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16:01 Uhr - 11.11.2016

«Direct Lending bietet attraktive Mehrrendite»

In Privatfinanzierungen investieren bringt Renditevorteile, teils sogar mit weniger Risiko als bei öffentlichen Anleihen, sagt VR-Präsident Pascal Böni von Remaco im Interview.

Herr Böni, die Direktfinanzierung von Unternehmen, das sogenannte Direct Lending, gehört zu den Spezialitäten Ihres Hauses. Wie gross ist die durchschnittliche Mehrrendite dieser Anlagen, die eine Alternative zu kotierten Anleihen sind?
Die Mehrrendite kann bedeutend sein, muss aber differenziert betrachtet werden. Wir haben über 4750 europäische öffentliche und private Anleihenemissionen und mehr als 1650 Private-Debt-Funds von 2003 bis heute analysiert. Anleger in Private-Debt-Bonds, die am ehesten mit normal kotierten Anleihen verglichen werden können, erhalten im Durchschnitt eine Mehrrendite von 1,4 Prozentpunkten. In einzelnen Sektoren, etwa für Industrieunternehmen, sind es durchschnittlich 1,7 Prozentpunkte. Bei Fonds beträgt die Rendite des investierten Kapitals in  Europa rund 8,7%. Sie finanzieren rund 70% im Senior-Debt-Bereich, haben also ein attraktives Risikoprofil.

Rennen Ihnen Investoren auf der Jagd nach Rendite die Türen ein?
Pascal Böni Bild: ZVGDie Renditen sind wie geschildert attraktiv. Doch sowohl Einzelanlagen in Bonds als auch in Fonds weisen ein Hindernis auf: Sie sind nicht liquide, das heisst, man muss sie bis Endverfall halten. Für solche Anlagen kommen deshalb in der Regel nur qualifizierte und sehr vermögende private oder institutionelle Investoren wie Pensionskassen, Versicherungen und Unternehmen mit langfristig orientierter Anlagepolitik in Frage. Für diese Anleger gibt es viele Opportunitäten, die sie zunehmend nutzen. In der Schweiz ist das Segment aber noch in Entwicklung.

Weshalb scheuen die Anleger das Thema?
In den USA sind grosse Pensionskassen bereits seit einiger Zeit im Segment der Senior Secured Loans, SSL, investiert, und es dürfte nur eine Frage der Zeit sein, bis Institutionelle auch in Europa und in der Schweiz ihre Allokation erhöhen. Teils kämpfen sie mit regulatorischen Hürden. Das dürfte aber im Verlauf des Jahres 2017 gelöst sein.

Wie gross ist das Marktpotenzial?
zoomDie Banken sind mit Basel III, dessen Vorschriften erst jetzt stringent umgesetzt werden, und Basel IV, das weitere Finanzierungsrestriktionen mit sich bringen wird, in ein enges Korsett gekleidet. Ein Blick auf die Verschiebungen weg von der Bank- hin zur Marktfinanzierung zeigt, dass das Potenzial sehr beträchtlich ist. Wenn auch europäische Banken sich dem US-Kapitalmarktsystem weiter annähern, wovon Experten ausgehen, werden riesige Kapitalumschichtungen in den Private-Debt-Markt stattfinden. Heute werden in den USA nur noch rund 20% der Kapitalbedürfnisse von Unternehmen durch Banken abgedeckt. In Europa und in der Schweiz sind es 60%, nach 80% vor fünf Jahren. Institutionelle Investoren in Europa stehen erst an der Startlinie.

Auch in der Schweiz?
Viele Firmen, auch kotierte, nutzen Private-Debt-Finanzierung. In Europa wird rund die Hälfte aller Finanzierungen von kotierten Gesellschaften umgesetzt. In der Schweiz haben bisher erst wenige Platzierungen stattgefunden. Ich rechne deshalb mit einem starken Anstieg der Private-Debt-Volumen auch in unserem Land.

Von welchen Vorteilen – im Vergleich zu Bankkrediten oder öffentlichen Platzierungen – profitieren die Schuldner?
Die Schwelle liegt tiefer. So kann schon ab einer Summe um 25 Mio. Fr. finanziert werden. Auch dass die öffentliche Transparenz wegfällt, die sich aus einer Kotierung zumeist ergibt, reduziert die Kosten.  Gegenüber der Bankfinanzierung liegt der Hauptvorteil in der Möglichkeit, flexibel über die verschiedenen Senioritätsstufen – Senior- und Junior-Debt – sowie Finanzierungsarten – auch Mezzanine oder Mischformen – Kapital zu beschaffen.

Wohin fliesst am meisten Kapital?
In klassische Senior-Debt, also vorrangige  Forderungen, gefolgt von Blended-Debt und Unitranche-Finanzierungen – eine neue Finanzierungsart, in der in einem Wertpapier oder in einer vertraglichen Vereinbarung unterschiedliche Risikoklassen zusammengefasst werden. Letzteres dürfte auch für Schweizer Unternehmen von grossem Interesse sein, denn was früher die Bank konnte – die umfassende Finanzierung aus einer Hand – wird aus regulatorischen Gründen zunehmend schwierig. Private-Debt-Finanzierer positionieren sich deshalb als System-Provider mit umfassender Kompetenz.

Sind das auch für die Investoren die attraktivsten Sektoren, oder leidet unter der wachsenden Nachfrage die Rendite?
Klassische Senior-Debt-Finanzierungen sind für Anleger sehr spannend. Sie haben ein durchschnittliches Rating knapp unter Investment-Grade (BB+) und liefern entsprechende Renditen. Darüber hinaus sind sie oft besichert. Finanzierungen aus einer Hand als Unitranche strukturiert werden aller Voraussicht nach vermehrt nachgefragt werden, weil verschiedene Risikoklassen – Senior-Debt, Junior-Debt, Mezzanine-Kapital – so oder so aufeinander abgestimmt werden müssen, vertraglich wie auch konditionenseitig und hinsichtlich einer allfälligen Besicherung.

Wie ist – nach Kosten – die Zielrendite dieser unterschiedlichen Kategorien?
Die Zielrendite hängt natürlich auch im Direct Lending vom Risiko ab. Für vergleichbare Risiken darf von einem erhöhten Spread von etwa 30% ausgegangen werden, je nach Laufzeit, Industriesegment und Unternehmenstyp unterschiedlich. Im Durchschnitt wäre das für einen BBB-Bond rund 3 bis 4% und für einen BB+-Bond rund 5 bis 5,5%. Dies bei geringen Ausfallwahrscheinlichkeiten für ein Jahr von unter 0,2%. Bei Mezzanine-Bonds ist die Zielrendite nochmals deutlich höher. Bei Fonds ist die Grösse entscheidend. Kleinere Fonds haben eher Mühe, gute Ergebnisse zu liefern, und die Rendite ist deutlich geringer, denn professionelle Teams haben eine gewisse Kompetenz und Grösse, was entsprechende Kosten verursacht.

Hoch im Kurs stehen Infrastrukturanlagen. Dieser Sektor bietet vor allem bei knappen Kassen der öffentlichen Hand Potenzial. So wäre es denkbar, dass grosse Infrastrukturprojekte auch in der Schweiz gemeinsam mit der Privatwirtschaft finanziert werden. Geografisch bieten sich in Ländern mit starkem Investorenschutz die besten Opportunitäten.

Der Anlagechef der Baloise (BALN 122.8 -0.41%) warnte jüngst in einem FuW-Interview vor Anlagen in Infrastrukturprojekte unter Staatskontrolle.  Die Risiken, etwa bei einem Regierungswechsel, seien zu gross. Was meinen Sie?
Ich teile die Meinung: viele Grossprojekte im Energiesektor, die zum Investitionszeitpunkt als risikoarm eingestuft wurden, erlebten Überraschungen. So wurden beispielsweise Einspeisepreise in Deutschland unerwartet angepasst. Soweit also Projekte unter staatlicher Beteiligung finanziert werden, ist darauf zu achten, dass das Preis-/Mengengerüst eines Businessplans nicht durch politische Entscheide wie Preisfestsetzung oder Kontingentierung beeinflusst werden können.

Die Illiquidität haben Sie genannt. Wo gibt’s bei Private Debt sonst noch Risiken, für die Anleger entschädigt werden müssen?
Im Allgemeinen ist die Risiko-/Ertragsstruktur von Private-Debt-Anlagen sehr attraktiv. Sie weisen teils sogar bessere Risiko-Kennzahlen auf – etwa Leverage- oder Rating-Kennzahlen – als Anlagen an den öffentlichen Märkten. Dies ist auch als Konsequenz der genauen Prüfung zu sehen, die in diesem Bereich stattfindet. Denn genau das ist die Herausforderung,  denn immerhin ist man meistens für viele Jahre gebunden. Noch mehr als bei liquiden Anlagen gilt es, die Sorgfalt und die professionelle Prüfung vor den Renditehunger zu stellen.

Was ist ratsamer, Fonds oder Einzelanlage?
Das Private-Debt-Geschäft ist in Europa relativ neu. Rund 70% der Fonds wurden während und nach der Finanzkrise gegründet. 2015 haben europäische Fonds erstmals mehr Kapital erhalten als amerikanische. Die meisten erfolgreichen Fonds sind allerdings geschlossen und bieten selbst grossen Anlegern keinen einfachen Zugang. Es stellt sich also die Frage, ob ein Anleger selber für Direktanlagen organisiert ist oder über qualifizierte Berater mit direktem Zugang zu guten Transaktionen und/oder erfolgreichen Fonds verfügt.

Weshalb rentieren Fonds besser?
Die höhere Rendite beruht teils auf Finanzierungen mit höheren Risiken, Stichwort  Mezzanine, oder solchen mit Leverage. Das kann auch mit Direktanlagen repliziert werden, abhängig vom Risikoappetit.

Gibt es Pläne, dass sich auch Privatanleger an Private Lending beteiligen können?
Bei der Finanzierung von Konsumkrediten gibt es für Privatanleger schon heute Möglichkeiten mit attraktiven Renditen und tiefem Beta, wenngleich die Volumen oft tief sind. Sonst kommen eigentlich nur qualifizierte Anleger infrage. Unter einem Betrag von 5 bis 10 Mio. Fr. in einen Fonds und 1 Mio. Fr. in ein Direct-Lending-Geschäft ist meist kein Zugang möglich. Das wird sich kurzfristig nicht ändern.

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