Wegen der hohen Energiepreise scheut auch die SVP marktwidrige Eingriffe nicht. Ein Ausbau des Fürsorgestaates ist unnötig. Ein Kommentar von Arno Schmocker.
In der Krise wächst der Staat. Die Coronapandemie hat die Finanzdisziplin auch in der Schweiz aufgeweicht und die Geldschleusen des Bundes sperrangelweit geöffnet. Nun, da die Energiepreise so rasch und heftig in die Höhe geschossen sind wie noch nie, erschallen die Rufe nach dem Fürsorgestaat gleich wieder im Handumdrehen.
Von linker Seite ist man sich derlei gewohnt. Die ständige Forderung, der Staat möge es richten, gehört zu ihrer politischen Essenz. Wenn indessen eine «bürgerliche» Partei wie die SVP postuliert, wie sie es in dieser Woche erneut getan hat, dass auch die privaten Haushalte vor den explosionsartig gestiegenen Energiepreisen zu schützen seien, ist das besonders bedenklich; neu ist die partiell marktfeindliche Haltung der grössten Schweizer Partei mit Blick auf ihre Landwirtschaftspolitik freilich nicht. Man schielt überdies wohl bereits auf die Parlamentswahlen im kommenden Herbst.
Die Partei will sogar eine Obergrenze der Energiepreise prüfen, hat SVP-Nationalrat Mike Egger auf SRF verlauten lassen. Die Partei geriete damit ins Fahrwasser etlicher Länder in Europa, die bereits eine Deckelung beschlossen haben. Von einer solchen sollen «alle» in der Schweiz profitieren. Das klingt nach Kollektivismus. Die in der Pandemiezeit gewachsene Anspruchshaltung gegenüber dem Staat würde zusätzlich genährt.
In einer freien Marktwirtschaft hat der Preis eine Lenkungsfunktion. Eine künstliche Obergrenze würde diese verzerren und falsche Anreize setzen. Hohe Preise dämpfen die Nachfrage bzw. den Verbrauch. Das passt nicht nur zum aktuellen Appell an die Bevölkerung, weniger Energie zu verschwenden, sondern schafft auch Anreize, Massnahmen zugunsten der Energieeffizienz zu beschleunigen.
Die Belastung durch hohe Preise sollte auch aus anderen Gründen nicht mit Markteingriffen durch den Staat abgefedert werden. Sie führen zu unerwünschten Mitnahmeeffekten, indem viele profitieren, die eine Entlastung gar nicht nötig hätten. Sinnvoller ist es, einkommensschwache Haushalte direkt und auf möglichst unbürokratische Weise während einer begrenzten Zeit zu unterstützen.
Der Bundesrat hat sich bisher zurückgehalten, die für einige gewiss schmerzhaft hohen Energiepreise mit monetärem Morphium zu dämpfen. SVP-Bundesrat Ueli Maurer sagte öffentlich, der Bund habe kein Geld übrig. Der Haushalt musste 2020 und 2021 hohe Bürden für die Bewältigung der Coronakrise tragen, im Finanzierungssaldo klaffte ein Defizit von insgesamt 27,5 Mrd. Fr.
In diesem und im nächsten Jahr stimmt der Saldo zwischen Einnahmen und zulässigen Ausgaben einigermassen. Doch in der Folge drohen erheblich strukturelle Defizite. Für 2025 und 2026 wurde das erst im Juni kommunizierte Manko von 1,3 auf je ungefähr 3 Mrd. Fr. erhöht, weil die vom Parlament beschlossenen zusätzlichen Verbilligungen von Krankenkassenprämien in den Finanzplan integriert wurden. Aber auch in der Schweiz gilt: Das staatliche Füllhorn ist nicht unendlich gross.
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