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17:08 Uhr - 16.11.2015

«Aus- und Weiterbildung klar ein Strong Buy»

Ernesto Turnes, Leiter Kompetenzzentrum Banking & Finance der Fachhochschule St. Gallen, sieht lebenslanges Lernen auch als Persönlichkeitsentwicklung.

Spar- und Kostendruck im Finanzsektor wirken sich auf den Bildungsbereich aus. Banken setzen aus Spargründen vermehrt auf interne Weiterbildung, während die Schulen versuchen, mit immer mehr Angeboten das Kundeninteresse wachzuhalten. Prof. Ernesto Turnes, Leiter des Kompetenzzentrums Banking & Finance der Fachhochschule St. Gallen (FHS), streicht die Chancen des Wandels heraus. So führt das Zentrum bei Banken interne Lehrgänge durch und bietet neu im Auftrag der CFA Society auch Vorbereitungskurse für CFA-Prüfungen an. «Es gibt genügend Leute, die motiviert, engagiert und ambitioniert sind», sagt er im Interview.

Zur PersonErnesto Turnes ist seit September 2006 vollamtlicher Professor an der Fachhochschule St. Gallen. Er leitet das Kompetenzzentrum Banking und Finance und ist als Dozent für Finance in mehreren Modulen auf der Stufe Bachelor, Master und Weiterbildung tätig. Zu seinen Spezialgebieten zählen die Bewertung von Finanzanlagen, das Risikomanagement sowie das Portfoliomanagement. Prof. Turnes verfügt über zwei Masterdiplome der Universität St. Gallen: M.A. HSG in Banking & Finance und M.A. HSG in Economics. Erste Berufserfahrungen machte er als Kreditrisikomanager bei Raiffeisen und als Aktienanalyst bei Credit Suisse. Seit drei Jahren ist er Verwaltungsratspräsident der Lapis Asset Management mit Sitz in Lugano. Im vergangenen Juni hat er die CFA-Prüfungen auf Level II bestanden. Ernesto Turnes liegt viel daran, den Grundsatz des lebenslangen Lernens selbst vorzuleben.Herr Turnes, was sind die grössten Veränderungen in der Aus- und Weiterbildung im Finanzsektor?
Die regulatorischen Anforderungen haben zugenommen, die Komplexität von Finanzprodukten steigt, und die Ansprüche der Kundschaft wachsen. Diese  Entwicklungen erhöhen den Druck auf die Finanzinstitute und ihre Mitarbeitenden. Es gilt, die Kompetenzen nicht nur zu erhalten, sondern auch gezielt weiterzuentwickeln und zu vertiefen.

Das sollte im Grunde die Nachfrage beflügeln, auch nach externen Lehrgängen?
Beflügeln ist übertrieben. Aber wir gehen davon aus, dass auch in Zukunft eine stabile bis steigende Nachfrage nach externer Aus- und Weiterbildung vorhanden sein wird.

Was unternehmen die Gesellschaften, die Banken, zur Erweiterung der Kompetenz der Mitarbeitenden?
Die erodierenden Margen zwingen die Banken seit mehreren Jahren, ständig auf die Kostenbremse zu treten. Nichtsdestotrotz stellen wir fest, dass sie umfangreiche Investitionen im Bereich interne Weiterbildung vornehmen, um die nach der Finanzkrise angeschlagene Reputation wieder herzustellen und Vertrauen zurückzugewinnen. Aber die Nachfrage nach externer Weiterbildung wird nicht in erster Linie von den Banken getrieben, sondern von den Mitarbeitenden, die sich im umkämpften Arbeitsmarkt behaupten wollen.

Welche Lehrgänge sind im Trend?
Die regionalen Unterschiede in der Bankenstruktur spielen eine wichtige Rolle. Im Grossraum Zürich existiert sicherlich eine gewisse Nachfrage nach Weiterbildung in International Finance, also Cross-Border-Themen, und Compliance. In der Ostschweiz sind vielmehr  Weiterbildungen für Kundenberatende mit klarem Fokus auf die Schweiz gefragt.

Woher kommt dieser Fokus?
Das Asset Management ist eher Zürich-orientiert, während die Banken in der Ostschweiz vor allem in der Kundenberatung, an der Kundenfront und als   Vertriebseinheit aktiv sind. Entsprechend haben wir unser Angebot auf das Wealth Management und das Corporate Banking ausgerichtet.

Als externen Ausbildner lässt der Trend zu mehr Inhouse-Weiterbildung Sie nicht gleichgültig. Was bedeutet diese Entwicklung längerfristig, für die Qualität der Ausbildung?
Grundsätzlich ist jede Art von gehaltvoller Weiterbildung sinnvoll, unabhängig davon, ob intern oder extern, und auch aus Sicht des Finanzplatzes ist der Trend zu mehr Aus- und Weiterbildung eindeutig zu begrüssen. Sie erhöht das Fachwissen und die Beratungsqualität und trägt massgeblich dazu bei, die Glaubwürdigkeit der Finanzindustrie zu stärken. Wir stehen selbst bei mehreren Banken – der St. Galler Kantonalbank (SGKN 356 0.99%), der UBS (UBSG 18.88 -1.62%) und bei Raiffeisen Schweiz – als Referenten für bankinterne Weiterbildungen im Einsatz und haben unsere Weiterbildungsangebote gezielt als Erweiterung und Vertiefung konzipiert. Im Trend zu mehr Inhouse-Schulungen sehen wir deshalb eher Chancen als Risiken.

Wie definieren Sie «gehaltvoll»? Gesetzliche Standards, etwa für Kundenberater, gibt es bisher nicht. Jede Bank und jede Vermögensverwaltung geht individuell vor.
Eine funktionierende Selbstregulierung im Bereich Weiterbildung ziehe ich den regulatorischen Vorgaben grundsätzlich vor. Zahlreiche Banken nehmen ihre Eigenverantwortung wahr und haben in den vergangenen Jahren umfangreich in die interne Weiterbildung investiert. Die staatlich akkreditierten Kundenberater-Zertifizierungen, die neu beim erfolgreichen Abschluss der internen Weiterbildung bei UBS, CS und den lateinischen Kantonalbanken verliehen werden, könnten sich mittel- bis langfristig als Branchenstandard etablieren. Diese Zertifizierungen basieren auf einer Selbstregulierung und übertreffen sämtliche regulatorischen Anforderungen.

Sie meinen die ISO-Zertifizierung für Kundenberater, von der auf Seite xx dieser Ausgabe die Rede ist. Wird das Beispiel Schule machen?
Wir begrüssen das gemeinsame Vorgehen. Es beweist, dass Eigenverantwortung wahrgenommen wird. Ein Branchenstandard, der mit einem schweizweit und international gültigen Zertifikat verbunden ist, schafft für die gesamte Finanzbranche Mehrwert. Die Personenzertifizierung wird durch die Swiss Association for Quality akkreditiert. Sie deckt nicht nur Fachwissen, Verhaltensregeln und bankspezifische Inhalte ab, sondern auch ihre Anwendung in der Kundenberatung. Wir erwarten, dass sich die ISO-Zertifizierungen als Mindeststandard der Finanzbranche etablieren werden. Die Anrechenbarkeit und die Fähigkeit zum Anschluss an unsere Weiterbildungsangebote haben wir deshalb bereits sichergestellt.

Die Versicherungsbranche ist bei der Lizenzierung weiter, Stichwort Cicero, Certified Insurance Competence. Weshalb?
Die Versicherungswirtschaft hat selbstregulierend mit dem Lernattestierungssystem Cicero Anfang Jahr ein nationales Qualitätslabel ins Leben gerufen. Ihre Kundenberatenden müssen sich laufend weiterbilden und dies in einem öffentlich zugänglichen Register dokumentieren. Ein Blick über die Grenzen zeigt,  dass einige Länder, so die USA, Grossbritannien und Deutschland, auch für Banken ein Register eingeführt haben. Allerdings ist der öffentliche Zugang nicht oder noch nicht gewährleistet. Gemäss der Botschaft des Bundesrats zum neuen Finanzdienstleistungsgesetz Fidleg von letzter Woche ist ein Beraterregister jetzt auch in der Schweiz vorgesehen. Damit schliesst sich die Lücke zum Ausland und zur  Handhabung in der  Versicherungsbranche.

Im Banking sind Job- und Karriereaussichten nicht mehr uneingeschränkt rosig wie noch vor der Finanzkrise. Was spricht für eine Banklaufbahn, und welchen Bildungsweg würden Sie wählen?
Die Bank- und Finanzwelt bietet noch immer eine Vielfalt an spannenden Karrieremöglichkeiten in einem dynamischen Umfeld, trotz anhaltendem Strukturwandel. Jungen Menschen würde ich als Einstieg eine Banklehre empfehlen. Um das Fachwissen gezielt zu erweitern und zu vertiefen, ist im Anschluss ein Bachelorstudium an einer Fachhochschule von Vorteil. Danach sollte ein paar Jahre Berufserfahrung gesammelt werden, bevor je nach Berufsziel eine weiterführende Ausbildung auf Stufe Master oder CFA in Angriff genommen wird.

Das sagen Sie als Fachhochschulvertreter. Sie selbst haben eine universitäre Ausbildung durchlaufen. Würden Sie nochmals so entscheiden?
Nach dem Gymnasium stellte sich die Wahl für mich gar nicht, der Gang an die Universität hat sich automatisch ergeben. Ich will die beiden Richtungen keineswegs gegeneinander ausspielen, im Gegenteil. Unser Verhältnis mit der Universität St. Gallen ist sehr gut, es gibt keine direkte Konkurrenz, weil wir auf verschiedenen Feldern spielen. Die HSG ist international aufgestellt, geniesst auch eine hohe internationale Reputation und betreibt Grundlagenforschung. Unser Fokus ist regional mit nationaler Ausstrahlung, wir möchten landesweit bekannt werden, und wir konzentrieren uns auf angewandte Forschung. Wenn jemand motiviert und engagiert ist, spielt es keine Rolle, welchen Weg er geht. Für die Fachhochschulen spricht, dass die Studierenden Praxiserfahrung haben. Deshalb mein Hinweis zur Banklehre, da sieht man in alle Bereiche hinein und lernt die grundlegenden Zusammenhänge kennen.

Was würden Sie sich an zeitlicher und finanzieller Unterstützung durch den Arbeitgeber wünschen?
Einzelne Banken finanzieren die gesamte externe Weiterbildung inklusive der dafür notwendigen Arbeitszeit. Andere verlangen, dass die Mitarbeitenden selber für die Kosten und die Zeit aufkommen. Weil sich Investitionen in die Weiterbildung nicht nur für die Mitarbeitenden, sondern auch für die Arbeitgeber lohnen und sich in einer höheren Kunden- und Mitarbeiterzufriedenheit auszahlen, würde ich dafür plädieren, dass beide Parteien einen Beitrag leisten.

Wohin geht der Trend längerfristig?
Am lebenslangen Lernen führt in Zukunft kein Weg vorbei. Banken, oder generell Arbeitgeber, die sich diesbezüglich grosszügig zeigen, haben gute Chancen, ihre Attraktivität am Arbeitsmarkt nachhaltig zu steigern, motivierte und kompetente Mitarbeitende zu gewinnen und im Unternehmen zu halten.

Wie wichtig sind Erfahrung und Weiterbildung im Ausland?
Beim Auslandaufenthalt geht es neben dem Erlernen einer Fremdsprache auch darum, sich interkulturelle Kompetenzen anzueignen, die selbst bei einer Anstellung in der Schweiz immer wichtiger sind. Das International Office an der FHS St. Gallen hat ein weltweites Netzwerk mit über fünfzig Partnerhochschulen mit gegenseitigem Studentenaustausch aufgebaut. Auch bieten wir eine Studienrichtung International Management vollständig in englischer Sprache an.

Der Weiterbildungsmarkt ist hart umkämpft. Was zeichnet die Gewinner aus?
Weiterbildungsinteressierte achten in erster Linie auf das Image, die Qualität und die geografische Nähe einer Ausbildungsstätte. Daneben präferieren sie ein modulares, praxisorientiertes und ganzheitliches Angebot. Institute, die diese Anforderungen erfüllen, werden zu den Gewinnern zählen.

Was würden Sie als besondere Stärken Ihres Weiterbildungsangebots bezeichnen?
Unser modulares Weiterbildungsangebot richtet sich an Kundenberatende im Private und im Corporate Banking. Wir differenzieren uns mit einem ganzheitlichen Ansatz, einem starken Praxisbezug und dem Fokus auf Swiss Finance, das heisst die Betreuung von Schweizer Bankkundschaft. Das Curriculum wird jährlich von einem Advisory Board mit namhaften Vertretern aus der Finanzbranche auf Aktualität und Relevanz überprüft. Ausserdem ermöglichen wir die Anrechenbarkeit und die Anschlussfähigkeit von geprüften, bankinternen Zertifizierungen.

Ihr Grund- oder Leitsatz zum Lernen heisst?
Aus- und Weiterbildung ist nicht nur die Akkumulation von Fachwissen, sondern dient auch der Persönlichkeitsentwicklung, dem Austausch, der Motivation. Anders als Finanzanlagen versprechen Investitionen in die Aus- und Weiterbildung garantiert eine attraktive Rendite, es ist ganz klar ein Strong Buy.

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