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09:51 Uhr - 27.01.2015

Die Arbitrage Pricing Theory

Die von Stephen Ross aufgestellte APT dient der Prognose von Aktienrenditen. Die risikogerechte Bewertung wird dabei von Arbitrageuren gewährleistet.

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Zur Person Stephen Ross

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Stephen RossZur Person » Bild: Daniel AckerDie Finanzwelt ist zu komplex, als dass sie in all ihren Facetten begreifbar wäre. Oft behelfen sich Investoren deshalb mit stark vereinfachten Modellen – selbst wenn deren reale Aussagekraft womöglich bereits widerlegt worden ist. Dies trifft etwa auf das Capital Asset Pricing Model (CAPM) zu, mit dem sich die erwartete Rendite einer Aktienanlage anhand ihres Risikos abschätzen lässt. Obschon die Validität des CAPM angezweifelt wird, kommt es noch immer bei vielen Portfoliomanagern zum Einsatz.

Eine valable Alternative bietet die von Stephen Ross aufgestellte Arbitrage Pricing Theory (APT). Mit ihr können ebenfalls die erwarteten Aktienrenditen hergeleitet werden. Die Annahmen, die für die Anwendung des Modells erfüllt werden müssen, sind allerdings deutlich weniger restriktiv. Die APT umgeht damit viele der beim CAPM kritisierten Stolpersteine.

Wurzeln in Portfoliotheorie

Sowohl die APT als auch das CAPM gründen in der Portfoliotheorie von Harry Markowitz, für die der US-Ökonom den Nobelpreis erhielt. In ihren Grundzügen sagt sie aus, dass Anleger bei gleicher erwarteter Rendite zweier Portfolios dasjenige mit geringerem Risiko bevorzugen. Das in einer Aktie enthaltene Risiko setzt sich dabei aus einer systematischen und einer unsystematischen Komponente zusammen.

Systematische Risiken – ihnen sind alle Wertpapiere unterworfen – sind meist makroökonomischer Natur, wie etwa die Entwicklung der Konjunktur. Sie können selbst in einem breiten Portfolio nicht wegdiversifiziert werden. Unsystematische Risiken sind hingegen titelspezifisch und lassen sich mit der Hinzunahme weiterer Wertpapiere – deren Kursbewegungen sich teilweise gegenseitig aufheben – reduzieren. Anleger können deshalb nicht erwarten, für dieses unsystematische Risiko mit einer höheren Rendite, einer Prämie, abgegolten zu werden.

Harsche Kritik am CAPM

Auf diesen Zusammenhängen fusst das CAPM. Es beschreibt, welche Rendite Investoren von einem Wertpapier fordern, wenn es  einem bereits gut diversifizierten Portfolio – dem Marktportfolio – hinzugefügt wird. Die Rendite wird dabei vom Beta einer Anlage bestimmt. Das bedeutet: Je stärker eine Anlage gegenüber dem Marktportfolio schwankt, desto mehr Rendite muss sie einbringen.

Allerdings setzt das CAPM voraus, dass sich der Markt in einem globalen Gleichgewichtszustand befindet. Gerade diese Bedingung liess die Kritik in der Wissenschaftsgemeinde immer lauter werden. Besonders eine Arbeit von Richard Roll aus dem Jahr 1977 liess am CAPM kaum ein gutes Haar: Im «Journal of Financial Economics» wies der US-Ökonom darauf hin, dass das Marktportfolio restlos alle materiellen und immateriellen Vermögenswerte umfassen müsste – also auch Assets wie Immobilien, Edelmetalle, Briefmarkensammlungen oder Humankapital. Solange dieses Marktportfolio nicht bestimmbar sei, könne das CAPM gar nicht überprüft werden. Sich über einen breiten Aktienindex wie den S&P 500 (SP500 2057.09 0.26%) behelfsmässig dem Marktportfolio anzunähern, führe nur zu falschen Schlüssen.

Selbst Urvater Markowitz äusserte sich kritisch: Es sei zwar angebracht, dass das CAPM in der Wirtschaftslehre weiterhin behandelt werde. Man müsse sich der Defizite und Vereinfachungen allerdings jederzeit bewusst sein. Gerade die strikten Annahmen – wie etwa der Ausschluss von Transaktionskosten und Steuern – wirkten so, als würde man «die Bewegung von Objekten auf der Erde unter der Annahme studieren, dass es auf unserem Planeten keine Atmosphäre gibt».

Kein Marktportfolio nötig

Mitte der Siebzigerjahre machte sich US-Ökonom Stephen Ross daran, ein alternatives Modell zur Renditeberechnung zu entwickeln: die APT. Zwar liegt ihr ebenfalls das Konzept zugrunde, dass ein linearer Zusammenhang zwischen Risiko und Rendite existiert. Sie beruht jedoch nicht auf einer Gleichgewichtsüberlegung, sondern auf dem Gesetz des einheitlichen Preises: Vermögenswerte, die identische Auszahlungen abwerfen, müssen zum gleichen Preis gehandelt werden. Sonst könnten Arbitrageure – deshalb auch der Name des Modells – über den gleichzeitigen Kauf unterbewerteter und den (Leer-)Verkauf überbewerteter Assets einen risikolosen Profit erzielen. Diese Aktivität würde temporäre Ungleichgewichte gleich wieder zum Verschwinden bringen.

Während im CAPM die Rendite einer Aktie nur von der relativen Sensitivität gegenüber dem Marktportfolio abhängt, kommen in der APT mehrere Einflussfaktoren zum Zug. Jeder misst dabei die Empfindlichkeit der Aktie gegenüber einem spezifischen Treiber. Die Bestimmung eines Marktportfolios ist gar nicht notwendig.

Wie die erwartete Rendite eines Wertpapiers berechnet wirdDie Arbitrage Pricing Theory (APT) basiert auf dem Konzept, dass die erwartete Aktienrendite von einzelnen Risikofaktoren abhängt. Da in einem Portfolio titelspezifische Risiken wegdiversifiziert werden können, sind nur systematische Risiken von Bedeutung. Die APT wird in vier Schritten angewendet: Zuerst müssen die relevanten Einflussfaktoren – wie etwa die unerwartete Veränderung in der industriellen Produktion – identifiziert werden. Anschliessend ist zu bestimmen, welche Prämie zum risikolosen Zins die Investoren fordern, um die einzelnen Risiken auf sich zu nehmen. Als Drittes muss festgestellt werden, wie sensitiv die Wertpapiere auf die einzelnen Treiber reagieren: Je höher das Beta (β) ausfällt, desto stärker ist das Wertpapier dem Einflussfaktor ausgesetzt. Als Letztes werden die Werte in die Grundformel eingesetzt und die erwartete Rendite berechnet.

Zwar stellt die mögliche Individualisierung der Faktoren eine grosse Stärke der APT dar. Gerade die ersten drei Anwendungsschritte können jedoch ziemlich komplex ausfallen.
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Gerade auch deshalb stiess die Arbeit von Ross in der Finanzwissenschaft auf Zustimmung. Weil das Modell jedoch nur den Rahmen liefert, selbst jedoch keine konkreten Einflussfaktoren identifiziert, wurde die Wahl der Faktoren darum von Beginn weg heiss diskutiert.

In den folgenden Jahren machten sich zahlreiche Ökonomen daran, aussagekräftige Renditetreiber zu bestimmen. Grundsätzlich müssen diese laut Ross mehrere Bedingungen erfüllen. So sollten sie nicht diversifizierbare Einflussfaktoren abbilden – was vor allem auf makroökonomische Parameter hindeutet. Zweitens müssen für die Variablen zeitnahe und möglichst genaue Informationen verfügbar sein. Drittens sollte es sich nicht einfach um eine Zufallsvariable handeln, sondern der Zusammenhang auch wirtschaftstheoretisch begründbar sein.

Anwendung nicht simpel

Einen ersten empirischen Test der APT führte Ross in Kooperation mit seinen Kollegen Richard Roll und Nai-Fu Chen durch. Die Ökonomen identifizierten vier relevante Faktoren: die jeweils unerwartete Änderung in der Wirtschaftsaktivität, in der Inflationsrate, in der Differenz zwischen kurz- und langfristigen Zinsen sowie im Spread zwischen risikoarmen und risikoreicheren Unternehmensanleihen.

Gerade die Identifizierung passender Faktoren macht den Einsatz der APT aufwändig – vor allem weil mit steigender Titelanzahl die Komplexität der Berechnungen wächst. Darauf wiesen Dhrymes, Friend und Gultekin Mitte der Achtzigerjahre hin. Die Ökonomen kamen zum Schluss, dass sich die signifikanten Einflussfaktoren von drei auf sieben erhöhen, wenn die Zahl der betrachteten Titel von fünfzehn auf sechzig erweitert wird.

Dennoch wird die APT in der Finanzwelt immer häufiger eingesetzt, wenn auch eher komplementär denn als vollständiger CAPM-Ersatz. Eine mögliche Anwendung liegt in der Leistungseinschätzung von Portfoliomanagern: Die vom Investor erwirtschaftete Rendite lässt sich so dem eingegangenen Risiko gegenüberstellen. Ein anderes Einsatzgebiet ist die Bestimmung risikogerechter Kapitalkosten und Diskontierungssätze, die zur Bewertung von Unternehmen und Investitionsprojekten genutzt werden können.

Erklärung der Arbitrage Pricing TheoryDie Arbitrage Pricing Theory (APT) basiert auf der Annahme, dass die erwartete Rendite eines Wertpapiers von mehreren Risikofaktoren abhängt. Je sensibler eine Aktie auf die einzelnen Faktoren reagiert, desto höher muss der Renditeaufschlag zum risikolosen Zins ausfallen. Da in einem Portfolio titelspezifische Risiken wegdiversifiziert werden können, sind nur systematische (titelunspezifische) Faktoren relevant. Dass sich die Kurse – und damit auch die Renditen – auf einem risikogerechten Wert einpendeln, wird durch die Marktaktivität von Arbitrageuren gewährleistet: Weicht die Bewertung einer Aktie davon ab, sorgen Käufe und (Leer-)Verkäufe für eine rasche Anpassung auf das faire Niveau.zoom
Stephen Ross
(*1944 in Boston, USA)
Stephen «Steve» Ross gehört zu den renommiertesten noch lebenden Ökonomen der USA. Nicht nur hat der inzwischen Siebzigjährige über hundert Artikel in Fachpublikationen und Journals veröffentlicht. Auch dürfte er einem breiten Publikum als Mitautor des Lehrbuchs «Corporate Finance» bekannt sein, das in zahlreichen wirtschaftswissenschaftlichen Studiengängen eingesetzt wird.

Mit fünfundzwanzig schloss Ross am California Institute of Technology ein Physikstudium mit Auszeichnung ab, dem er fünf Jahre später einen Doktortitel in Ökonomie am Eliteinstitut Harvard folgen liess. Danach lehrte, forschte und publizierte er an mehreren namhaften Universitäten – darunter als Professor für Ökonomie und Finance in Yale sowie an der Wharton Business School. Aktuell amtiert Ross als Franco Modigliani Professor of Financial Economics am Massachusetts Institute of Technology (MIT).

Seinen wohl bekanntesten Beitrag zur Finanzwissenschaft lieferte Ross Mitte der Siebzigerjahre mit der von ihm ersonnenen Arbitrage Pricing Theory. Grosse Resonanz erhielt einige Jahre später auch das Cox-Ross-Rubinstein-Modell zur Bewertung von Optionen. Zudem lieferte er in den Achtzigerjahren einen massgeblichen Beitrag zum Cox-Ingersoll-Ross-Modell, mit dem die Veränderung kurzfristiger Zinsen modelliert werden kann.

Die rege Forschungs- und Publikationsaktivität bescherte Ross diverse Auszeichnungen. Dazu zählen der Graham-und-Dodd-Preis für finanzwissenschaftliche Schriften sowie der Pomerance Prize in der Optionenforschung.

Ross engagiert sich aber auch in der Privatwirtschaft. Er hat gleich mehrere Unternehmen im Bereich der Investmentservices gegründet, agierte als externer Consultant für Investmentbanken und stand dem US-Schatzamt und dem Handelsministerium beratend zur Seite. Derzeit ist er bei der durch ihn mitgegründeten Beratungsgesellschaft Ross, Jeffrey & Antle tätig, die kundenspezifische Lösungen im Risikomanagement erarbeitet.

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