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12:13 Uhr - 12.07.2016

Der Ölpreis bleibt volatil

Der Ölmarkt ist seit dem Brexit wieder stärker unter Druck. Droht der nächste Preisabsturz?

Der Ölpreis ist schwach in die Woche gestartet: Am Dienstagvormittag kostete ein Fass der Nordseeölsorte Brent (Brent 47.12 2.21%) nur noch knapp 47 $. Seit dem Brexit hat er zwischenzeitlich gut 10% verloren. Die Volatilität hat wieder zugenommen.

Die Stimmung der Anleger hat sich spürbar verschlechtert. Zwar setzt die Mehrheit der Spekulanten an den Rohstoffbörsen noch immer auf einen steigenden Ölpreis. Die Zweifel an einer nachhaltigen Erholung sind aber im Vergleich zu den Wochen vor dem britischen Votum für den Austritt aus der Europäischen Union (EU) deutlich gewachsen.

Die Zahl der Netto-Long-Positionen auf die Leichtölsorte WTI (WTI 45.44 1.95%) ist in der vergangenen Woche erneut gesunken. Insgesamt übertrafen an der Rohstoffbörse Nymex in New York die Positionen, die auf einen steigenden Preis setzen (Long-Positionen), diejenigen, die einen fallenden Preis erwarten (Short-Positionen), noch um 145’400 Kontrakte.

Sinkendes Angebot

Bis Mitte Juni schien es, als befinde sich der Markt bei einem Preis gegen 50 $ in einem neuen Gleichgewicht. Die Energy Information Agency (EIA) hat im Mai ihre Prognosen für das Überangebot im laufenden Jahr nach unten revidiert. Grund dafür ist der erwartete Angebotsrückgang ausserhalb des Ölpreiskartells Opec. Dort soll die tägliche Rohölproduktion 2016 um 0,7 Mio. Fass fallen. Zudem werde die steigende Nachfrage aus China dem Ölpreis Auftrieb verleihen.

Auf der Angebotsseite hat sich in den vergangenen Wochen fundamental wenig verändert.  In den USA ist die Ölproduktion weiter rückläufig. Gemäss der EIA notierte sie in der ersten Juliwoche mit 8428 Fass pro Tag auf dem tiefsten Stand seit zwei Jahren. Zu Spitzenzeiten im Juni 2015 betrug die tägliche US-Förderung noch 9600 Fass.

Die Opec-Produktion lag im Mai mit 32,36 Mio. Fass leicht unter dem Rekordwert vom April. Saudi-Arabien ist eigenen Angaben zufolge nicht an einem Ausbau der Förderung interessiert. Der saudische Energieminister Khalid al-Falih betonte am Sonntag an einem Klimatreffen in Berlin, dass der weltweit grösste Ölproduzent den Markt stabil halten wolle. Dazu sei ein Preis von mehr als 50 $ je Fass nötig. Saudi-Arabien förderte im Mai mit 10,2 Mio. Fass Rohöl am Tag etwas mehr als im Vormonat.

Opec verliert Einfluss

Die Zugeständnisse Saudi-Arabiens und die Stabilisierung der Gesamtfördermenge in der Opec können aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass das Ölpreiskartell an Einfluss verloren hat. Die Verhandlungen in Doha und Wien in diesem Jahr haben grundsätzliche Interessenkonflikte zwischen den Mitgliedstaaten offenbart.

Der Organisation fehlen die Mittel, um dagegen vorzugehen, wie der Fall des Iran zeigt. Teheran baut die Produktion ungehindert weiter aus. Im Mai ist die Förderung nochmals leicht auf 3,56 Mio. Fass pro Tag gestiegen. Die Regierung will die durch die US-Wirtschaftssanktionen eingebüssten Marktanteile zurückgewinnen.

USA wird zum «Swing»-Produzenten

Durch die abnehmende Preiskontrolle der Opec rückt die US-Produktion in den Fokus. Die Daten zur Förderung in den USA werden mit Anspannung verfolgt und sorgen immer wieder für grosse Preisbewegungen.

Wie sensibel der Markt derzeit auf preissenkende Neuigkeiten aus den USA reagiert, zeigte sich vergangenen Freitag, als der US-Öldienstleister Baker Hughes die neusten Zahlen zur US-Ölförderung publizierte. Im Vergleich zur Vorwoche ist die Zahl der aktiven Bohrungen um zehn auf insgesamt 350 gestiegen. Der leichte Anstieg war genug, um den Preis unter Druck zu setzen. Allerdings ist diese Angabe für die tatsächlich geförderte Menge nicht repräsentativ. 

Zum Vergleich: Vor einem Jahr waren in den USA nach Angaben des Ölserviceunternehmens knapp doppelt so viele Bohrungen aktiv. Die US-Produktion ging im selben Zeitraum nur 12% zurück.

Unsichere Nachfrage

Fragen wirft derzeit auch die Stabilität der Nachfrage auf. China hat in den vergangenen Monaten stetig weniger Rohöl importiert. Gemäss einem Bericht der Nachrichtenagentur Reuters hat die chinesische Nachfrageflaute den Preis kurzfristig belastet.

Der Rückgang allein ist gemäss Ralph Leszczynski vom Broker Banchero Costa noch kein Grund zur Sorge. Die Importvolumen seien aufgrund des rekordtiefen Preises Anfang Jahr sehr hoch gewesen. China habe die Lager gefüllt, um von den guten Konditionen profitieren zu können. In den nächsten Monaten wird sich zeigen, wie es um die chinesische Wirtschaft und damit um den Rohölbedarf wirklich steht.

Für Preisschwankungen sorgt auch die politische und wirtschaftliche Unsicherheit in Europa. Das Wirtschaftswachstum in der EU bleibt schwach, und die Ungewissheit nach dem Brexit zeigt die Probleme der Union: In Italien droht ein Bankenkollaps, Frankreich ringt mit notwendigen Wirtschaftsreformen, und Spanien hat auch nach der Wiederholung der Parlamentswahlen keine mehrheitsfähige Regierung. Das dürfte die aggregierte Nachfrage – auch die nach Öl – belasten.

Starker Dollar belastet

Belastend auf den Preis wirkte zuletzt auch der festere Dollar. Die US-Währung hat sich gegenüber dem Franken und dem Euro von seiner Schwäche Ende Mai erholt. Nach der Veröffentlichung des US-Arbeitsmarktberichts vergangenen Freitag wird der Dollar wieder über 0.98 Fr. gehandelt. Die US-Wirtschaft hat im Juni deutlich mehr Jobs geschaffen, als erwartet worden war.

Die Analysten glauben nicht, dass sich die Angebot-Nachfrage-Situation am Ölmarkt seit dem Brexit entscheidend verändert hat. Morgan Stanley (MS 26.46 0.34%) (MS) erwartet für das dritte Quartal einen durchschnittlichen Preis von 50 $ je Fass. Die Analysten von UniCredit (UCG 1.851 -2.89%) sind etwas optimistischer. Für das laufende Quartal prognostizieren sie einen Fasspreis von 52 $, im letzten Quartal sollen es gar mehr als 60 $ sein.

Ein starker Preisabschlag am Ölmarkt ist durch die Fundamentaldaten derzeit nicht gerechtfertigt. Die Volatilität dürfte in den kommenden Monaten aber tendenziell zunehmen.

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