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15:03 Uhr - 14.10.2014

Jean Tirole: Wie mächtige Konzerne gezähmt werden

Für seine Forschung zur Regulierung von marktmächtigen Unternehmen erhält Jean Tirole den Wirtschaftsnobelpreis: Ein Porträt.

Der diesjährige Wirtschaftsnobelpreis geht an den französischen Ökonomen Jean Tirole. Die Königlich-Schwedische Akademie der Wissenschaften hat ihn am Montag für seine Forschung über Marktmacht und Regulierung ausgezeichnet. Die offizielle Zeremonie findet am 10. Dezember in Stockholm statt.

«Jean Tirole gehört zu den einflussreichsten Ökonomen unserer Zeit. Seine Forschung verdeutlicht insbesondere, wie Industrien, die von wenigen Konzernen dominiert sind, verstanden und reguliert werden können», heisst es in der Mitteilung der Akademie. Tirole ist nach Maurice Allias (1988) und Gérard Debreu (1983) der dritte Franzose, der die Auszeichnung erhält.

Tirole wurde 1953 in Troyes im Nordosten Frankreichs geboren. Er studierte zunächst Ingenieurwissenschaften an der École Polytechnique und der École Nationale des Ponts et Chaussées in Paris. 1978 erwarb er den Doktortitel in Mathematik von der Universität Paris-Dauphine. Drei Jahre später verlieh ihm das Massachusetts Institute of Technology (MIT) das Doktorat in Ökonomie.

Auf Platz elf

Tirole ist Mitbegründer der Toulouse School of Economics, wo er heute noch doziert. Laut einer Auswertung der US-Distriktnotenbank St. Louis liegt der Franzose in der Rangliste der weltweit meistzitierten Ökonomen auf Platz elf. Die ersten zehn Plätze werden ausschliesslich von US-Amerikanern belegt.

Wie und in welchem Ausmass soll der Staat Unternehmen regulieren? Welche Regeln müssen gelten, damit ein Markt produktiv ist, wenn kein Wettbewerb herrscht? Wie wirkt sich das Verhalten eines marktbeherrschenden Konzerns auf seine Kunden aus? Solchen Fragen geht Jean Tirole nach.

Als der Ökonom Anfang der Achtzigerjahre seine ersten Arbeiten über Regulierung publizierte, war das Gebiet noch kaum erforscht. Die existierende Theorie befasste sich entweder mit der Regulierung von Monopolen oder von Unternehmen, die in perfektem Wettbewerb zueinander stehen. Viele Märkte werden allerdings – damals wie heute – von mehreren, aber wenigen Konzernen dominiert. Es herrscht ein sogenanntes Oligopol. Tirole widmete sich bei seiner Forschung insbesondere dieser Marktkonstellation.

Zu jener Zeit begannen viele Länder, ihre staatlichen Monopole aufzubrechen und etwa den Bahntransport oder die Stromversorgung zu privatisieren. Das Interesse an den neuen Regulierungsansätzen von Tirole war vor diesem Hintergrund gross. Seine Analysen zeigten, dass Regulierungs- und Wettbewerbspolitik am effektivsten wirken, wenn sie für jede Branche individuell ausgearbeitet werden. Tirole untersuchte die optimale Politik für verschiedene Wirtschaftszweige, darunter den Banken- und den Telecomsektor.

Im Interesse der Gesellschaft

Der Ökonom lieferte zudem Lösungsansätze für das Problem der asymmetrischen Information: Die Behörden sind gegenüber den Konzernen, die sie regulieren, im Informationsnachteil. So wissen sie nicht, wie hoch etwa die Produktionskosten sind. Zusammen mit dem Ökonomen Jean-Jacques Laffont entwickelte Tirole einen Mechanismus, der für die Unternehmen einen Anreiz schafft, die Informationen möglichst wahrheitsgetreu offenzulegen.

«Wir sind ständig mit mächtigen Konzernen konfrontiert», erklärte Tore Ellingsen, der Vorsitzende des Nobelpreiskomitees. Tiroles Arbeit habe dazu beigetragen, diese Unternehmen so zu regulieren, dass sie im Interesse der Gesellschaft agieren.

Der Wirtschaftsnobelpreis nimmt eine Sonderstellung ein, denn er gehört nicht zu den traditionellen Nobelpreisen. Erst seit 1969 wird er von der schwedischen Reichsbank vergeben, die den Preis anlässlich ihres 300-jährigen Bestehens in Erinnerung an Alfred Nobel (1833–1896) gestiftet hat. Der schwedische Erfinder Alfred Nobel hatte die ursprüngliche Auszeichnung nur in den Disziplinen Physik, Chemie, Physiologie, Medizin, Literatur und Frieden vorgesehen. Die ersten Preise in diesen Kategorien wurden 1901 verliehen.

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