Die Schweizer Bankbranche befindet sich in einer der grössten Strukturveränderungen ihrer Geschichte. Eine Mehrheit der staatlichen Institute könnte nun ihre wohlhabende Kundschaft zusätzlich zur Kasse bitten.
Kommt es 2017 zum Dammbruch bei den Negativzinsen? 60% der Kantonalbanken erwägen die Einführung von Negativzinsen im Privatkundengeschäft. Dies geht aus einer Studie des Beratungsunternehmens EY hervor, an der insgesamt 120 Institute teilgenommen haben.
Die Banken wollen die Weitergabe aber nur ab einem bestimmten Guthaben prüfen oder wenn die Nationalbank die Zinsen weiter senken sollte. Insgesamt erwägen diesen Schritt 25% der befragten Institute.
PostFinance brachte Bewegung ins Thema
Die Bereitschaft vieler Banken, die Mehrkosten der Negativzinsen allein zu tragen, schwindet merklich, sagt Patrick Schwaller, Partner bei EY.
Noch Ende vergangenen Jahres warnte Mark Branson, Direktor der Finanzmarktaufsicht, die Banken davor, den Negativzins an die Kundschaft weiterzugeben. Mitte 2016 gaben sich die Institute bei dem Thema noch sehr zurückhaltend. Kurz vor Ende des Jahres war es die PostFinance, die sich dabei bewegte.
Sinkender Ertrag, steigende Kosten
Grundsätzlich stecken die Schweizer Banken mitten in einer der grössten Strukturveränderungen ihrer Geschichte. Rund 90% der Institute rechnen mit weiter sinkenden Renditen und umwälzenden Veränderungen in der Wertschöpfungskette.
Zwar haben die Banken in den vergangenen fünfzehn Jahren ihr Geschäft, sprich die Bilanzen, kontinuierlich ausgeweitet. Doch in derselben Zeit sank der Ertrag und stiegen die Kosten, was auf den Gewinn drückt.
Digitalisierung nur Hilfsmittel
Bisher fallen den meisten Banken als Gegenmittel vor allem Effizienzsteigerung und Kostensenkung ein. Neue Strategien, Geschäftsmodelle oder Prozesse stehen für sie nicht im Fokus.
So sehen 64% der Banken in der Digitalisierung nur einen zusätzlichen Vertriebskanal, der Kern ihres Geschäfts bleibe bestehen.
«Wir sehen heute nur die Spitze des Eisbergs», sagt dagegen Olaf Toepfer, Leiter Banking bei EY Schweiz. «Die Digitalisierung wird fundamentale Auswirkungen auf Strategien, Geschäftsmodelle und Geschäftsprozesse haben.»
IT-Unternehmen als Bedrohung
Die Digitalisierung erleichtere beispielsweise branchenfremden Konkurrenten den Markteintritt und könne die bereits seit Jahren sinkende Loyalität der Kunden weiter schwächen. Über zwei Drittel der Institute rechnen denn auch damit, dass ihre Marktstellung beispielsweise durch IT-Unternehmen bedroht wird.
«Bis jetzt zeigen die Banken eine relativ hohe Widerstandsfähigkeit», sagt Schwaller. Dennoch schätzt ein Drittel der befragten Institute den künftigen Geschäftsverlauf zunehmend negativ ein, einige rechnen mit markanten Einbussen.
Weiter gute Resultate erwartet
Doch noch scheint der Leidensdruck nicht derart gross zu sein. 80% der Institute haben nach eigenen Angaben 2016 ein gutes operatives Ergebnis erzielt, und rund 70% rechnen für das laufende Jahr mit weiterhin mit guten Resultaten.
Auch das Vermögensverwaltungsgeschäft läuft, trotz Wegfall des Bankgeheimnisses und Einführung des automatischen Informationsaustauschs. Zwei Drittel der Banken melden keinen nennenswerten Abfluss ausländischer Vermögen.
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