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11:01 Uhr - 05.10.2017

Das Ende des globalen Wachstumstiefs

Gemäss den Frühindikatoren der Industrie könnte die Weltwirtschaft bald wieder mehr als 4% pro Jahr wachsen. Der Boom geht von den USA und Europa aus.

Die fetten Jahre sind nicht vorbei – sie fangen gerade an. Das geht aus den Umfragen unter den Chefeinkäufern im Industriesektor hervor. Der daraus abgeleitete Einkaufsmanagerindex (Purchasing Managers Index, PMI) nähert sich vielerorts dem Allzeithoch.

Namentlich in der Schweiz, in den USA und in Deutschland boomt das verarbeitende Gewerbe wie schon lange nicht mehr. Die Auftragsbücher sind voll, die Produktion wird Monat für Monat gesteigert und neue Leute werden eingestellt.

Doch nicht nur im Westen läuft der Konjunkturmotor auf Hochtouren. Der Aufschwung ist breit abgestützt und hat fast alle Weltregionen erfasst. Bis auf Südafrika liegt der PMI in allen grösseren Volkswirtschaften über der kritischen Grenze von 50.

Werte darüber signalisieren eine Expansion der Industrieproduktion und sind in der Tabelle blau gefärbt. Werte darunter (rot) zeigen einen Rückgang der Aktivität (vgl. Textbox unten).

Industrieboom in den USA

Im September notierte der nach Wirtschaftsleistung gewichtete globale Industrie-PMI  auf 53,2 Punkten, dem höchsten Niveau seit sechs Jahren. Gemäss Capital Economics entsprechen die globalen PMI-Werte einem Wirtschaftswachstum von über 4%. So schnell ist die Weltwirtschaft seit dem Jahr 2011 nicht mehr gewachsen.

Besonders eindrücklich ist die Entwicklung in den USA, wo sich die Industrie von der Schwächephase vor einem Jahr kräftig erholt hat. Im September ist der Manufacturing-Index des Institute for Supply Management (ISM) um ganze zwei Punkte auf 60,8 gestiegen.

Damit notiert das älteste und zuverlässigste Konjunkturbarometer auf dem höchsten Niveau seit 2004. Siebzehn von achtzehn Branchen vermeldeten eine Produktionssteigerung.

Weder das Chaos im Weissen Haus noch die Hurrikan-Saison scheinen den Aufschwung zu bremsen. Die Wirbelstürme haben zwar dazu beigetragen, dass deutlich mehr Unternehmen mit steigenden Preisen für Rohstoffe und Vorprodukte rechnen.

Doch das wirft die US-Industrie nicht aus der Bahn. Sie profitiert vom schwächeren Dollar, der sich dieses Jahr gegenüber den wichtigsten Handelswährungen 10% abgewertet hat.

Frankreich ist zurück

Die Kehrseite des schwächeren Dollars ist die Eurostärke. Doch diese habe den Exporten aus der Währungsunion bislang nicht geschadet, erklärt Chris Williamson, Chefökonom vom Datenanbieter IHS Markit, der die Einkaufsmanagerumfragen durchführt und auswertet.

Tatsächlich steht der Industriesektor der Eurozone dem Boom in den USA in nichts nach und hat im September ebenfalls noch einen Gang höher geschaltet.

Der PMI für die Eurozone ist von 57,4 auf  58,1 geklettert. Höher lag der Index in den letzten 17 Jahren nur einmal. Der Subindex für die Kategorie «Auftragsbestand» ist auf dem höchsten Stand seit elf Jahren.

Das veranlasst die Unternehmen, die Beschäftigung in Rekordgeschwindigkeit aufzubauen. Der entsprechende Teilindex liegt auf einem Allzeithoch.

Alle von der Umfrage erfassten Länder vermelden einen Produktions- und Auftragszuwachs. An der Spitze liegt Deutschland, dessen PMI auf 60,6 gestiegen ist und damit ein neues Sechsjahreshoch erreicht hat.

Hinter Deutschland folgen die Niederlande und Österreich. Doch auch der Süden und Westen der Eurozone hält mit: Das italienische Industriebarometer deutet mit 56,3 unverändert auf eine robuste Erholung hin.

Und Frankreichs Industriesektor befindet sich nach jahrelanger Stagnation ebenfalls auf der Überholspur. Mit 56,1 Punkten markiert der französische PMI einen neuen Mehrjahresrekord.

Auch der spanische Frühindikator liegt mit 54,3 komfortabel über der Wachstumsgrenze. Selbst im krisengeplagten Griechenland notiert der PMI über 50. Der bescheidene Wert von 52,8 bedeutet sogar ein Neunjahreshoch.

Mit dem Aufschwung in der Eurozone nimmt der Inflationsdruck zu. Gemäss den PMI-Umfragen hat sich der Anstieg der Einkaufspreise weiter beschleunigt.

Angesichts einer aktuellen Konsumentenpreisinflation von 1,5% erhöht sich dadurch der Druck auf die Europäische Zentralbank (EZB), die Geldpolitik zu normalisieren. In der nächsten Sitzung am 26. Oktober könnte sie die Reduktion des Anleihenkaufprogramms ankündigen.

Die Nachfrage aus der Währungsunion füllt auch die Auftragsbücher der hiesigen Unternehmen. Gemäss dem Branchenverband procure.ch und der Credit Suisse (CSGN 15.48 -0.13%) ist der Schweizer PMI im September auf 61,7 gestiegen und notiert so hoch wie zuletzt im Februar 2011. Besser läuft die Industriekonjunktur nur in Schweden, dort steht der Index auf 63,7.

China hat sich stabilisiert

Der stärkste Industrie-Aufschwung seit sechs Jahren hat seine Wurzeln in Europa und den USA. In den asiatischen Volkswirtschaften ist der Trend weniger steil.

Doch allgemein geht es auch dort aufwärts: In den drei grössten Industriestandorten China, Japan und Südkorea liegen die Frühindikatoren in der Wachstumszone. Die japanische Industrie wächst robust, wie der Anstieg des Einkaufsmanagerindex auf 52,9 belegt.

In China sind die Signale allerdings widersprüchlich. Mit 52,4 Punkten zeigt der offizielle Industrie-PMI das höchste Wachstumstempo seit April 2012. Der alternative Index des Medienkonzerns Caixin und IHS Markit ist dagegen von 51,6 auf 51 gefallen. In den anderen grossen Schwellenländern Russland, Brasilien und Indien befindet sich die Industrie ebenfalls auf einem flachen Erholungspfad.

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