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09:30 Uhr - 25.11.2014

Vom Flachmann zum Flacon

Vom Spirituosenkonzern Diageo kommend, ist Gilbert Ghostine der erste CEO des Aroma- und Duftstoffherstellers Firmenich von ausserhalb der Eigentümerfamilie.

Noch wird Gilbert Ghostine begleitet. Als Branchenneuling sind ihm die Eigenheiten des Aroma- und Riechstoffgeschäfts bisher fremd. Die Erwartungen an den neuen CEO von Firmenich, seit 1. Oktober im Amt, sind hoch – weil er in der bis 1895 zurückreichenden Unternehmensgeschichte der erste Geschäftsführer von ausserhalb ist und weil Firmenich einen guten Ruf zu verteidigen hat.

Mit knapp 3 Mrd. Fr. Umsatz im Geschäftsjahr 2013/14 per Ende Juni ist die private Gesellschaft aus Meyrin im Kanton Genf nach Givaudan (GIVN 1710 2.58%) (4,4 Mrd. im Jahr 2013) die Nummer zwei im globalen Markt für Aromen und Riechstoffe. Erzielt wird der Umsatz mithilfe von mehr als 6000 Angestellten an weltweit 63 Standorten, davon 28 produzierenden. Die Ertragskraft des Unternehmens ist ein gehütetes Geheimnis – aber kaum, weil sie nicht vorzeigbar wäre.

Begleitet wird der 1960 geborene Libanese Ghostine, der bis zur Berufung zum Geschäftsführer von Firmenich während 21 Jahren für den britischen Spirituosenhersteller Diageo (DGE 1916.5 0.76%) arbeitete, noch bis Ende Januar von seinem Vorgänger Patrick Firmenich. In vierter Generation an der operativen Spitze will dieser nach zwölf Jahren als CEO mehr Verantwortung im Verwaltungsrat übernehmen; dazu wurde er vom normalen Mitglied zum Vizepräsidenten erhoben.

Gut gefüllter Rucksack

Gilbert Ghostine kommt mit einem gut gefüllten Rucksack zu Firmenich. Ausgebildet an der St. Joseph University in Beirut und an der Harvard Business School, bringt er Berufserfahrung aus vier Kontinenten und zahlreichen aufstrebenden Märkten mit. Letztere sind die Hauptwachstumsträger der Aroma- und Riechstoffbranche. Vor seiner Tätigkeit als President Asia Pacific von Diageo hielt er, ebenfalls für den 10,3 Mrd. £ umsetzenden Spirituosenkonzern, leitende Positionen in den USA, Europa, Afrika und im Nahen Osten.

Weltweite Erfahrung hat der verheiratete Vater zweier erwachsener Kinder auch mit Fusionen und Übernahmen. Die Reise von Firmenich werde eine Kombination aus organischem und anorganischem Wachstum sein, sagte er in einem Interview mit dem libanesischen Magazin «Executive». An Möglichkeiten, aus eigener Kraft zu wachsen, fehle es zwar nicht, doch sollten sich anderweitige Chancen ergeben, sei der Verwaltungsrat dafür bestimmt offen.

Mit der Berufung eines Geschäftsführers von aussen ist Firmenich nicht allein: Die Nummer drei der Branche, International Flavors & Fragrances (IFF), hatte im Mai mit dem Bayer-Manager Andreas Fibig ebenfalls einen Outsider zum Nachfolger von Doug Tough berufen. Givaudan dagegen scheint mehr auf eigene Führungskräfte zu setzen: Nicht nur CEO Gilles Andrier stammt aus den eigenen Reihen, auch Maurizio Volpi, im September zum Vorsteher der Riechstoffdivision ernannt, hat sich im Konzern hochgearbeitet.

Mit der Sicht des Kunden

Mit seiner Erfahrung im Konsumgüterbereich kann Ghostine die Sicht von Kunden in das Geschäft einbringen. Das kann ein Vorteil sein. Alle grossen Abnehmer von Aromen und Riechstoffen stammen aus dem Konsumgütersektor. Ihr Geschäft richtet sich direkt an die Verbraucher; sie sind unmittelbar am Puls der Nachfrage und haben ihr Denken und Tun darauf eingestellt.

Aroma- und Riechstoffhersteller dagegen sind im Business-to-Business-Geschäft. Besser zu verstehen, wie ihre Kunden ticken und arbeiten und was für sie wichtig ist, kann für sie von Nutzen sein. Ghostine sieht darin für Firmenich eine Chance. Sie zu nutzen, setzt allerdings Vertrautheit mit den Finessen des eigenen, für ihn noch weitgehend fremden Geschäfts voraus.

An Lernbegierde und Enthusiasmus scheint es dem neuen Geschäftsführer nicht zu fehlen, und auch an Support, um die nötige Vertrautheit zu erlangen, wird es ihm nicht mangeln – auch über die Phase der engen Begleitung durch Patrick Firmenich hinaus nicht.

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