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11:41 Uhr - 15.04.2016

Erwartungen zurückschrauben

Monatliche Zinskurve Schweiz: Investoren sollten sich daran gewöhnen, dass die Inflation dauerhaft niedriger bleiben könnte.

Immer öfter wird der Schweizerischen Nationalbank (SNB (SNBN 1046 -0.38%)) und anderen Zentralbanken vorgeworfen, ihre negativen oder extrem tiefen Zinsen enteigneten die Sparer und gefährdeten die Nachhaltigkeit der Altersvorsorge, weil sie die Rendite auf die Ersparnisse massiv reduzierten. Um zu klären, ob dieser Vorwurf zutrifft, gilt es zuerst zu klären, inwiefern Zentralbanken tatsächlich die (langfristigen) nominellen Zinsen beeinflussen.

In der Theorie entsprechen die langfristigen Zinsen, also etwa die eines zehnjährigen «Eidgenossen», dem Durchschnitt der erwarteten kurzfristigen Zinsen über die entsprechende Periode plus Risikoprämie. Unter der verbreiteten Annahme, dass die Risikoprämie über die Zeit konstant bleibt, hängen die langfristigen Zinsen direkt von den durchschnittlichen erwarteten kurzfristigen Zinsen ab. Und weil Zentralbanken die kurzfristigen Zinsen festlegen, reflektieren die Zinsen auf zehnjährige Staatsanleihen die für die kommenden zehn Jahre zu erwartende Geldpolitik.

Inflation gibt den Ausschlag

Die wichtigste Rolle in dieser Erwartungsbildung spielt die künftige Inflation. Schliesslich besteht der Auftrag der meisten Zentralbanken darin, die Preisstabilität mit Rücksicht auf die konjunkturelle Entwicklung zu gewährleisten. Geht der Markt davon aus, dass sich die Inflation unter dem Zielbereich der Zentralbank befinden wird, muss mit einer Lockerung der Geldpolitik gerechnet werden, sprich mit tieferen Leitzinsen.

Umgekehrt lässt die Erwartung einer höheren Inflation auf steigende Leitzinsen schliessen. Das derzeit tiefe Zinsniveau über alle Laufzeiten spiegelt somit die Erwartung, dass die Inflation noch länger verhalten (bzw. sogar negativ) bleiben wird. Hinsichtlich der Gründe für diese tiefe Inflationserwartung stehen zwei Hypothesen im Raum.

Erstens: Die Geldpolitik ist zu restriktiv. Einer der wichtigsten Vertreter dieser Hypothese, der ehemalige US-Finanzminister und Ökonom Larry Summers, geht davon aus, dass der Zins, bei dem die Wirtschaft sich in einem Gleichgewicht befindet (bei dem die Inflationsrate also konstant ist), derart stark im negativen Bereich ist, dass die Zentralbanken eigentlich nicht expansiv genug sind, um das Wirtschaftswachstum anzukurbeln und somit die Inflationserwartungen zu erhöhen.

Umdenken angesagt

Diese eher radikale These ist jedoch nicht unumstritten. Ein breiterer Konsens scheint für die zweite Hypothese zu herrschen, wonach strukturelle Faktoren wie Demografie, Freihandel und Globalisierung sowie technologischer Fortschritt die Inflation reduziert haben. Die tiefen Inflationsraten der letzten zwei Jahrzehnte haben wiederum die Inflationserwartungen gesenkt. Beiden Hypothesen gemeinsam ist die Schlussfolgerung, wonach die Zentralbanken die Zinsen nicht einfach so nach unten «drücken», sondern aufgrund der zu geringen Inflationserwartung «gezwungen» werden, die Leitzinsen tief zu halten.

Was bedeutet dies konkret für die Zinsen in der Schweiz? Erstens dürften die kurzfristigen Zinsen noch länger tief bleiben. Solange die Europäische Zentralbank keine Zinserhöhung erwägt, dürfte die SNB an den Negativzinsen festhalten, um eine Aufwertung des Frankens zu vermeiden. Die längerfristigen Zinsen werden zweitens erst dann steigen, wenn die Wirtschaftsakteure höhere Inflationsraten erwarten. Dies bräuchte aber mehr Vertrauen in die globale wirtschaftliche Erholung. Drittens scheint das Zinsniveau aufgrund der strukturell tieferen Inflation generell tiefer zu sein als noch vor der Jahrtausendwende. Ein Umdenken bei der zu erwartenden (nominellen) Rendite wäre also angebracht.

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