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10:29 Uhr - 13.11.2015

«Wir setzen auf Samsung, weil sie niemand mag»

Sverre Bergland, Fondsmanager und Technologie-Experte beim nor­wegischen Assetmanager DNB, ortet auch im hochfliegenden IT-Sektor noch Gelegenheiten, und verrät, welche Schweizer Technologieaktien er im Blick hat.

Herr Bergland, weshalb sollten Anleger gerade jetzt in den Technologie-Sektor investieren? Der Markt ist sehr volatil und erlebte in den vergangenen Monaten auch deutliche Rückschläge.
Ich habe keine dezidierte Meinung zur Marktentwicklung, das lasse ich die Sorge anderer sein. Der Technologie-Sektor an sich ist attraktiv. Der Markt war in erster Linie um China besorgt. Trotz dieser Unsicherheit um China und die Schwellen­länder herrscht zumindest bei US-Tech-Unternehmen «business as ususal», also normaler Geschäftsalltag.

Hat die Verlangsamung in China einen Einfluss auf Zulieferer bzw. die Zulieferkette von Technologie-Unternehmen?
Wenn, dann ist der Effekt eher positiv. Die Verlangsamung könnte sich ungünstig auf die Lohnkosten durchschlagen, was die Produktion verbilligen würde. Die indirekten Effekte auf der Nachfrageseite wären natürlich ernsthafter, aber davon wäre nicht nur der Tech-Sektor betroffen.

Technologie wird in ihrem Fonds sehr breit definiert. Weshalb?
Ja, in der Tat. Unser Verständnis von Technologie umfasst auch Medien und Telekom. Wir glauben, dass eine Konvergenz stattfindet. Es gibt Interdependenzen und Synergien zwischen diesen Sektoren. Telecom-Unternehmen investieren in Infrastruktur und Inhalte. So hat der Telecom-Konzern Verizon (VZ 44.83 -1.08%) den Inhaltlieferanten AOL (AOL 0 0%) gekauft. Und der hat wiederum ­Millennium Media gekauft, die mit Online-Werbung Geld verdienen.

Welche Bereiche im Sektor bieten die ­besten  Wachstumschancen?
Es tönt nicht besonders revolutionär, aber das Internet wird sich noch stark weiterentwickeln. In den kommenden fünf Jahren wird sich die Durchdringungsrate von aktuell 3 Milliarden auf 6 Milliarden Nutzer verdoppeln. Cloud-Computing ist ein weiteres, attraktives Wachstumsgebiet. Zudem ist die Verschiebung von Werbeausgaben ins Internet ein anhaltender Trend. Zwischen 2008 und 2015 sind Werbeausgaben in Höhe von 30 Mrd. $ von US-Printmedien in den Online-Bereich abgewandert. Im gleichen Zeitraum haben die aggregierten Einnahmen von Facebook (FB 108.02 -0.91%) und Google um den gleichen Betrag zugenommen. Diese Entwicklung wird sich fortsetzen. Aber nicht nur die Printmedien, auch klassisches Fernsehen wird es in Zukunft sehr schwer haben. Meine 14-jährige Tochter hat vergangenes Jahr vermutlich keine einzige Minute fern gesehen. In den USA sind die TV-Zuschauerzahlen bereits rückläufig.

Wer wird ausser Facebook und Google von dieser Verschiebung profitieren?
Grundsätzlich alle Unternehmen, die im Online-Markt mitmischen. Aber die beiden Grossen sichern sich den Löwenanteil des Geschäfts. Schauen Sie sich Google an. Sie werden dieses Jahr rund 70 Mrd. $ umsetzen und 20% wachsen. Um diesen Rhythmus halten zu können, werden sie kommendes Jahr 10 bis 15 Mrd. $ mehr verdienen müssen. Facebook wächst mit 30 bis 40% jährlich noch schneller. Das ist eine gigantische Allokationsverschiebung.

Welche der beiden Aktien bevorzugen Sie?
Wir ziehen Google vor. Google bzw. Alphabet (GOOGL 756.53 -1.14%) haben eine stärkere Marktposition und sind breiter aufgestellt. Facebook ist sehr stark von der mobilen App abhängig. Das birgt grössere Risiken. Was geschieht, wenn  Konsumenten der Facebook-Plattform überdrüssig werden? Zudem wird Werbung im Suchkontext bei Google besser akzeptiert als beim Austausch mit Freunden auf Facebook.

Viele schwärmen von Unternehmen, die mit der Cloud Geld verdienen. Auch Sie?
Aktien von Cloud-Anbietern sind sehr teuer. Sie werden zum sechs- bis elffachen Umsatz bewertet. Reine Cloud-Player wie Salesforce.com, Workday, Viva oder ServiceNow waren lange allein auf weiter Flur, bis sich SAP (SAP 72.63 -1.24%) und Oracle (ORCL 38.63 -1.05%) dazu entschlossen mitzumischen. Diese beiden etablierten Unternehmen haben jetzt die Produkte, um die reinen Cloud-Anbieter zu konkurrenzieren.

Heisst das Hände weg von reinen Cloud-Spezialisten?
Was uns bei diesen Unternehmen Sorge bereitet, ist ihre Vergütungspraxis. 30 bis 40% des Umsatzes werden für aktienbasierte Vergütung eingesetzt. Das wird von Analysten und Investoren kaum wahrgenommen. Wir schauen das so an: Es ist schwieriger Geld zu verdienen, wenn Sie mit einer Marge von minus 30 oder 40% starten. Vergütung sind Kosten. Die Ver­gütungsstruktur macht es schwierig, die hohen Bewertungen dieser Cloud-Unternehmen zu rechtfertigen.

Was sind die Alternativen, um im Cloud-Bereich zu investieren?
Der grösste Anbieter von Cloud-Lösungen ist eigentlich Google – nur betrachten das die wenigsten so. Wir setzen auch auf die etablierten Softwarehäuser SAP und Oracle. Bei diesen kann man zu einem viel attraktiveren Preis in das Thema investieren, ohne allzu grosse Risiken einzugehen.

Was sind die ausschlaggebenden Faktoren, damit sie in eine Aktie investieren?
Die relative Bewertung. Gewisse Cloud-Anbieter wie Workday sind zweifellos gute Unternehmen, aber die Bewertung preist sehr hohe Erwartungen ein. Entscheidend ist, wer mittelfristig bei einem angemessenen Einstiegspreis die bessere Performance hinlegt. Und da schneidet ein etabliertes Unternehmen wie Oracle erstaunlich gut ab. Von den Cloud-Spezialisten wird erwartet, dass sie die Erwartungen übertreffen. Sie sind in dieser Erwartungshaltung gefangen. Das wird ihnen das ­Leben schwer machen.

Bewertungsmethoden sind ein strittiges Thema, besonders bei Technologie-Aktien. Was ist ihr Ansatz?
Das kommt auf das Unternehmen an. Bei defizitären Firmen kann das Verhältnis aus Unternehmenswert zum Umsatz aussagekräftig sein. Wir konzentrieren uns grundsätzlich auf Gewinn- und Cashflow-Kennzahlen. Wo wir uns unterscheiden: Wir berücksichtigen systematisch die aktienbasierte Vergütung des Managements. Das Thema könnte gewissen erfolgsverwöhnten IT-Unternehmen, besonders in den USA, zum Verhängnis werden. Wir diskriminieren tendenziell Unternehmen, die einen höheren Anteil an aktienbasierter Vergütung aufweisen, gegenüber solchen mit einem tieferen Anteil.

Können Sie Beispiele nennen?
Das Software-Unternehmen Splunk wendete im vergangenen Quartal 50% des Umsatzes für aktienbasierte Vergütung auf. Bei Workday werden 20 bis 25% dafür eingesetzt. Wir erklärt man das Investoren? Die Vergütungspraxis wird in Zukunft eine wichtigere Rolle spielen. Sollte es den Unternehmen nicht mehr so gut laufen, wird man diesen Aspekten mehr Aufmerksamkeit schenken.

Ist eine ansprechende Dividendenrendite ein Investitionsargument?
Rendite ist nicht gleich Rendite. Die Cashflow-Rendite ist ebenso relevant wie die Dividendenrendite. Entscheidend sind Nachhaltigkeit und Wachstumspotenzial der Cashflows. Bei zahlreichen IT-Unternehmen sind die freien Cashflows sehr hoch, was ebenso attraktiv ist wie eine Dividende. Jeder ist an Rendite interessiert. Es ist aber gefährlich, auf Renditejagd zu gehen, ohne die fundamentalen Faktoren des Geschäfts zu berücksichtigen.

Welche Schweizer Technologie-Aktien sind derzeit attraktiv?
Wir waren zeitweise in den Aktien des Computerzubehör-Herstellers Logitech (LOGN 15.2 1%) investiert. Es ist ein gut geführtes Unternehmen, das immer wieder attraktiv bewertet ist. Sie entwickeln innovative Produkte und bringen sie schnell auf den Markt. Klar, der PC-Markt bildet sich zurück, aber wir sind da nicht so negativ eingestellt. Der PC wird noch lange ein unerlässliches Arbeitsinstrument bleiben.

Sehen Sie weitere Gelegenheiten am Schweizer Aktienmarkt?
Wir behalten Temenos (TEMN 47.8 -0.73%) im Auge. Die Frage hier ist, ob grössere Banken angesichts der Turbulenzen im Sektor bereit sind, ihre Kernsysteme zu ersetzen, wovon ein ­Nischenplayer wie Temenos profitieren würde. Der Deal mit Nordea ist ermutigend, aber die Ungewissheit über eine strukturelle Verbesserung des Marktumfelds bleibt. Temenos-Aktien waren für uns nie günstig genug, um zuzugreifen.

Samsung (SMSD 443.15 -0.44%), der koreanische Elektronik-Riese, ist ihre grösste Position. Weshalb?
Wir setzen auf Samsung, weil sie niemand mag. Inklusive Cash wird die Aktie mit dem sechsfachen Gewinn bewertet – das ist recht günstig. Der Markt macht sich wegen des bevorstehenden Führungswechsels Sorgen. Auch Corporate Governance ist ein wiederkehrendes Thema. Trotzdem sind sie Marktführer bei Speicherlösungen. Sie haben über die Jahre viel erreicht. Klar,  im Mobilbereich erzielt Apple (AAPL 115.72 -0.34%) eine Gewinnmarge von rund 30%, bei Samsung sind es lediglich 10%. Aber alle anderen verdienen gar kein Geld. Samsung durchlebt stürmische Zeiten – oft ein guter Zeitpunkt, um einzusteigen.

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