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06:55 Uhr - 26.08.2016

Negativzins: Keine will die Erste sein

Der Negativzins für Privatkunden rückt näher. Doch die Banken fürchten sich davor und suchen andere Wege zur Ertragsverbesserung.

Zwar machen Banken den Eindruck, als hätten sie sich im Negativzinsumfeld ganz gut eingerichtet. Die meisten weisen weiterhin steigende Zinsergebnisse aus. Aber die Luft wird dünn. 

«Negativzinsen sind unsere grösste Herausforderung», sagte Markus Gygax, CEO der Valiant (VATN 92.8 0.71%) Bank, anlässlich eines Podiumsgesprächs von «Finanz und Wirtschaft» diese Woche.

Unisono sagten die Bankchefs von Raiffeisen, Zürcher Kantonalbank und PostFinance, das Zinsumfeld sei extrem hart, viel vertrage es nicht mehr.

Teure Hypotheken laufen aus

Für jede Bank sieht die Rechnung etwas anders aus. Wenn sich bis Ende 2017 keine Trendwende bei den Zinsen zeigt, steigt der Druck, skizziert Valiant-Sprecher Marc Andrey die Sicht seines Instituts.

Immer mehr gut rentierende Hypotheken laufen aus und werden durch billigere abgelöst, ohne dass die Finanzierungskosten bei den Spargeldern in ähnlichem Ausmass sinken. Banken, denen der Negativzins der Nationalbank direkt noch nichts ausmacht, sind also indirekt betroffen.

Wie sehr die Zinsen zurückgekommen sind, zeigt sich anhand der weit verbreiteten fünfjährigen Festhypothek. Ihre durchschnittliche Verzinsung ist bereits 2011 unter 2% gesunken (vgl. Grafik). https://moneypark.ch/hypothek/zinsen/zinsentwicklung/

Deswegen bleibt die Weitergabe des Negativzinses an die Kunden in der Schweiz ein Thema, so kategorisch wie früher sind gewisse Stillhalteaussagen jedenfalls nicht mehr. Die Lage ist laut PostFinance-Chef Hansruedi Köng angespannt, wie er in der Podiumsdiskussion sagte: «Wer verliert als Erster die Nerven und gibt die Zinsen weiter?»

Gemäss Valiant-CEO Gygax ist ein schleichender Prozess im Gang: «Wir werden uns an das Thema herantasten.» Momentan halten alle still. « Ich glaube nicht, dass eine Bank vorpreschen kann, da sonst die Gelder abgezogen werden», fügte der Chef der grössten Schweizer Regionalbank an. Das könne eine Bank destabilisieren.

Auch ZKB-Chef Martin Scholl warnte vor einer Liquiditätskrise. Andererseits könnten bei einer weiteren Verschärfung der Negativzinsen die Kunden auch noch mehr sparen. Bis jetzt wendet erst die Alternative Bank Schweiz – ein Nischenplayer – ein Negativzinsregime bei Kleinkunden an.

Bei der Zürcher Kantonalbank ist das Wording unverändert: kein Negativzins für Privatkunden. Raiffeisen-CEO Patrik Gisel sagte ebenfalls ohne Wenn und Aber: «Raiffeisen wird keine Negativzinsen einführen. Das verstehen die Kunden nicht.»

Pikanterweise wurde das Thema jedoch ausgerechnet von einem Vertreter des «sozialen Kapitals» neu lanciert: Die Migros Bank schliesse die Weitergabe der Negativzinsen an ihre Privatkunden mit Einlagen über 100’000 Fr. nicht aus, erklärte CEO Harald Nedwed kürzlich in einem Interview mit «Le Temps». Diesen Schritt ziehe die Bank in Erwägung, sollte die Negativzinspolitik noch länger andauern oder sofern die Schweizerische Nationalbank (SNB (SNBN 1320 5.85%)) eine weitere Senkung der Zinsen beschliessen würde.

An anderen Stellschrauben drehen

Wenn Banken die Zinsen nur teilweise an ihre Kundschaft weitergeben, dann müssen sie anderweitig schauen, wie sie das Zinsergebnis balancieren. Beispielsweise die Zürcher Kantonalbank. Für sie ist der Negativzins an sich erfolgsneutral. Das, was sie der Nationalbank zahlen muss (rund 75 Mio. Fr. jährlich), belastet sie im Interbankenmarkt und bestimmten Grosskunden weiter. Aber sie muss an etlichen Stellschrauben drehen, um die Erfolgsrechnung im Lot zu halten.

Auffällig ist generell, dass bis anhin sinkende Wertberichtigungen massgeblich zu den besseren Zinsergebnissen beigetragen haben. Dort ist der Spielraum jedoch praktisch ausgeschöpft. Die Kreditausfälle können ja nicht unter null sinken. Tatsache ist auch, dass die durch die Banken erhöhten Kommissionen und Gebühren – von Bancomat über Kreditkarte bis Kontoführung und Steuerausweis – die Ertragsausfälle nur teilweise kompensieren können. Insbesondere bei den Regional- und den Kantonalbanken machen Zinsen 70% des Ertrags aus. Bei den Grossbanken liegt der Anteil der Zinsen eher bei 30 bis 40%.

Kein Run auf Tresore

Die Kunden selbst rechnen offenbar auch nicht wirklich mit dem Negativzins. Jedenfalls melden weder die Zürcher Kantonalbank noch Valiant eine Zunahme der Nachfrage nach Bankschliessfächern, wo sich allenfalls Bargeld verstauen liesse, falls der Strafzins kommt. Bei Valiant sind bloss rund 55% der 30’000 Tresorplätze vermietet. Die ZKB gab auf Anfrage keine Auskunft über die Tresorauslastung. Darüber, was die Kunden im Fall der Fälle wirklich machen würden, herrscht Rätselraten.

Für Valiant-Mann Gygax ist allerding klar: «Spargelder sind unter dem veränderten Regime nicht mehr die Basis, um Kredite zu vergeben.» Für die Refinanzierung greifen Banken vermehrt auf Obligationen zurück. Gerade die Kantonalbanken mit ihrer Staatsgarantie können sich so sehr günstig refinanzieren. Die Luzerner Kantonalbank (LUKN 406 0.43%) begibt gegenwärtig eine 0,1%-Anleihe über 375 Mio. Fr. mit einem Emissionspreis von 100,1% und einer Laufzeit von fünfzehn Jahren.

Valiant – ohne Staatsgarantie – setzt ihrerseits auf Covered Bonds. Sie plant, ab nächstem Jahr einen Teil ihres 18 Mrd. Fr. schweren Hypothekarportefeuilles weiterzuverkaufen und sich so zu Kosten unter 0% zu refinanzieren. Auf diesem Weg könnte, so der Plan, vermieden werden, die Privatkunden mit Negativzins zu vergraulen.

Auch die Credit Suisse (CSGN 12.02 0.33%) hegt Pläne in diese Richtung. Sie will Hypotheken aus dem eigenen Buch an Investoren verkaufen. Die Hypotheken sollen einem Anlagefonds nach Schweizer Recht übertragen werden.

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