Kryptoanlagen gehen durch die Decke. Doch erst wenige Banken schlagen daraus Profit.
Wenn es abgeht an den Kryptomärkten, dann geht es ab. In den letzten zwölf Monaten hat der Bitcoin (in US-Dollar) um 265% zugelegt, der Ether, die Währung der Ethereum-Blockchain, um fast 1000%. Dagegen haben auch die heissesten globalen Aktienmärkte wie die US-Tech-Börse Nasdaq (+36%) oder der stärkste europäische Index, der österreichische ATX (ATX 3'872.22 -0.23%) (+61%), keinen Stich. Wie die Aktienmärkte folgen auch die Märkte für Kryptowährungen einem zyklischen Muster. Der aktuelle Zyklus scheint indes ausgeprägter zu sein als frühere, etwa in den Jahren 2018 oder 2020 (vgl. Grafik).
Vom Boom profitieren in der Schweiz bislang in erster Linie spezialisierte Anbieter von kryptobasierten Finanzprodukten wie Bitcoin (Bitcoin 60'826.89 -4.53%) Suisse, Crypto Finance und 21Shares oder spezialisierte Banken wie Seba oder Sygnum. Aber auch länger etablierte Institute wie der Online-Broker Swissquote oder der Spezialist für strukturierte Produkte Leonteq verdienen gut an den als spekulativ und sehr volatil verrufenen Krypto-Assets. Die Schweizer Grossbanken und viele Privatbanken verharren an der Seitenlinie.
This time it’s different
Im Vergleich zum Frühjahr hat sich der Kryptomarkt etwas beruhigt. «Nach einem einmalig starken Mai sehen wir eine gewisse Normalisierung», sagt Yann Isola von Swissquote (SQN 201.00 -2.19%), Experte für digitale Assets. Die Nachfragedynamik ist aber immer noch stark: «Wir befinden uns in einem Superzyklus», glaubt er. «Der aktuelle Zyklus wird hauptsächlich von nicht austauschbaren Tokens – Non Fungible Tokens, NFT – speziell aus dem Gaming-Bereich getrieben.» Gaming sei als Thema verständlicher als der letzte Zyklus 2020, als sich viele Tokens auf komplexe Protokolle und Konzepte der Decentralized Finance (DeFi) bezogen.
Der aktuelle Boom unterscheidet sich zudem aus anderen Gründen: «Jetzt kommt auch Nachfragedruck seitens institutioneller Investoren. Auch neue kryptobasierte ETF wurden aufgelegt», sagt Isola. Die Anlageklasse ist also dabei, im Mainstream anzukommen. Lothar Cerjak, Leiter Handel und Brokerage beim grössten Schweizer Kryptospezialisten, Bitcoin Suisse, sagt: «Die Akzeptanz nimmt auf breiter Front zu. Die Nachfrage von institutionellen Kunden wie Family Offices oder Hedge Funds hat deutlich angezogen.» Kryptos würden neu als eigenständige Asset-Klasse gesehen. «Das Vertrauen wächst», sagt er und glaubt, dass die Anlageklasse vermehrt auch der Diversifikation diene.
«Vor dem Hintergrund der aufflammenden Inflation wird sie womöglich als Inflationsschutz gesehen. Bitcoin hat in den letzten Monaten deutlich besser abgeschnitten als Gold», sagt er. Auch die Konsolidierungsphasen im Markt folgten jetzt schneller aufeinander. «Der Zyklus wird sich über Jahre positiv entwickeln. Krypto-Assets haben gegenüber anderen Anlageklassen viel Aufholpotenzial», glaubt Cerjak, so sei Krypto immer noch dreimal tiefer bewertet als Gold.
Lukrative Anlagen
Fest steht, Kryptoanleger verbuchen derzeit satte Kursgewinne. Anbieter solcher Anlagen machen derweil direkt mit der Handelsaktivität Geld: «Wir sehen mehr als eine Verdreifachung unserer Einnahmen aus Brokerage-Kommissionen in den ersten drei Quartalen», sagt Cerjak von Bitcoin Suisse, die neben Handel und Verwahrung auch Tokenisierung anbietet.
Auch Swissquote konnte die Einnahmen aus Kryptoanlagen stark steigern. Mit einem Volumen im Gegenwert von 1,9 Mrd. Fr. machen sie zwar nur einen Bruchteil des Kundenvermögens von rund 50 Mrd. Fr. aus. Der Ertrag daraus ist im ersten Semester aber auf rund 63 Mio. Fr. gestiegen, fast ein Viertel aller Einnahmen. Die Swissquote-Aktien sind in diesem Jahr mit einem Plus von 140% die erfolgreichsten Schweizer Finanzwerte.
Leonteq (LEON 68.00 +1.19%), ein kotierter Spezialist für strukturierte Produkte, hat den Ertrag aus Produkten mit Kryptowährungen als Basiswert zum Halbjahr auf 9,2 Mio. Fr. gesteigert, eine Vervielfachung gegenüber dem Vorjahr. Zum Gesamtertrag tragen Kryptoprodukte aber erst 5% bei. «Wir werden weiter in unsere Kryptoplattform investieren und unser Angebot erweitern. Krypto ist Teil unserer Wachstumsstrategie», sagt Manuel Dürr (DUE 38.72 -0.46%), Leiter des öffentlichen Vertriebs bei Leonteq. «Das Wachstum im Kryptobereich setzt sich bei uns gegenüber dem Vorjahr fort.» Die Leonteq-Aktien sind dieses Jahr über 90% avanciert.
Institutionelle wollen sich besonders in Bitcoin und Ethereum engagieren. «Sie suchen aber auch zunehmend nach Diversifikation in andere Krypto-Assets, die Zugang zu Smart-Contract-Plattformen oder DeFi-Protokolle bieten», sagt Dürr. Bitcoin und Ethereum seien noch immer dominant, «wir sehen aber eine graduelle Verschiebung zu anderen Krypto-Assets». Es sind Privatkunden, die eher an neuen, aufstrebenden Coins interessiert sind. Auch bei Swissquote ist eine Emanzipierung vom Bitcoin festzustellen. «Zeitweise wurden mehr Ether als Bitcoin nachgefragt. Daneben werden aber auch Cardano, Solana und Polkadot immer populärer», sagt Yann Isola.
Grosse an der Seitenlinie
Während spezialisierte Anbieter Gewinn einfahren, wollen sich etablierte Vermögensverwalter die Finger nicht verbrennen. Insbesondere die Schweizer Grossbanken sind im Gegensatz zu ihren internationalen Konkurrenten zurückhaltend. Obschon UBS (UBSG 16.80 +0.66%) als digital fit gilt und mehrere interne Blockchain-Projekte durchgeführt hat, gibt es kein offizielles Kryptoangebot. CEO Ralph Hamers hat Krypto jüngst als «Spekulation» und nicht als Investment bezeichnet, deshalb werde man es nicht anbieten, auch wenn Kunden nachfragten. CS habe wegen des Risiko-Ertrags-Profils von Kryptowährungen kein Angebot, sagt ein Sprecher.
Ähnlich klingt es bei der Genfer Privatbank Pictet, wo man gemäss einem Sprecher die Entwicklungen zurzeit lediglich verfolge. Die Zürcher Konkurrenz wagt sich weiter aus dem Fenster. Als erste europäische Bank bot Vontobel (VONN 78.75 -0.69%) ab 2017 strukturierte Produkte auf Kryptowährungen an und setzt sie auch in der eigenen Vermögensverwaltung ein. Die grössere Julius Bär (BAER 66.74 +0.21%) verfügt seit vergangenem Jahr via die spezialisierte Seba Bank über ein Kryptoangebot für ihre reiche Kundschaft. Und sogar ein ganz kleines Institut wie die Zürcher Privatbank Maerki Baumann bietet seit diesem Jahr ein eigenes Kryptomodul an. Für Etablierte wird es immer schwieriger, sich dem Kryptoboom zu entziehen.
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