Regina Anhorn, Dozentin Hochschule ZHAW, kritisiert die Governance der Pensionskassen und den Einfluss der Beraterbranche.
Frau Anhorn, wie gut erfüllen die Pensionskassen den Vorsorgeauftrag?
Die derzeitigen Jahresrenditen zeigen, dass sich die Pensionskassen anlageseitig gut schlagen. Nimmt man sich die Mühe, die Geschäftsberichte grosser Vorsorgeeinrichtungen zu studieren, so kann man sich auch nicht über einen Mangel an Transparenz beklagen.
Aber die bei allen Kassen bedeutenden Obligationenanlagen weisen doch kaum noch eine positive Renditeerwartung auf.
Wegen des lange anhaltenden Tiefzinsumfelds wurde die Gewichtung sukzessive reduziert. Obligationen sind mit einem Anteil von 31% der Pensionskassenvermögen noch die wichtigste Anlageklasse, dicht gefolgt von Aktien mit 30%. Der Anteil der Schweizerfrankenobligationen allein ist innert zwei Jahren ist um fast 2 Prozentpunkte auf 23,9% gefallen. Im gleichen Zeitraum sind die Allokationen in Auslandaktien um fast 1,5 Prozentpunkte auf 18,2% gestiegen.
Wie gefährlich ist es, dass Immobilienanlagen als drittwichtigste Anlageklasse weiter ausgebaut werden?
Bei Immobilien finde ich vor allem die Übergewichtung des heimischen Marktes auffallend. Der Anteil an den Pensionsvermögen ist gemäss Credit Suisse (CSGN 15.39 -0.58%) in den letzten zwei Jahren um einen Prozentpunkt auf über 23% gestiegen, trotz zunehmend verhaltener Renditeaussichten. Damit ist die Gewichtung fast gleich wie die der Schweizerfrankenanleihen. Hiesige Pensionskassen weisen im internationalen Vergleich die absolut höchste Immobilien-Quote auf. Indirekte Immobilienanlagen machen deutlich über 50% des Segmenttotals aus. Dabei haben sie teilweise eher Aktiencharakter.
Was sollte strukturell am Vorsorgesystem verbessert werden?
Ein Blick über die Landesgrenze zeigt, dass andere europäische Staaten eine Anpassung des Rentenalters früher in Angriff genommen haben. In den Niederlanden wird das Rentenalter schrittweise angehoben, auf 66 Jahre 2018 und auf 67 Jahre 2021; ab 2022 wird das gesetzliche Rentenalter von der Lebenserwartung abhängen.
Was stimmt Sie kritisch?
Investment Consultants haben und nehmen besonders in der Deutschschweiz grossen Einfluss. Die britische Financial Conduct Authority hat dort die Rolle der Berater durchleuchtet. Der Befund ist, dass die Berater in der Auswahl von Geldmanagern der Kostenstruktur oft keine allzu grosse Beachtung schenken.
Wie lässt sich das erklären?
Das hat wohl damit zu tun, dass in der Beratung die Anlagestrategie im Vordergrund steht. Vielen Investoren fällt es offenbar schwer, die Performance der Berater zu überwachen und einzuschätzen, da Regeln fehlen zur Messung der Beratungsqualität bzw. des Value for Money.
Wie beurteilen Sie die Fachkompetenz der Kassenleitungen?
Die Vorsorgeeinrichtungen werden paritätisch durch Vertreter der Sozialpartner geführt. Fachliche Grundvoraussetzungen sind bei einem Stiftungsrat zweitranging. Deshalb sollte der regulatorische Rahmen geändert werden.
Wie agil sind die Führungsgremien?
Stiftungsräte mit bis zu zwölf Mitgliedern sind keine Seltenheit. Die Anlagekommissionen bestehen typischerweise aus vier bis sechs Mitgliedern. Der interne Entscheidungsprozess einer Schweizer Pensionskasse ist deshalb äusserst komplex. Das ist eine echte Herausforderung.
Worauf sollten die Versicherten achten?
Sie sollten nicht nur den Umwandlungssatz vergleichen, sondern vielmehr die oft unterschiedlich hohen Sparbeiträge. Geregelt ist ja nur das absolute Minimum.
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