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17:07 Uhr - 03.03.2022

«Gletscher-Initiative» schmilzt

Realistische Energiepolitik ist gefragt. Verbote schaden der Versorgungssicherheit. Ein Kommentar von FuW-Redaktor Arno Schmocker.

Schon der Name führt in die Irre: Die «Gletscher-Initiative» suggeriert, eine Annahme werde das unbestreitbare Schmelzen der Alpenfirne eindämmen. Eingereicht im November 2019 vom Verein Klimaschutz Schweiz, will sie das im Pariser Abkommen festgehaltene Netto-null-Ziel in die Verfassung schreiben. Das Land soll ab 2050 nicht mehr Treibhausgase ausstossen, als in natürlichen Reservoirs dauerhaft gespeichert werden kann. Dagegen ist schwerlich etwas einzuwenden.

Aber wie in nahezu allen Volksinitiativen sind die Massnahmen in der Vorlage «Für ein gesundes Klima (Gletscher-Initiative)» zu einschneidend. Ein absolutes Verbot fossiler Brenn- und Treibstoffe wie Erdöl, Erdgas (NG 4.79 +4.18%), Benzin und Diesel, wie die Initianten es fordern, ist unvernünftig. Wer weiss schon, wie sich die Versorgungssicherheit in der Schweiz sowie Technologien in den nächsten drei Jahrzehnten entwickeln.

Folgerichtig hat der Bundesrat nach Zustimmung einer Mehrheit der Kantone einen direkten Gegenentwurf vorgelegt, der von einem starren Bann absieht und im Unterschied zur Initiative überdies Rücksicht nimmt auf Folgen für die Volkswirtschaft und – derzeit aktueller als auch schon – die Sicherheit des Landes. Auch soll den Bedürfnissen der Bevölkerung namentlich in den Berggebieten Rechnung getragen werden – die Ablehnung des CO2-Gesetzes ausserhalb städtischer Regionen im vergangenen Juni lässt grüssen.

Nach einer mehrere Stunden dauernden Monsterdebatte hat der Nationalrat am Donnerstag die Vorlage recht knapp abgelehnt, den Gegenvorschlag der Landesregierung indessen klar angenommen. Da war auch Taktik im Spiel, denn die meisten Befürworter des Gegenentwurfs bevorzugen ohnehin einen dritten Weg: Bis zur Sommersession im Juni gedenkt die Umweltkommission der grossen Kammer einen indirekten Gegenvorschlag zu präsentieren. Er hätte den Vorteil einer rascheren Umsetzung über den Gesetzesweg, ohne Verfassungsbestimmung.

Um die Wahrscheinlichkeit einer Annahme zu erhöhen, müsste der Alternativvorschlag flexible Zwischenziele für die Absenkung der Treibhausgase enthalten. Und solange ein Preisschild für Umweltmassnahmen fehlt, ist ein Teil der Bevölkerung für langfristige Grossprojekte nicht (mehr) zu gewinnen. Die Bürger wollen wissen, was ungefähr finanziell auf sie zukommt.

Den Verbrauch fossiler Energieträger langfristig zu senken, ist sinnvoll. Sie verursachen drei Viertel der Emissionen von Treibhausgasen in der Schweiz. Es wäre allerdings blauäugig zu erwarten, dass das Klimaproblem gelöst wäre, sollte das Land die Ziele des Pariser Abkommens erreichen.

Die Schweiz stösst mickrige 0,2% der globalen Treibhausgase aus, pro Jahr einen Bruchteil davon, was China an einem Tag in die Atmosphäre ausgibt. Seit 1990 sind die Emissionen auf Schweizer Territorium gemäss unverdächtiger Quelle, dem Bundesamt für Umwelt, trotz wachsender Wirtschaft 14% gesunken, pro Kopf deutlich mehr – hat sich der Gletscherschwund deswegen verlangsamt?

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