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07:02 Uhr - 13.05.2019

Zinswende, aber anders als gedacht

Staatsanleihen sind wieder hoch im Kurs. Auch negative Renditen schrecken Anleger nicht ab.

Die Zinswende wurde lange herbeigeredet. Zur Mitte des Jahres 2016, kurz nach dem Brexit-Entscheid, war es dann so weit. Die Zinsen auf Staatsobligationen in der industrialisierten Welt erreichten ihr Allzeittief. Die zehnjährige Anleihe der Eidgenossenschaft rentierte am 11. Juli 2016 mit –0,634%, hat es aber auch im Verlauf der nächsten Jahre kaum geschafft, sich über die Nulllinie zu bewegen.

Bereits Ende Dezember hatte die US-Notenbank eine erste Erhöhung des Leitzinses vorgenommen. Die Aktienanleger erschütterte dies nur kurz. Auch Immobilieninvestoren schienen weiterhin unbesorgt. Die europäische Zentralbank kaufte zu diesem Zeitpunkt noch in grossem Umfang Staatsobligationen der Mitgliedsländer auf. In der Spitze betrugen die Käufe 80 Mrd. € pro Monat.

Die EZB stellte das Kaufprogramm zum Ende des Jahres 2018 ein. Die Zentralbank bleibt aber Grossinvestor und somit Verzerrfaktor im Markt. Sie tätigt weiterhin für auslaufende Papiere Ersatzkäufe. Gemäss Schätzungen der Geschäftsbanken bewegen sich die Reinvestitionen in Staatsanleihen im laufenden Jahr zwischen 170 bis 200 Mrd. €.

Seit Ende 2018 korrigieren die Zinsen nach unten. Der Handelskrieg zwischen den USA und China dämpft die Marktstimmung. Die Veröffentlichung schwacher Wirtschaftsdaten rund um den Globus befeuerte zwischenzeitlich die Sorge um eine Konjunkturabkühlung. Die Federal Reserve legte ihren Zinserhöhungszyklus erst einmal auf Eis.

Der Rückgang der Langfristrenditen führt zu einer leicht invertierten Zinsstrukturkurve in den USA: Die langfristigen Marktzinsen liegen unter den kurzfristigen. Dies kann als Rezessionsanzeichen gelesen werden. Wie verlässlich die Inversion als Frühindikator für eine Rezession ist, wird heiss diskutiert.

Darüber hinaus bleibt Inflation die grosse Abwesende. Vielerorts in der entwickelten Welt sind die Arbeitsmärkte ausgetrocknet, ohne zu deutlichen Lohnerhöhungen zu führen. In der Schweiz lag das durchschnittliche Nominallohnwachstum 2018 bei schmalen 0,5%, trotz starker Konjunkturlage. Die Inflationsrate in den USA bleibt bislang von höheren Importzöllen auf chinesische Waren weitgehend unbeeindruckt.

Somit befinden sich die Zinsen in Europa auf einem Niveau wie zuletzt im Jahr 2016. Nach wie vor finden sich Käufer für negativ verzinste Staatsanleihen.

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