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10:03 Uhr - 27.08.2019

Vorerst mehr Kosten als Wachstum

Verwaltungsräte sind sich ihrer Verantwortung als Treiber der Digitalisierung bewusst. Es fehlt aber an Knowhow.

Die Digitalisierung ist definitiv in den Verwaltungsräten der Schweizer Unternehmen angelangt und hat sich dort als wichtigstes Thema eingenistet. Die Verwaltungsräte gehen die digitale Transformation in ihren Unternehmen pragmatisch an und betrachten sie als integralen Bestandteil der Unternehmensstrategie. Dies ist eine zentrale Erkenntnis des aktuellen SwissVR Monitors – einer Umfrage der Vereinigung SwissVR in Kooperation mit Deloitte und der Hochschule Luzern. 396 VR-Mitglieder von Schweizer Unternehmen verschiedener Grössen und Branchen haben teilgenommen.

Das Thema Digitalisierung ist laut der Umfrage das wichtigste Thema der nächsten zwölf Monate, vor zweieinhalb Jahren lag es noch auf dem vierten Rang. Vier von fünf VR-Mitgliedern sehen für ihr Unternehmen dank der Digitalisierung neue Geschäftsmöglichkeiten sowie Chancen für Mehrumsatz.

Besonders umfassende Chancen sehen Grossunternehmen und die Branche Informations- und Kommunikationstechnik (IKT). Trotz positiver Zukunftsperspektiven sind sich drei Fünftel der Befragten bewusst, dass die Digitalisierung hohe Investitionen erfordert und Mehrkosten mit sich bringt, die auf Margen drücken. Finanzdienstleister sowie Unternehmen aus Retail und Konsumgüter rechnen zudem mit überdurchschnittlichen Investitionen; ebenso Grossunternehmen.

Die Verwaltungsräte sehen die Digitalisierung kurzfristig als Kostenfaktor an, erhoffen sich aber langfristig mehr Umsatz und neues Geschäft. Es besteht aber die Gefahr, dass die Kosten bei der digitalen Transformation ausser Kontrolle geraten oder überdimensionierte Projekte die Gewinne wegfressen. Da hilft eine klare Führung und Verantwortungsübernahme durch die Geschäftsleitung, ein umfassendes Change-Management für alle betroffenen Unternehmensebenen sowie ein regelmässiges, seriöses Projektreporting.

Digitalisierung ist Chefsache

Bei der Umsetzung der digitalen Transformation sehen sich die Verwaltungsräte selbst auf gutem Wege. 15% der Befragten sind klar und weitere 45% eher der Meinung, das eigene Unternehmen sei bei der digitalen Transformation schon weiter fortgeschritten als ihre Mitbewerber. Am meisten Selbstsicherheit zeigten die Befragten aus der IKT- sowie der Retail und Konsumgüterbranche.

Ähnlich optimistisch sieht es bei der Frage aus, ob das eigene Unternehmen genügend rasch auf die Herausforderungen der Digitalisierung reagiert. 13% der Befragten stimmen vorbehaltlos, weitere 56% eher zu. Allerdings deute die Umfrage durchaus auf Vorbehalte bezüglich Umsetzungsstand und -tempo hin.

Wer im Unternehmen treibt nun die digitale Transformation voran? Drei Akteure stehen im Zentrum: Das VR-Gremium, der CEO und die Geschäftsleitung. Diese Einschätzung stimmt mit den Erfahrungen aus grossen Transformationsprojekten überein: Die Digitalisierung sollte als strategische Aufgabe von oben angestossen und vorangetrieben werden. Gleichzeitig muss die Kultur innerhalb des ganzen Unternehmens derart offen ausgestaltet werden, dass der digitale Wandel zugelassen wird und sich langfristig in den Köpfen aller Mitarbeitenden festsetzt.

Ethik nicht vernachlässigen

Haben Verwaltungsrat und Geschäftsleitung genügend Knowhow und Kompetenzen, um das Unternehmen erfolgreich in die digitale Zukunft zu führen? Nur ein Sechstel bis ein Fünftel der Befragten stimmt dem vorbehaltlos zu – es besteht also ein klarer Nachholbedarf. Die meisten Befragten sehen auch ein, dass sie mehr digitales Knowhow im VR brauchen und Weiterbildungen zur digitalen Transformation sinnvoll wären. Nun gilt es, konkrete Schritte einzuleiten. Erfreulich ist die Erkenntnis, dass 45% der Befragten in Betracht ziehen, bei absehbaren Vakanzen den Verwaltungsrat mit Personen zu ergänzen, die Spezialwissen im Bereich Digitalisierung mitbringen.

Etwas mehr als die Hälfte der VR-Gremien erweitern zudem ihr Digitalisierungswissen in internen Workshops oder externen Weiterbildungen. Und immerhin sind zwei Drittel der Befragten klar (20%) oder eher (47%) der Meinung, sie würden sich im VR genügend Zeit nehmen, um sich über Herausforderungen der Digitalisierung zu informieren und sich mit der Digitalisierungsstrategie des Unternehmens auseinanderzusetzen.

Eine weitere grosse Aufgabe steht vielen Verwaltungsräten noch bevor. Ethische Fragen und Herausforderungen der Digitalisierung werden nämlich noch zu wenig diskutiert: Nur 13% der Befragten beschäftigen sich regelmässig und ein Drittel gelegentlich damit.

Dank der Digitalisierung können Unternehmen günstigere und bessere Produkte und Dienstleistungen anbieten. Doch viele Kundinnen und Kunden haben längst erkannt, dass sie viele scheinbar kostenlose Angebote mit ihren Daten bezahlen. Automatisierung kann auch zu Arbeitsplatzabbau führen, datenbasierte Dienste greifen unter Umständen in die Privatsphäre der Benutzenden ein und falsch programmierte Algorithmen können zu Diskriminierungen führen.

Diese oder ähnliche Fragen erhalten in mehr als der Hälfte der Verwaltungsräte noch zu wenig Aufmerksamkeit. Im Zuge der wachsenden Bedeutung dieses Themas in Gesellschaft und Politik müssen sich die VR-Gremien künftig stärker damit auseinandersetzen und ihre Verantwortung wahrnehmen. Fehlentscheide könnten zu hohen Kosten führen und auch die Reputation gefährden.

Der SwissVR Monitor zeigt auch auf, dass die Digitalisierung die Arbeitsweise der Verwaltungsräte verändert hat. Sitzungsunterlagen werden fast nur noch elektronisch zugestellt, und verschiedenste elektronische Kanäle werden genutzt. Auf der anderen Seite kämpfen Verwaltungsräte gegen die gestiegene Komplexität an, sind sich aber auch der Sicherheitsrisiken (Cyberangriffe) beim elektronischen Datenaustausch bewusst.

Die Verantwortung kennen

Als Fazit aus der Umfrage zeigt sich, dass sich die Verwaltungsräte ihrer Verantwortung und ihrer Rolle als Treiber der digitalen Transformation bewusst sind. Gleichzeitig lassen sie sich angesichts der Omnipräsenz des Themas nicht zu kurzfristigen Aktionen hinreissen, sondern legen Pragmatismus an den Tag.

Sie stellen Optimierungspotenziale fest: Das Knowhow im VR im Bereich der Digitalisierung muss gezielt erweitert werden, was bei der Ernennung neuer VR berücksichtigt werden sollte. Der VR muss sich genügend Zeit für strategische Diskussionen zu Chancen und Risiken der Digitalisierung nehmen und sollte sich vermehrt mit ethischen Fragen zu den Auswirkungen beschäftigen.

Und wie schätzen die VR-Mitglieder aktuell die wirtschaftlichen Perspektiven ein? Wie der SwissVR Monitor zeigt, ist der Anteil der Befragten mit einer positiven Einschätzung der Konjunktur-Branchen und Geschäftsaussichten seit der letzten Erhebung weiter zurückgegangen.

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