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12:14 Uhr - 30.08.2016

«Wir sind auf der Suche nach der nächsten Nestlé»

Beat Käser, Portfoliomanager Schweizer Aktien bei Rieter Fischer Partners, sagt, warum Aktien immer noch attraktiv sind und warum er Swissquote Novartis vorzieht.

Herr Käser, Sie sind auf Small und Mid Caps spezialisiert. Finden Sie wegen der hohen Bewertungen bei diesen Titeln überhaupt noch Anlagemöglichkeiten?
Beat Käser: «Die Phase der Übertreibung ist noch nicht erreicht.» Bild: ZVGDas Kurs-Gewinn-Verhältnis lässt tatsächlich auf ein hohes Niveau schliessen. Ich betrachte die Bewertung jedoch aus Sicht der Risikoprämie. Diese ist weiterhin hoch. Investoren können sich also an ein dauerhaft höheres Kurs-Gewinn-Verhältnis gewöhnen, ohne dass Aktien tatsächlich teurer werden.

Aber blenden Sie dadurch auf der Suche nach Rendite nicht die Risiken aus?
Nein. Die Phase der Übertreibung mit stark steigenden Kursen über einen kurzen Zeitraum nach bereits mehrjähriger Hausse ist noch nicht erreicht. Solange ich dafür keine Anzeichen sehe, bleibe ich positiv gestimmt.

Bei Einzeltiteln führen schlechte Neuigkeiten aber mittlerweile oft zu überdurchschnittlich hohen Kursschwankungen. Ist das kein Zeichen dafür, dass der Markt fragiler wird?
Das sehe ich nicht so. Selbst nach Grossereignissen wie dem Brexit oder dem Entscheid der SNB (SNBN 1380 2.15%), die Eurountergrenze fallen zu lassen, hat sich der Aktienmarkt in kurzer Zeit erholt. Zudem sehe ich die stärkeren Kursschwankungen nicht zwangsläufig negativ. Sie beweisen, dass sich Investoren die Fundamentaldaten der Gesellschaften sehr genau ansehen. In Phasen der Übertreibung würde genau das ignoriert werden.

Was wären dann Risiken, die längerfristig einen Kurssturz auslösen könnten?
Stark steigende Zinsen würden sicherlich zu einem Kursrückgang führen.

Rechnen Sie in nächster Zeit damit?
Nein. Die USA könnten in diesem Jahr die Zinsschraube zwar etwas anziehen. Insgesamt dürften aber auch sie die Zügel locker halten. In Europa ist ebenfalls nicht so bald mit einer Erhöhung der Zinsen zu rechnen.

Wie sieht es umgekehrt aus – würden Zinssenkungen die Kurse befeuern?
Ich erwarte eher eine Stagnation der Zinsen auf dem aktuellen Niveau. Die Europäische Zentralbank muss aufpassen, dass sie die europäischen Banken nicht in Gefahr bringt. Tiefe Zinsen drücken auf die Gewinnmarge der bereits angeschlagenen Finanzhäuser. Das Letzte, was Europa gebrauchen könnte, wäre eine Bankenkrise.

Die Stimmung am Markt ist gut, Absicherungsinstrumente sind daher günstig. Sichern Sie sich gegen Rückschläge ab?
Wer in unseren Fonds investiert, setzt auf steigende Kurse. Deshalb sichern wir nicht ab. Man kann sich aber schon überlegen, ob es bei einem Liquiditätsüberhang nicht sinnvoll wäre, Absicherungsinstrumente zu kaufen. Statt dass Aktionäre Negativzinsen zahlen, könnten sie ihre Liquidität zur Absicherung einsetzen.

Dann bleibt bei panikartigen Rückgaben nur die Veräusserung. Sind Sie in der Lage, Small-Cap-Positionen trotz der teils geringen Liquidität rasch abzustossen?
Aus meiner Erfahrung kann ich sagen, dass es immer möglich ist, Nebenwerte zu verkaufen. So sind beispielsweise immer mal wieder Gründerfamilien in Baissephasen bereit, Aktien ihrer Unternehmen zu kaufen. Aber ich gebe Ihnen schon recht. Es ist nicht ganz einfach, in solchen Situationen zu verkaufen. Im Extremfall würden wir zuerst die liquiden Titel abstossen, um die Rücknahmen abzuwickeln. Im zweiten Schritt würden wir dann das Depot neu positionieren.

Welche Aktien aus der Schweiz erachten Sie gegenwärtig als lukrativ?
Wir sind auf der Suche nach der nächsten Nestlé (NESN 78.25 0.32%). Das sind Gesellschaften, die noch nicht allzu gross sind, aber ein interessantes Geschäftsmodell haben, das sich auf weitere Märkte übertragen und erweitern lässt. Lindt & Sprüngli (LISN 67510 0.24%) ist beispielsweise ein solches Unternehmen.

Die Aktien sind aber teuer.
Wenn ich die hohen potenziellen Wachstumsraten betrachte, lässt sich der Preis rechtfertigen.

In Ihrem Portfolio ist auch Sika zu finden. Verunsichert es Sie nicht, dass Sie nicht wissen, was Saint-Gobain mit Sika vorhat?
Ich denke nicht, dass Saint-Gobain (SGO 39.54 1.22%) nur deshalb an der Übernahme von Sika (SIK 4650 0%) interessiert ist, weil sie den Konzerngewinn kurzfristig optimieren will. Ich glaube schon, dass Saint-Gobain eine strategische Weiterentwicklung vorantreiben möchte. Sika hat ein sehr starkes Fundament. Wie Lindt & Sprüngli expandiert das Unternehmen geografisch und versucht, das Angebot durch neue Produkte zu erweitern.

Lindt & Sprüngli wie auch Sika befinden sich auf der Empfehlungsliste vieler Marktbeobachter. Wo investieren Sie gegen den Strom?
Mir gefällt beispielsweise Swissquote (SQN 26.85 0%) sehr gut. Die Bewertung erscheint mir günstig. Die Gesellschaft kann für PostFinance mittlerweile die Börsenaufträge abwickeln. Die Plattform für weitere Grosskooperationen steht. Kurz: Das Geschäft mit Partnern wie PostFinance lässt sich replizieren. Ausserdem halte ich eine Übernahme von Swissquote durch einen Konkurrenten für nicht ausgeschlossen.

Gibt es weitere unterbewertete Titel, die Sie attraktiv finden?
Ascom (ASCN 17.45 1.45%) oder auch Burckhardt Compression (BCHN 275 -0.36%) halte ich ebenfalls für interessant.

Warum gerade Ascom?
Ascom sind ebenfalls tief bewertet. Die Gesellschaft ist bei mir jüngst in den Fokus gerückt, da sie ihr Network-Testing-Geschäft verkauft hat. Die Sparte war defizitär. Ascom kann sich nun auf den Bereich Wireless Solutions konzentrieren, wo sie ein potenziell absatzkräftiges Telefon für den Einsatz in Spitälern entwickelt hat. Zudem ist auch sie ein Übernahmekandidat.

Und Burckhardt Compression?
Bei Burckhardt Compression überzeugt mich die Beteiligung an einem Kompressorenserviceanbieter in den USA. Damit verschafft sie sich Zugang zu einem interessanten Markt. In Amerika gibt es viele Kompressoranlagen, deren Hersteller nicht mehr existieren. Die Beschaffung von Ersatzteilen fällt entsprechend schwer. Mit Burckhardt Compression haben Betreiber von Kolbenkompressoren nun einen neuen, zuverlässigen Lieferanten. Ausserdem ist die Gesellschaft so bestens über veraltete Anlagen informiert. So kann sie vor der Konkurrenz mit einer Offerte für einen neuen Kompressor auf den Kunden zugehen.

Trotz Ihrem Fokus auf Small und Mid Caps: Gibt es Blue Chips, die Sie derzeit für attraktiv halten?
Die Aktien der Grossbank UBS (UBSG 13.92 1.09%) halte ich für so eine Anlage. Der mediale und regulatorische Fokus auf die Gesellschaft ist so gross, dass wohl ein Grossteil der Risiken längst im Kurs der Valoren eingepreist ist. Sollte die US-Notenbank Fed tatsächlich bald die Zinsen erhöhen, wäre das positiv für die Zinsmarge der UBS. Das wiederum dürfte einen vorteilhaften Einfluss auf die Aktien haben. Sie sind aber eine Value-Wette. Es sind keine Titel, die ich für lange Zeit halten würde.

Was ist mit den Pharmawerten?
Roche (ROG 243.1 0.45%) wie auch Novartis (NOVN 78.05 0.26%) sind gut positioniert. Im direkten Vergleich gefallen mir Novartis besser. Dort gibt es wegen der Restrukturierung von Alcon und des Verkaufs des Roche-Aktienpakets derzeit mehr Treiber als bei Roche. Auf dem Pharmasektor lasten gegenwärtig jedoch Unsicherheiten in Bezug auf die Medikamentenpreise. Deshalb bin ich vorsichtig. Blue Chips aus anderen Branchen wie beispielsweise LafargeHolcim (LHN 52.95 3.32%) gefallen mir besser.

Auch LafargeHolcim bergen jedoch Risiken.
Klar schwächt sich die Konjunktur in den Schwellenländern ab, das spürt auch ein Betonhersteller wie LafargeHolcim. Mir gefällt jedoch, dass sich die Gesellschaft trotz konjunkturellen Risiken zum Ziel erklärt hat, die operative Gewinnmarge aus eigener Kraft zu steigern.

Von welchen Aktien lassen Sie die Finger?
Bei Titeln von Immobiliengesellschaften bin ich vorsichtig. Ich glaube, dass in der Schweiz langsam eine Sättigung bei Liegenschaften erreicht ist. Ich sehe, wie Pensionskassen in vielen Gemeinden in Häuser investieren. Zudem steigt die Leerstandsquote bei Bürogebäuden. Für mich hat das etwas von einer Blase. Die meisten Personen in der Schweiz sind schon durch ihre Pensionskasse und Wohneigentum in Immobilien investiert. Ich muss das nicht auch noch durch Aktien sein. Auch von Kantonalbanken lasse ich die Finger.

Warum meiden Sie Kantonalbanken? Gerade sie gelten doch als sichere Anlage.
Das ist ja genau das Problem. Sie haben praktisch Anleihencharakter. Das tiefere Risiko wird mit einer geringeren Rendite erkauft. Nimmt das Vertrauen in den Aktienmarkt zu, werden sich die Anleger von ihnen verabschieden und in Valoren von Gesellschaften mit mehr Wachstum investieren.

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