Die Passivität der Schweizer Uhrenindustrie gegenüber Smartwatches könnte sich rächen, sagt eine Analystin. Wie gross die Gefahr wirklich ist.
Es ist nicht mehr eine Omega oder Rolex, welche im neuesten Actionfilm «Kingsman 2» von Matthew Vaughn dem Zuschauer als Blickfang präsentiert wird. Erstmals spielt eine Schweizer Smartwatch die Hauptrolle. Sie wird von Hauptdarsteller Taron Egerton als wichtiges Agenten-Gadget wirksam in Szene gesetzt.
Zum Zug gekommen ist die neue Smartwatch von Tag Heuer, die erst in diesem Frühling der Öffentlichkeit vorgestellt worden war. Die Tag Heuer Connected Modular zeigt auf, wie schnell die Entwicklung im Smartwatch-Bereich vonstattengehen kann. Sie bietet nicht nur neue Funktionen wie bargeldloses Zahlen und die Aufzeichnung von sportlichen Aktivitäten. Sie kann auch jederzeit gegen eine zeitlose mechanische Uhr umgetauscht werden.
Nur Rolex grösser als Apple Watch
In dieser schrittweisen Verbesserung von vernetzten Uhren sehen Beobachter die grössten Risiken für die Schweizer Uhrenindustrie. Diese Woche publizierte die UBS (UBSG 16.25 1.56%) eine viel beachtete Studie zum Uhrenmarkt, in welchem sie erneut auf die Gefahren der intelligenten Uhren hinwies.
«Die Apple (AAPL 144.93 0.83%) Watch ist nun grösser als jegliche Schweizer Uhrenmarke mit Ausnahme von Rolex», schreibt Analystin Helen Brand. Sie erwartet, dass der Marktanteil von Swiss-made-Uhren weiter erodiert, sobald die vernetzten Uhren ihre Funktionalitäten weiter verbessern.
Die grösste Gefahr sieht sie vor allem bei bei Marken, die sich im günstigeren Preissegment bewegen. «Die Lebensdauer von Smartwatches ist wegen der technologischen Fortschritte begrenzt», schreibt Brand. Das bevorteile Uhren aus dem Hochpreissegment. Unter Druck kommen könnten hingegen Marken wie Swatch oder Tissot, die in Konkurrenz zu den intelligenten Uhren stehen.
So fällt auf, dass bei den Schweizer Uhrenexporten die Luxusmodelle wieder deutlich stärker nachgefragt werden. Derweil weisen Uhren aus dem Günstigsegment weiterhin eine negative Entwicklung auf.
Reaktion der Schweizer Uhrenhersteller
Neben LVHM, zu denen neben Tag Heuer auch die Uhrenmarken Hublot und Zenith gehören, beobachtet seit diesem Jahr auch Richemont (CFR 80 -0.25%) den Smartwatch-Markt. Deren Marke Montblanc hat eine intelligente Uhr auf den Markt gebracht. Über die Verkaufszahlen ist bislang nichts bekannt geworden.
Unklar ist, welche Strategie die Swatch Group (UHR 359.9 -0.58%) in diesem Bereich verfolgt. Mit der Marke Tissot hat sie bereits Modelle mit einigen wenigen vernetzten Funktionen lanciert. Zudem brachte sie vor eineinhalb Jahren eine Uhr mit Bezahlfunktion auf den Markt. Daneben entwickelt Swatch Group ein eigenes Betriebssystem, das in Smartwatches eingesetzt werden kann. Ob Swatch Group dereinst eine wettbewerbstaugliche Smartwatch lanciert, ist derzeit nicht bekannt.
Zumindest zeigt das Beispiel Tag Heuer, dass der Erfolg bei Smartwatches nicht programmiert werden kann. Zwar kommen Innovationen und Verbesserungen bei intelligenten Uhren bei den Kunden gut an. Derzeit sieht es aber nicht danach aus, dass die zweite Version der Smartwatch bei Tag Heuer für einen Umsatzsprung sorgen wird.
Smartwatches sind kein Selbstläufer
«Wir liegen mit den Verkaufszahlen bei der zweiten Version der Connected-Uhr ein paar Prozent über jenen des ersten Wurfs», sagte LVMH-Uhrenchef Jean-Claude Biver, der unter anderem die Marke Tag Heuer verantwortet, am Mittwoch am Rande einer Veranstaltung in London zu «Finanz und Wirtschaft».
Die nur marginale Verbesserung liege daran, dass bereits das erste Modell gut verkauft worden sei, so Biver. Dies stiess auf eine deutlich grössere Nachfrage als erwartet, verkauft wurden schliesslich 60’000 Exemplare. Von der überarbeiteten Smartwatch-Version will Biver bis Ende Jahr zweieinhalb Mal so viel verkaufen.
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