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18:17 Uhr - 21.07.2017

Fünf Jahre «Whatever it takes»

Erst unter dem Eindruck der Eurokrise machten sich Europas Regierungen daran, die Währungsunion auf ein solideres Fundament zu stellen. Doch das ging nur dank Mario Draghis drei rettenden Worten.

Fünf Jahre nach der viel zitierten Rede Mario Draghis sind die Blessuren geheilt. Der Euro befindet sich im Aufwind. Seit Jahresbeginn hat er sich 10% gegenüber dem Dollar aufgewertet. Die Geschichte ist deshalb aber noch nicht zu Ende.

Im Gegenteil: Das Fundament der Euro-Währungsunion ist brüchig. Dank Draghis Initiative wurde es zwar teilsaniert. Damit die Union Bestand hat, sind aber noch grosse Um- und Neubauten erforderlich.

Es mangelt nicht an Architekten mit klaren Vorstellungen davon, wie das künftige Haus Eurounion stabil gemacht werden kann. Allein die EU veröffentlichte ein Weissbuch, ein Grünbuch, einen Präsidialbericht und zahlreiche Arbeits- und Diskussionspapiere.

Die meisten verschwanden rasch in den Schubladen, weil aus der einen oder anderen Hauptstadt abschlägige Bescheide eintrafen.

Solidarität vs. Verantwortung

Europapolitische Sonntagsreden appellieren sowohl an die Solidarität als auch an die Verantwortung der Mitglieder. In der europapolitischen Realität schliessen sich indes beide Attribute gegenseitig aus: Die eine Gruppe, angeführt von Deutschland und den Niederlanden, fordert mehr Eigenverantwortung von jedem Mitgliedsland, bevor man sich an Aktionen beteiligt, die viel Geld kosten.

Die andere, vertreten durch Frankreich, Italien, Spanien, Portugal etc., verlangt solidarische Anstrengungen der Partner, um den zahlreichen Altlasten wie der hohen Staatsschuld Herr zu werden. In der Praxis resultiert ein Patt.

Solange der Schrecken der Eurokrise noch allen in den Knochen sass, rauften sich die Politiker zusammen. Sie errichteten im September 2012 den Rettungsfonds ESM. Er verleiht Notkredite.

Auch eine gemeinsame Bankenaufsicht wurde 2013 durchgesetzt und ein Abwicklungsgremium (ERB) für Banken gegründet – zwei Pfeiler der Bankenunion. Dass es ohne sie nicht geht, hatte die Eurokrise gezeigt. Nationale Regulierungen und Eigenheiten erschweren Kriseneinsätze in der heiklen Branche.

Aber an diesem Punkt ist Schluss. Der Streit ums Geld blockiert seither die Umsetzung weiterer Pläne. So ist für die Bankenunion neben der Abwicklungsbehörde auch ein Abwicklungsfonds geplant.

Er wird aber nur im Schneckentempo gespeist. Ausserdem ergänzend zur nationalen Einlagensicherung von 100 000 € auch ein gemeinsamer Topf, der kleinen Ländern mit grossen Banken helfen soll. Deutschland sperrt sich dagegen.

Mit Emmanuel Macron könnte der festgefahrene Prozess in Schwung kommen. Der neu gewählte Präsident Frankreichs propagiert europapolitische Themen wie ein gemeinsames Budget und die Berufung eines europäischen Finanzministers.

Die deutsche Bundeskanzlerin lehnte diese Pläne am bilateralen Treffen in Paris letzte Woche nicht rundweg ab, sondern zeigte vorsichtig Interesse. Bereits spricht die Europäische Kommission von einem Zeitfenster. Es setze spätestens nach den deutschen Wahlen im Herbst ein. Und es müsse genutzt werden, um die Euro-Union fertig zu bauen.

Die Pläne reichen weit. Offiziell geht es um eine Fiskal-, eine Banken- und eine Kapitalmarktunion. Interessant ist, dass das erste Zeichen der politischen Annäherung ausgerechnet beim Thema Euro-Budget stattfindet, das selbst Sachverständige diametral unterschiedlich beurteilen.

Soll eine Fiskalunion über Instrumente verfügen, um die gesamtwirtschaftliche Nachfrage zu steuern, wenn ein Land dazu nicht mehr in der Lage ist? Experten wie Charles Wyplosz und Barry Eichengreen sagen Nein, andere sehen Vorteile in einem kleinen Euro-Haushalt. Paul de Grauwe schlägt eine europäische Arbeitslosenversicherung vor.

Am weitesten vorangeschritten ist die Bankenunion. Der Schwerpunkt hat sich allerdings verschoben. Die Probleme mit Finanzinstituten in Zypern, Spanien und Italien legen offen, dass eine euroweite Einlagenversicherung nicht unabdingbar ist, praxistaugliche Regeln für den Umgang mit faulen Krediten indes schon.

Das gilt auch für den Einsatz von Bad Banks, die illiquide Aktiven auffangen und weiter verkaufen. Hier wird hoffentlich bald über Konkretes entschieden werden. Die Eurogruppe versprach vor zwei Wochen zumindest einen baldigen «Austausch über bewährte Verfahren».

Die Altlasten wiegen schwer

Der dritte Neubau existiert dagegen erst auf dem Papier: Die Kapitalmarktunion soll Eurolands Unternehmen weniger abhängig von Bankkrediten machen und andere marktbasierte Finanzierungsquellen salonfähig werden lassen. Bis 2019 soll sie funktionsfähig sein. Eine gemeinsame Europäische Kapitalmarktaufsicht wird später diese Union krönen.

Aber die bestehenden Altlasten behindern jeden Schritt in Richtung mehr Integration. Die staatlichen Schuldenberge sind enorm. Seit der Eurokrise sind sie mehrheitlich gewachsen.

Sie behindern das Wirtschaftswachstum, zumal die Banken in diesen Ländern übermässig viele dieser Schuldpapiere halten. Das staatliche Haushalts- und das Bankenrisiko sind deshalb eng ineinander verwoben. Es muss eine Lösung gefunden werden, die Risiken zu entflechten.

Und es bleibt die Frage, ob und wie hoch verschuldete Länder von der besseren gemeinschaftlichen Bonität der Eurozone profitieren sollen, wenn sie Anleihen emittieren. Der Vorschlag der Eurobonds mit gemeinsamer Haftung ist politisch chancenlos, aber es kursieren zahlreiche Varianten in der Debatte.

Wird dereinst tatsächlich ein Euro-Schatzamt ­Euro-«Treasuries» ausgeben, wie es der EU-Kommission und Präsident Macron vorschwebt? Die Zukunft wird es zeigen.

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