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07:02 Uhr - 07.07.2016

«Chinesen können noch nicht mithalten»

Karen Kharmandarian, Manager des Pictet-Robotics-Fonds, hält den Wandel in der Robotikindustrie für viel zu rasant, um auf dem Gebiet passiv zu investieren.

Herr Kharmandarian, was muss ich mir als Anleger unter einem Investment in Robotik vorstellen?
Es gibt keine strikte Definition. Unter Robotik verstehen wir grundsätzlich industrielle Automation und automatisierte Anwendungen im Konsumbereich. In die Kategorie der industriellen Automation fallen etwa Produktionsrobotik, Logistikroboter und 3-D-Drucker. Im Konsumbereich gehören Haushaltsroboter, selbstlenkende Fahrzeuge und Drohnen dazu. Auch die Automatisierung und die Robotisierung im Gesundheitswesen spielen eine immer wichtigere Rolle.

Karen KharmandarianFür Kharmandarian ist der Bewertungsaufschlag reiner Robotikaktien legitim. Bild: ZVGSind Maschinen und Roboter dasselbe?
Nein, ein Roboter nimmt seine Umgebung wahr, lernt aus Fehlern und kann mit der Umwelt interagieren. Eine Küchenmaschine kann das nicht. Roboter unterscheiden sich von Maschinen, denn sie bedienen sich einer Form von künstlicher Intelligenz.

Welche Bereiche in der Robotik sind aus Anlegersicht besonders attraktiv?
Kollaborative Roboter nehmen in der industriellen Automation eine immer wichtigere Stellung ein. Sie können mit Menschen interagieren und dank ihren Sensoren in einem viel grösseren Spektrum eingesetzt werden. Der deutsche Robotikspezialist Kuka (KU2 107.5 -0.23%) ist hier ein führender Anbieter, aber auch Fanuc aus Japan oder ABB (ABBN 18.71 -1.01%). Die Schweizer erarbeiten mittlerweile über 40% ihres Umsatzes mit Robotik und Automation. Auch selbstfahrende Fahrzeuge und der Robotereinsatz im Gesundheitsbereich sind attraktiv.

Wird durch die Verbreitung von Robotern der Preisdruck auf die Technologie zunehmen?
Davon sind wir noch sehr weit entfernt. Die Robotik steht erst am Anfang des Integrationsprozesses von Software und Hardware. Auch der Investitionszyklus im Bereich der Technologie kollaborativer Roboter ist noch sehr jung.

Welche Unternehmen geben in der industriellen Automation derzeit den Ton an?
Fanuc aus Japan ist in einer beneidenswerten Position. Sie beliefert andere Roboterhersteller mit unverzichtbaren Komponenten. Zudem können die vier führenden Anbieter in der industriellen Robotik – ABB, Fanuc, Kuka, Yaskawa – gemeinsam einen globalen Marktanteil von 80% beanspruchen. Auch die chinesischen Hersteller sind auf die Technologie dieser vier Anbieter angewiesen. Die Chinesen können hier technologisch noch nicht mithalten.

Was bedeutet die derzeitige Übernahme von Kuka durch die chinesische Midea für den Robotikmarkt?
Der Übernahmeversuch steht für Chinas staatlich gelenkte Ambition, seine Robotikindustrie zu vergrössern und Zugang zur fortschrittlichsten Technologie auf dem Gebiet zu erhalten. Er wird zudem die Bewertung von Robotikspezialisten stützen und dank zusätzlichen Investitionen die Fortschritte in Robotik und künstlicher Intelligenz beschleunigen.

Wie sollen sich Aktionäre beim Übernahmeangebot für Kuka verhalten?
Midea hat ihr Ziel, für 115 € pro Aktie mindestens 30% an Kuka zu erwerben, erreicht. Die Grossaktionäre, Voith GmbH und Friedhelm Loh, haben ihre Anteile von 25 bzw. 10% angedient. Midea bietet einen signifikanten Aufschlag von rund 36% gegenüber dem Aktienpreis vor der Ankündigung. Das entspricht einer stattlichen Bewertung. Die Wahrscheinlichkeit eines Gegenangebots ist auf diesem Bewertungsniveau deshalb sehr gering geworden. Das Kuka-Management und der Verwaltungsrat empfehlen den Aktionären, das Angebot anzunehmen.

Robotik ist keine isolierte Technologie. Was sind die Schnittstellen?
Im Gesundheitsbereich, bei ferngesteuerten Operationssystemen etwa, werden Roboter immer wichtiger. Unsere grösste Fondsposition – die amerikanische Intuitive Surgical – ist in diesem Bereich unbestrittene Marktführerin und profitiert derzeit von einem Quasi-Monopol. Sogar der Internetkonzern Alphabet (GOOGL 708.97 0.58%) hat das enorme Potenzial erkannt. Er ist eine Partnerschaft mit Johnson & Johnson (JNJ 122.64 0.3%) eingegangen, um Operationsroboter zu bauen. Doch selbst die beiden werden drei bis vier Jahre brauchen, um ein marktreifes Produkt zu entwickeln. Auch die Medtech-Konzerne Medtronic und Smith & Nephew (SN. 1294 0%) wollen in diesen Markt. Sie haben aber einen grossen Rückstand.

Google-Mutterkonzern Alphabet ist also auch ein Robotikspezialist?
Alphabet ist im Bereich der selbstfahrenden Fahrzeuge mit grossem Abstand führend. Sie spurt sowohl technologisch wie auch regulatorisch den Weg für diese neue Fahrzeugkategorie vor. Auch in der künstlichen Intelligenz, etwa im Bereich der Sprach- und Gesichtserkennung, ist sie vorn. Der Google-Now-Sprachassistent, der in natürlicher Sprache agieren und reagieren kann, hat für die Robotik eine grosse Relevanz.

Ist der Schweizer Chiphersteller U-Blox kein Kandidat für Ihr Portfolio?
Wir haben eine kleine Position in U-Blox (UBXN 203.4 -0.93%) – sie hat ein bodenständiges Management. Das langfristige Potenzial ist signifikant, und sie kann sich rasch an die Bedürfnisse ihrer Kunden anpassen. Im Verhältnis zur Konkurrenz ist auch die Bewertung der Aktie nicht so hoch, wie es auf den ersten Blick erscheinen mag.

Wie sieht es allgemein mit den Bewertungen von Robotikvaloren aus?
Aktien von reinen Robotikspezialisten handeln im Branchenvergleich mit einem Aufschlag. Intuitive Surgical etwa sind mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von 25 für 2016 deutlich teurer als andere Titel in unserem Universum. Doch die überdurchschnittlichen Wachstumsaussichten des Unternehmens und die dominante Markstellung rechtfertigen dies.

Wie gehen Sie vor, um das Zukunftspotenzial einer Technologie zu beurteilen?
Ist Technologie ausschlaggebend, muss man aktiv investieren können. In Robotik kann man nicht passiv anlegen. Man muss Jahr für Jahr am Puls der Entwicklung bleiben. Wir haben auch ein Expertengremium, das uns unterstützt. Doch Vorsicht: Technologisches Potenzial ist nicht mit kommerziellem Potenzial gleichzusetzen. Es gibt keine 100%ige Sicherheit, dass sich eine Technologie in fünf Jahren wird halten können oder dass sich das entsprechende Unternehmen gegen Mitbewerber durchsetzen wird.

Müssen Sie sich als thematischer Investor überhaupt mit Makroökonomie befassen?
Wir sind stark von der Entwicklung in Japan und den USA abhängig. Aber auch von Zyklus und Krise in der Öl- und Gasindustrie. Viele Robotikspezialisten sind von der Prozess- und Automatisierungsindustrie abhängig. Deshalb hat ein Unternehmen wie Rockwell Automation derzeit Wachstumsprobleme. Es leidet deutlich stärker als eine ABB. Dennoch erachten wir das Geschäftsmodell als attraktiv.

Haben Sie Schweizer Aktien im Visier?
Mit Blick auf unser Aktienuniversum drängen sich Schweizer Titel derzeit für uns nicht auf. Bei den Schweizer Robotikspezialisten sind ABB und U-Blox relativ gesehen dennoch attraktiv.

Weshalb hat ABB als führendes Unternehmen in Automation und Industrierobotik keine Top-Position im Fonds?
ABB ist nicht nur in der Robotik, sondern auch im Stromverteilungsgeschäft tätig. Obschon sich der Bereich langsam verbessert, kämpft er mit Problemen. Der Konzern ist noch immer ein Konglomerat. Das Management sollte die problembehafteten Bereiche bereinigen.

ABB sollte sich also vom Stromverteilungsgeschäft trennen?
Bei ABB ist jede Massnahme willkommen, die eine Fokussierung auf die wachstumsträchtigen Bereiche bedeutet.

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