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12:13 Uhr - 05.12.2014

US-Grossbanken sind klar besser

US-Institute haben während der strukturellen Anpassungen mehr Substanz geschaffen als europäische Banken.

Zum Autor:Moritz Baumann ist Analyst und Privatkundenberater bei Albin Kistler.Die strukturellen Anpassungen bei den Grossbanken waren in den letzten sechs Jahren beträchtlich. Die Entwicklung der Substanz zeigt grosse Unterschiede zwischen den amerikanischen und europäischen Instituten. In Europa sieht die Bilanz für die Aktionäre deutlich schlechter aus.

Die Grossbanken dies- und jenseits des Atlantiks sind ausser der Wiedergutmachung vergangener Sünden durch horrende Strafzahlungen mit der Anpassung an das sich kontinuierlich verändernde regulatorische Umfeld beschäftigt. Das von der Politik geforderte «De-Risking» ist im Gang. Es zeigt sich primär in strategischen Neuausrichtungen, der Reduktion der risikogewichteten Anlagen und der Erhöhung der Eigenmittelausstattung. Im Zentrum des Interesses und als Massstab für die Fortschritte steht dabei die Eigenmittelquote.

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Eine solidere Eigenmittelausstattung ist auch für die Eigentümer wünschenswert. Die Einsicht, dass ein Fremdkapitaleinsatz auf Vorkrisenniveau und auch die damit verbundene, hohe Eigenmittelrentabilität in Zukunft nicht mehr praktikabel ist, scheint sich durchgesetzt zu haben. In Bezug auf die Werthaltigkeit des finanziellen Engagements ist für den Aktionär jedoch von zentraler Bedeutung, wie dieser Paradigmenwechsel hin zu höherer Stabilität vollzogen wird.

Verschuldung senken

Vereinfacht betrachtet, gibt es für eine Bank nur zwei Wege, den Verschuldungsgrad (Leverage) zu reduzieren: Bilanzverkürzung durch Fremdmittelabbau oder Aufbau von Eigenkapital. Letzterer kann einerseits durch Reservebildung dank einbehaltenen Gewinnen geschehen. Dies setzt einen erfolgreichen Geschäftsverlauf voraus. Eine Bedingung, die in den vergangenen Jahren für manche Bank keine Selbstverständlichkeit war. Oder aber die Stärkung der Eigenmittel geschieht über Kapitalerhöhungen. Dies hat jedoch eine Verwässerung der bestehenden Aktienanteile zur Folge und ist somit aus Sicht der Eigentümer meist unvorteilhaft.

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In der Praxis haben die Banken unterschiedliche Wege eingeschlagen. In welchem Masse und mit welchen Konsequenzen für die bestehenden Aktionäre das Eigenkapital aufgebaut worden ist, zeigt die Analyse von zehn europäischen und amerikanischen Grossbanken seit dem Krisenjahr 2008 (die Analyse stützt sich auf die in den Geschäftsberichten 2007 bis 2013 ausgewiesenen Bilanzzahlen).

Zwischen Anfang 2008 und Ende 2013 haben mit Ausnahme der Credit Suisse (CSGN 26.14 1.16%) sämtliche untersuchten Grossbanken ihre ausgewiesenen Eigenmittel erhöht (vgl. Grafik 1). Angeführt von Wells Fargo zeigen hauptsächlich US-Institute markante Steigerungen von mehr als 50%. Ob dieser Eigenmittelaufbau aus eigener Kraft oder auf Kosten der Aktionäre geschehen ist, zeigen die Eigenmittelkomponenten. Die in Grafik 2 aufgeführte Position «Anderes» enthält nebst nicht gewinnwirksamen Eigenkapitalveränderungen hauptsächlich die Veränderungen durch Aktienrückkäufe. Letztere sind vor allem bei US-Instituten ein beliebtes Instrument zur Rückführung von Kapital an die Aktionäre, als Alternative zur Dividende.

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Der massive, branchenweite Gewinneinbruch in den Krisenjahren sowie die strengere Regulierung führte dazu, dass sämtliche untersuchten Grossbanken zur Stärkung der Eigenmittelbasis auf Kapitalerhöhungen zurückgreifen mussten. Dies geschah jedoch in unterschiedlichem Ausmass. Dank sich relativ schnell erholender Gewinnzahlen konnten Institute wie Wells Fargo, US Bancorp, J. P. Morgan und Goldman Sachs (GS 191.95 0.52%) Ihren Substanzaufbau über Gewinnreserven vorantreiben. Bei den meisten europäischen Instituten – vor allem bei den Schweizer Grossbanken –  zeigt sich ein deutlich unvorteilhafteres Bild. Hier wurde verstärkt auf Kapitalerhöhungen zurückgegriffen. Bei den Gewinnreserven ergibt sich für UBS (UBSN 17.6 0.28%) und Credit Suisse über den Betrachtungszeitraum sogar ein Negativsaldo. Vor allem in Europa bauten Banken ihr Eigenkapital stark zu Ungunsten der langjährigen Aktionäre auf. Diese mussten teilweise massive Verwässerungen hinnehmen. Credit Suisse Aktionäre, zum Beispiel, erlitten eine Ausweitung der ausstehenden Aktien von mehr als 50%. In Kombination mit dem mageren operativen Leistungsausweis ergibt sich eine Reduktion des Buchwertes pro Aktie von 37%. Der entsprechende Wert bei der UBS beträgt –23%.

Buchwerte gesteigert

Inklusive Dividenden – als Alternative zur Bildung von Gewinnreserven oder Aktienrückkäufen – ergibt sich ein klares Bild zugunsten der amerikanischen Institute (Grafik 3). Deren Aktionäre haben in den Jahren 2008-2013, trotz der zyklischen wie auch strukturellen Turbulenzen, deutliche Substanzgewinne v. a. in Form von Buchwertsteigerungen verzeichnen können und sind auch in den Genuss ansehnlicher Dividendenausschüttungen gekommen. Natürlich erschweren die unterschiedlichen Rechnungslegungsordnungen (IFRS und US GAAP) sowie abweichende Bewertungspraktiken der Banken einen Vergleich. Auch erlauben die Eigenkapitaldaten ohne zusätzliche Analyse der Fremdmittel keine Aussage über die Entwicklung des Leverage. Auch die rege Übernahmetätigkeit in den USA und die Konsequenz, dass viele ehemals glanzvolle Namen wie Bear Stearns, Lehman Brothers oder Merrill Lynch verschwunden sind oder ihre Eigenständigkeit verloren haben, mahnen zur Vorsicht vor zu schnellen Schlussfolgerungen. Trotzdem muss man festhalten, dass bei den zehn hier untersuchten Instituten die US-Banken aus Sicht des Aktionärs einen klar besseren Leistungsausweis aufweisen. Der Eigenkapitalaufbau erfolgte deutlich aktionärsfreundlicher. Der Markt hat diese Unterschiede entsprechend gewürdigt, was an den Entwicklungen der Aktienkursen über diesen Zeitraum abzulesen ist.

Zwangsweise rekapitalisiert

Während firmenspezifische Faktoren wie die Qualität des Managements, die strategische Neuausrichtung oder das Ausmass der juristischen Altlasten eine zentrale Rolle spielen, hatten auch die Rettungsmassnahmen während der Krise dies- und jenseits des Atlantiks einen grossen Einfluss auf die Entwicklung der Grossbanken in den Folgejahren.

Das Krisenmanagement der USA war geprägt vom damaligen Finanzminister Henry Paulson und dessen Überzeugung, dass nur grosse, kompromisslose Massnahmen die Panik an den Finanzmärkten beseitigen können. Das auf dieser Überzeugung basierende, staatliche Rettungspaket im Umfang von 700 Mrd. $ und die faktische Zwangskapitalisierung der wichtigsten Grossbanken mittels Vorzugsaktien hat seine Wirkung nicht verfehlt.

Die europäischen Rettungsmassnahmen waren deutlich unkoordinierter. Sie wurden hauptsächlich auf nationaler Ebene definiert. Die Kapitalerhöhung der Deutschen Bank im Frühling dieses Jahres ist nur ein Beispiel dafür, dass die Stabilisierung der Banken in Europa mehr Zeit in Anspruch nimmt.

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