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16:30 Uhr - 18.05.2016

«Wir müssen uns von Minderwertigkeitskomplexen lösen»

Renaud de Planta, Partner bei Pictet & Cie und CEO der Pictet Asset Management, über die Herausforderungen des Finanzplatzes Schweiz und wie sich dieser für die Zukunft positionieren soll.

Renaud de Planta ist seit sechzehn Jahren CEO der Pictet Asset Management. In dieser Zeit haben sich die Vermögen in seinem Bereich auf 151 Mrd. Fr. verzehnfacht. Der Schweizer Finanzplatz  verfüge über einige Trümpfe, die es nur richtig auszuspielen gelte, sagt er.

Zur PersonRenaud de Planta (1963) ist seit 2000 CEO der Pictet Asset Management. Mit gut 800 Mitarbeitern verwaltet Pictet Asset Management rund 151 Mrd. Fr. und ist weltweit an siebzehn Standorten präsent. De Planta stiess 1998 als Managing Partner zu Pictet. Zuvor arbeitete er in verschiedenen Funktionen bei UBS, wo er zuletzt den Bereich globale Aktienderivate verantwortete. Der promovierte Volkswirt hat zudem einen MBA-Abschluss der Universität Chicago. Er ist verheiratet und Vater von drei Kindern. Herr de Planta, im Schweizer Banking findet gegenwärtig eine Konsolidierung statt. Pictet spielt dabei keine Rolle. Wieso nicht?
In 210 Jahren Geschichte haben wir nie akquiriert oder fusioniert. Die Geschwindigkeit unseres organischen Wachstums hat uns immer erlaubt, auf die Qualität der Mitarbeiter und der Kunden zu fokussieren. Bei Pictet Asset Management haben wir nie beabsichtigt, zu akquirieren. Im Wealth Management können Skalenerträge Akquisitionen rechtfertigen.

Halten Sie Akquisitionen im Asset Management für sinnlos?
Wir zweifeln daran, ob das die richtige Art und Weise ist, zu wachsen. Erfolgsgeschichten sind die Ausnahme. Für uns macht es philosophisch keinen Sinn.

Aber im Wealth Management schliessen Sie Akquisitionen nicht aus?
Im Wealth Management sind wir nicht a priori dagegen und haben uns auch einige Dossiers angeschaut – aber noch keine schöne Braut gefunden. Die schönsten sind in der Regel schon verheiratet. Im aktuellen Marktumfeld Kunden durch eine Übernahme zu akquirieren, ist ein riskantes Unterfangen. Zudem ist eine Akquisition auch eine riesige Ablenkung. Sie wissen nie, was Sie kaufen, und die Herzen der Leute können Sie nicht kaufen. Wir bevorzugen es, die Leute zu überzeugen, zu uns zu kommen. Wir stellen immer wieder ganze Teams ein, das funktioniert besser.

Ihre Konkurrenten kaufen intensiv. Julius Bär (BAER 40.87 2%) wächst stark über Akquisitionen, EFG (EFGN 5.79 -0.17%) kauft BSI. Was denken Sie dabei?
Dadurch wird schnelles Wachstum gekauft. Für uns ist Grösse nicht die richtige Messlatte. Vielmehr ist ausschlaggebend, ob der Kunde ein Gewinner ist oder nicht. Unsere Top zehn Mitbewerber in der Schweiz sind alle durch Akquisitionen gewachsen. Es ist schon vorgekommen, dass ein Konkurrent nach einer Akquisition grösser war als wir, doch nach fünf Jahren hatten wir ihn wieder eingeholt. Es geht um starke Performance und Top-Kundenservice. Fokussiert man darauf, sind die Kunden zufriedener und loyaler. Wachstum wird zum Nebenprodukt aus der Kundenzufriedenheit. Grösse ist keine Strategie. Besser zu sein, ist eine Strategie.

Der Finanzplatz Schweiz ist in den letzten Jahren durch grosse strukturelle Veränderungen gegangen. Ist er heute richtig aufgestellt?
Ich sehe drei grosse Wolken über dem Finanzplatz. Erstens den Marktzugang zu Europa. Zweitens die Verfügbarkeit spezialisierter ausländischer Arbeitskräfte. Das ist ganz entscheidend für das Asset Management. Seit der Abstimmung zur Masseneinwanderungsinitiative vor zwei Jahren ist das ungewiss. Drittens die Stempelsteuer. Darüber wird seit zwanzig Jahren diskutiert. Der Stempel ist archaisch, er muss endlich abgeschafft werden, sonst hat die Schweiz keine Chance gegen London. Wie wir das Bankgeheimnis abgeschafft haben, müssen wir den Stempel abschaffen. Der Finanzplatz hält aber nach wie vor wichtige Trümpfe in der Hand.

Welche?
In der Schweiz haben das Wealth Management und das Asset Management die nötige Masse an Kunden. Das Vorsorgegeschäft macht die Schweiz im institutionellen Asset Management zu einem der zehn grössten Märkte weltweit. Die institutionellen Kunden sind spezialisiert.

Müssen institutionelle Kunden das nicht per Definition sein?
Ja, im Prinzip schon. In der Schweiz haben wir aber eine Schicht von institutionellen Investoren, deren Anlageerfahrung an den Finanzmärkten Weltklasse ist. Das sieht man nicht überall, vielleicht noch in Nordamerika.

Wie spezialisiert sind denn die Anbieter im Schweizer Asset Management?
Es gibt sehr gute Nischenanbieter. Die Industrie in der Schweiz entwickelt sich in Richtung spezialisierter institutioneller Vermögensverwalter. Fondsgesellschaften, die hauseigene Fonds nur für die eigene Kundschaft verwalten, werden verschwinden. Dieser Prozess hat in der Schweiz vor etwa fünfzehn Jahren begonnen, als Credit Suisse (CSGN 13.59 2.03%) mit dem Fundlab die offene Fondsarchitektur eingeführt hat.

Wir haben in der Schweiz einen grossen Pool an institutionellem Geld. Ein Grossteil davon wird aber von angelsächsischen Asset-Managern verwaltet.
Das ist richtig. Es wird aus Kalifornien, New York oder London betreut. Es gibt nur wenige Anbieter, die wie wir einen Grossteil in der Schweiz verwalten. Das ist eine Gefahr für den Finanzplatz. Die Vertriebsbüros von US-Gesellschaften mit fünf bis zehn Verkäufern in der Schweiz bringen dem Finanzplatz nichts. Der Mehrwert entsteht durch Analyse, Portfolio- und Risikomanagement. Wenn das nicht in der Schweiz geschieht, fehlt die Aussicht auf Erfolg.

Wie soll die Schweiz als Asset-Management-Standort diesen Rückstand auf angelsächsische Unternehmen aufholen?
Das Asset Management ist eine dynamische Branche. Als ich vor achtzehn Jahren zu Pictet stiess, verwalteten wir 15 Mrd. Fr. im Asset Management. Heute sind es zehnmal mehr. Schon damals haben viele gesagt, es sei zu spät. Wenn Sie die richtigen Leute, das Know-how und unternehmerisches Flair haben, können Sie jederzeit beginnen. Wir müssen uns von Minderwertigkeitskomplexen lösen.

Aber auch Pictet Asset Management erbringt einen beträchtlichen Teil der Wertschöpfung in London.
Das stimmt. Aber nicht nur in London, sondern auch aus Hongkong und Singapur. Von den 800 Leuten, die bei Pictet Asset Management arbeiten, beschäftigen wir knapp 350 in der Schweiz.

Und hier spielt das Problem des Zugangs zu guten Arbeitskräften in der Schweiz?
Ja. Wenn das kontingentiert wird, ist das Risiko gross, dass wir diese Teams nach London verschieben müssen. Ich habe Teams in Genf, die bestehen nur aus Ausländern. In unserem Global-Bond-Team arbeitet nur ein Schweizer, bei den hochverzinslichen europäischen Anleihen verhält es sich ähnlich.

Für Sie ist der Marktzugang zur EU zentral. Wie können wir den gewährleisten?
Mifid II und andere Regulierungen sollten für die Schweiz mit einem äquivalenten Regelwerk umgesetzt werden, und zwar so, dass die Schweizer Regulierung von der EU als gleichwertig angesehen wird.

Viele inlandorientierte Banken sagen aber, der Preis dafür sei zu hoch.
Für das Retail Banking in der Schweiz ist Äquivalenz nicht nötig. Man sollte sich aber bewusst sein, dass das Asset Management und das Private Banking ein Exportgeschäft sind. Wenn wir das verlieren, sind wir ein Land wie alle anderen.

In der Frage des gefährdeten Marktzugangs zur EU schaffen viele Banken, auch Pictet, ja bereits Fakten. Sie bieten Banking-Dienstleistungen in London, Frankreich oder Luxemburg an.
Klar. Aber wir müssen vermeiden, dass nur noch der Hauptsitz einer Bank in der Schweiz, das operative Geschäft jedoch in London ist. Dann wäre es nur noch ein kleiner Schritt, auch den Hauptsitz zu verlegen. Heute besteht dieses Risiko.

Wie viel muss Pictet eigentlich für die Negativzinsen der SNB (SNBN 1110 -1.07%) bezahlen?
Einen zweistelligen Millionenbetrag, Vermögensverwaltungsbanken sind aufgrund der Struktur des Geschäfts übermässig betroffen.

Sie finden, die Vermögensverwalter werden ungerecht behandelt von der SNB?
Völlig ungerecht. Der sicherste Teil der Bankbilanz wird besteuert. Ich finde das ziemlich absurd, dass ausgerechnet diese Banken bestraft werden, die ihre Bilanz am konservativsten führen. Das verzerrt den Wettbewerb. Banken, die zu wenig Liquiditätsreserven haben, schöpfen ihren Freibetrag nicht aus und müssen keine Negativzinsen bezahlen.

Die SNB-Leute sagen, jeder geldpolitische Entscheid habe Nebenwirkungen.
Dieses Argument ist mir bekannt. Aber es geht um das Ausmass der Nebenwirkungen. Sie sind enorm. Negativzinsen sind grundsätzlich zu hinterfragen. Es gibt Wege, wie diese ungerechte Behandlung behoben werden könnte.

Welche?
Keinen Freibetrag festsetzen oder nur die gesetzlichen Mindestreserven. Dann wären alle Banken betroffen, auch die Grossbanken. Sie würden die Negativzinsen an ihre Kunden überwälzen. Wenn die Marktführer das machen, könnten es alle tun. Der Transmissionsmechanismus der Geldpolitik wäre viel schneller und effektiver gewesen, und der Euro-Franken-Kurs wäre heute deutlich über 1.10. Einige argumentieren gar, dass die SNB verfassungswidrig entschieden und das Prinzip der Rechtsgleichheit und der Verhältnismässigkeit verletzt hat.

Wie viel von den 151 Mrd. Fr. von Pictet Asset Management ist interne Wealth-Management-Kundschaft?
Etwa 10%. 90% verwalten wir für Drittkunden. Bei Pictet Asset Management erwirtschaften wir etwa 20% des Umsatzes mit Schweizer Kunden, 80% sind Export. Der Gewinnbeitrag des Asset Management für die Pictet-Gruppe ist gleich bedeutend wie derjenige des Wealth Management. Das macht uns mit einer Ausnahme einzigartig in der Schweiz. Bei den meisten Banken ist das Asset Management kaum mehr als ein Rundungsfehler.

Könnte sich Pictet Asset Management als Pure Player denn nicht besser entwickeln?
Pictet Asset Management stärkt das Image des Wealth Management gewaltig. Es kommt vor, dass Pictet Asset Management ein neues Produkt lancieren will und dafür erste Kunden sucht. Sie kommen oft aus dem eigenen Wealth Management. Das erlaubt uns, einen Track Record aufzubauen und das neue Produkt breiter auszurollen.

Wie gehen Sie denn mit dem grossen Trend des passiven Investierens um?
Wir haben auch ein Indexierungsteam für Aktien. Heute ist rund ein Drittel der Gelder im Aktienbereich indexiert. Je mehr Kunden passiv investieren, desto grösser werden wieder die Chancen des aktiven Managements. Im festverzinslichen Bereich ist es nicht verantwortungsvoll, indexiert zu investieren. Die meisten festverzinslichen Indizes sind marktgewichtet. Das macht keinen Sinn: Je stärker Italien oder Japan sich verschulden, desto mehr muss in diese Länder investiert werden. Das ist dumm. Wir wissen alle, dass Japan oder Italien die grösste Mühe haben werden, ihre langfristigen Schulden zurückzuzahlen.

Ein Grund, weshalb passive Produkte so gefragt sind, waren die Kosten.
Preisdruck hat es immer gegeben. Wir haben heute bei Pictet Asset Management praktisch die gleiche Bruttomarge wie vor fünfzehn Jahren. In der Tat sind die Verwaltungsgebühren völlig unterschiedlich, ob Sie ein Indexmandat für 3 Bp oder einen Hedge Fund für 300 Bp verwalten.

Wie können Sie gegen einen Giganten wie BlackRock bestehen?
BlackRock ist stark im Indexierungsgeschäft, heisst es. Doch sind sie besser als wir? Ich glaube, nein, zumindest sagen uns das unsere Kunden.

Was verdienen Sie im Asset Management?
Im Durchschnitt etwa ein halbes Prozent auf den verwalteten Vermögen. Das ist seit zehn Jahren stabil, obwohl sich unser Business Mix völlig verändert hat. Das bleibt auch so. Im heutigen Marktumfeld mit Null- und Negativzinsen entstehen neue Anlagebedürfnisse. Der Erste, der sie befriedigt, verdient eine höhere Marge. Man muss einfach weiter vorausdenken als die Konkurrenz.

Schweizerische BankiervereinigungSeit Anfang April ist klar: Die Schweizerische Bankiervereinigung (SBVg) sucht einen neuen Präsidenten. Patrick Odier, der aktuelle Amtsinhaber, hat sich entschlossen, nach sieben Jahren an der Spitze am Bankiertag vom 15. September nicht mehr zur Wiederwahl anzutreten. Die Suche nach einem Nachfolger läuft.

Für Renaud de Planta ist klar, wer der neue Präsident der SBVg werden soll. «Jemand, der das Verständnis von Private Banking und Asset Management mitbringt und kommunikativ sehr stark ist.» Der neue Präsident solle das Asset Management und das Private Banking verkörpern. Es gehe vor allem um die internationale Dimension des Finanzplatzes. Es dürfe kein inlandorientierter Banker sein. Damit unterstreicht de Planta seine Aussagen, dass das Asset Management und das Private Banking ein Exportgeschäft seien. Dieser Aspekt müsse künftig wieder stärker im Zentrum stehen. Nur so habe der Finanzplatz Schweiz eine erfolgreiche Zukunft.

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