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08:00 Uhr - 23.03.2015

Vater von Singapurs Wirtschaftswunder stirbt mit 91 Jahren

Der ehemalige Premier Singapurs Lee Kuan Yew hat aus einer unterentwickelten Hafenstadt eines der weltweit reichsten Länder gemacht.

Mit dem Tod von Lee Kuan Yew geht einer der einflussreichsten asiatischen Staatsmänner der vergangenen hundert Jahre von der politischen Bühne. Der ehemalige Ministerpräsident Singapurs hat während seiner langen politischen Karriere nicht nur seine Heimat in eine der weltweit dynamischsten Volkswirtschaften verwandelt. Der Stadtstaat ist darüber hinaus dank den massgeblich von Lee ausgedachten zwei Staatsfonds vor allem auch eine gewichtige Kraft auf dem globalen Finanzmarkt geworden.

 Vom Sozialisten zum Kapitalisten

All das ist umso bemerkenswerter, schien doch Singapur zum Zeitpunkt des Erlangens seiner Unabhängigkeit von der britischen Kolonialherrschaft und der nur wenige Jahren darauf folgenden Abspaltung von Malaysia ein kaum lebensfähiges politisches Gebilde zu sein. Lee, der an der britischen Eliteuniversität Cambridge Rechtswissenschaft studiert hatte und zwischen 1959 und 1990 Premierminister Singapurs war, lehnte sich früh an die Vereinigten Staaten an, ohne dabei die guten Beziehungen mit dem erstarkenden kommunistischen China zu opfern.

Der gelungene Balanceakt liegt durchaus auch in der Biographie Lees, der seine Karriere als Anwalt lokaler Gewerkschaften begann sowie ein Gründungsmitglied der bis heute regierenden und zumindest in der Anfangsphase stark sozialistisch ausgerichteten People’s Action Party (PAP) war. Das linke Erbe war dank einem rechtzeitigen wirtschaftlichen Kurswechsel kein Hindernis für den Aufstieg Singapurs zu einem der weltweit führenden internationalen Finanzplätze.

Autoritärer Führungsstil

Dabei bewegt sich der 5,5 Mio. Einwohner zählende Stadtstaat weiterhin im Spannungsfeld zwischen autoritärem Sozialismus und freier Marktwirtschaft. Das ist durchaus auch auf Lees Erbe zurückzuführen, dessen Sohn Lee Hsien Loong heutiger Premierminister Singapurs ist.

Hinter der Fassade einer modernen Volkswirtschaft versteckt sich bis heute ein ausserordentlich mächtiger Staat, der fast ohne Ausnahmen alle bedeutenden Unternehmen des Landes kontrolliert und die politischen Freiheiten seiner Bewohner stark einschränkt. Singapur haftet damit bis heute die Charakteristik einer Entwicklungsdiktatur an. Das zeigt sich unter anderem daran, dass kleine und mittelgrosse innovative Unternehmen, die das Rückgrat aller modernen Volkswirtschaften sind, in Singapur bis heute nur eine untergeordnete Rolle spielen.

Verpasste rechtzeitige Anpassung?

Für das Verpassen der gesellschaftlichen Öffnung ist gerade auch Lee verantwortlich, der bis 2011 mit dem Titel «Minister Mentor» eine zentrale Rolle in Singapur einnahm und damit nach der Meinung vieler Beobachter den rechtzeitigen Abgang von der politischen Bühne verpasst hat. Die strukturellen Schwächen zeigen sich unter anderem daran, dass die Macht im Staat und in der Wirtschaft stark konzentriert ist, was erhöhte Risiken mit sich bringt.

Lee, dem eine sehr hohe Intelligenz, aber auch teilweise rücksichtsloses Vorgehen attestiert werden, scheint das zumindest in den vergangenen Jahren verstanden zu haben. Er sprach wiederholt von der Notwendigkeit einer grösseren politischen Mitsprache der Bürger. Denn das ist Voraussetzung für eine Wirtschaft, die nicht einfach Erfolgsrezepte kopiert und Massenwaren produziert, sondern dank Forschung und Enwicklung weltweit im Wettbewerb mithalten kann. Doch das bis zum Tode unter dem Schatten Lees stehende Singapur hat bis heute keine Nobelpreisträger, visionäre Tüftler oder führende Künstler hervorgebracht.

Kritische Fragen

Das dürfte sich in den kommenden Jahren ändern, denn bereits heute drängt eine neue, besser gebildete und informierte Generation in den Vordergrund. Gleichzeig stellt auch die lange marginalisierte Opposition vermehrt unbequeme Fragen. So etwa zur Performance des von vielen Bürgern von den Machthabern als politisch instrumentalisiert empfundenen Justizsystems, zur staatlich bevorzugten PAP oder auch zur Performance der zwei Staatsfonds.

Das dürfte auch für die Schweiz interessant sein, ist GIC doch der grösste Einzelaktionär der UBS (UBSG 18.32 1.55%). Es war Lee, der 2008 massgeblich für den Einstieg in die in Not geratene Schweizer Grossbank war. Der folgende Kursverlust der Aktie bescherte GIC einen Milliardenverlust. Das trug dazu bei, dass Lee bald darauf als Verwaltungsratspräsident des Staatsfonds zurücktrat.

Lees Frau Kwa Geok Choo verstarb 2010. Das Paar hat zwei Söhne und eine Tochter, die bis heute in Singapur leben.

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