommt der Strom- und Gasvertreiber Pepco nur gerade auf eine Gesamtrendite von 5,4%.
Die letzte Spalte enthält die Namen mit dem niedrigsten Kurs-Gewinn-Verhältnis pro Sektor.

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