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12:36 Uhr - 14.01.2016

«Kaufgelegenheiten für langfristige Investoren»

David Stubbs, Marktstratege bei J.P. Morgan Asset Management, hält die panische Reaktion der Aktienmärkte auf die Nachrichten aus China für übertrieben. Aktien von Industrieländern böten Potenzial.

David StubbsHerr Stubbs, die Finanzmärkte sind in Aufruhr, der S&P 500 (SP500 1890.28 -2.5%) hat in diesem Jahr schon 7,5% verloren. Was ist los?
Es laufen verschiedene Dinge gleichzeitig ab. Wegen des Überangebots fällt der Erdölpreis weiter, was die Investoren verunsichert. Chinas Reaktion auf die Turbulenzen an den lokalen Börsen wirft Fragen auf, ob Peking den schwierigen Öffnungs- und Übergangsprozess im Griff hat. Angst macht den Anlegern auch die Aussicht auf einen schwächeren Yuan. China ist die zweitgrösste Volkswirtschaft: Wenn sich die Währung abwertet, wird das Land extrem wettbewerbsfähig und erhöht im Rest der Welt die Deflationsgefahr.

Sind diese Sorgen gerechtfertigt oder übertrieben?
Einiges ist für die Märkte hochrelevant, anderes ist temporärer Natur. Der fallende Erdölpreis ist so ein vorübergehendes Phänomen. Die Opec kann nur einmal auseinanderbrechen. Auch die Abkühlung der chinesischen Wirtschaft wird nicht ewig dauern. Die Märkte werden zwar auch in Zukunft jedes Mal aufschrecken, wenn China den Yuan etwas abwertet. Das bietet für langfristige Investoren jedoch immer wieder Kaufgelegenheiten.

Anleger sollten ihre Aktien jetzt also nicht verkaufen?
Nein, gerade Aktien von Industrieländern haben in diesem Umfeld nach wie vor Potenzial. Die aktuellen Verwerfungen könnten die geldpolitische Straffung in den USA und Grossbritannien verzögern. Ich persönlich kann mir vorstellen, dass die US-Notenbank dieses Jahr die Zinsen nicht mehr erhöht.

Am günstigsten sind derzeit die Aktien aus Schwellenländern. Ist das jetzt die Kaufgelegenheit?
Wer einen langen Anlagehorizont von etwa dreissig Jahren hat, macht sicher keinen Fehler, wenn er jetzt beginnt, Schwellenländeraktien zu kaufen. Das Bewertungsniveau ist absurd tief. Die Stimmung ist extrem negativ. Viel auf kurzfristige Gewinne zielendes Geld wurde abgezogen. Das alles klingt sehr vielversprechend. Auf Sicht von sechs bis zwölf Monaten ist aber bei Schwellenländeraktien auf jeden Fall eine überdurchschnittlich hohe Vorsicht angebracht.

Warum denn? Was fehlt für den Einstieg?
Erst muss eine Stabilisierung bei ökonomischen Fundamentaldaten und den Unternehmensgewinnen sichtbar sein. Und das ist bisher noch nicht der Fall, im Gegenteil: Die Fundamentaldaten haben sich in den vergangenen Monaten noch einmal verschlechtert.

Bei welchen sonstigen Anlagen ist das Risiko-Ertrags-Profil attraktiv?
Da die negative Korrelation zwischen Aktien und Staatsanleihen instabiler geworden ist, ist es schwieriger, mit einer Kombination aus Aktien und Staatsanleihen stabilen Ertrag zu erzielen. Deshalb sehen wir bei Unternehmensanleihen ein attraktives Risiko-Ertrags-Profil, ebenso bei Hochverzinslichen. Zwar werden in diesem Segment einige Gesellschaften aus dem Energiesektor zahlungsunfähig werden, doch für den Gesamtmarkt sieht die Situation weniger düster aus, als es die Renditeaufschläge suggerieren.

Welcher wäre heute Ihr bevorzugter High-Yield-Markt?
Wohl der europäische. Damit kommen weniger Energie- und Rohstoffwerte ins Portfolio als beim US-Markt. Als Alternative zu Hochverzinslichen erscheinen uns auch Unternehmensanleihen mit hoher Qualität attraktiv. Auch dort sind jüngst die Renditen etwas gestiegen, aber nicht wegen der Sorge um die Kreditqualität, sondern wegen der regen Emissionstätigkeit.

Was würde Ihre recht optimistische Sicht auf die Märkte zu Fall bringen?
Wenn die China-Bären recht hätten und die chinesische Wirtschaft in sich zusammenbräche. Aber dafür gibt es noch keine Anzeichen. Da verlasse ich mich auf unsere Leute vor Ort in China und Hongkong. Keiner von ihnen ist heute der Meinung, dass Chinas Wirtschaft kollabiert.

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