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07:06 Uhr - 01.12.2020

Platinpreise holen auf

Die Notierungen des Edelmetalls profitieren von besseren Aussichten im Automobilsektor.

Die jüngsten Erfolge in der Entwicklung eines Covid-19-Impfstoffs haben die Finanzmärkte beflügelt. Kräftig gestiegen sind auch die Kurse von Platin (Platin 985.75 +1.89%) – wobei sich die Bilanz für das Gesamtjahr allerdings weiterhin durchzogen präsentiert. Denn während diverse Industrie- und Edelmetalle wie Kupfer oder Gold (Gold 1'777.05 -0.64%) deutlich über dem Niveau vom Jahresbeginn notieren, hat Platin mit den Avancen lediglich das Minus aus dem Frühjahr ausgebügelt.

Für neue Zuversicht sorgen im Pla­tinmarkt vor allem die Erholungssignale aus dem Automobilsektor, werden dort doch rund 30% des Metalls verbaut. Laut dem aktuellen Bericht des World Platinum Investment Council (WPIC) hat im dritten Quartal eine Nachfragebelebung eingesetzt, die sich ins nächste Jahr weiterziehen sollte. Für 2021 rechnen die Analysten der Branchenorganisation allein in diesem Segment mit einem Bedarfswachstum von 25%.

«Dieselgate» wirkt nach

Auf lange Sicht dürfte die Nachfrage nach Platin aus dem traditionellen Automobilsektor jedoch schwächeln. Denn das Metall kommt vor allem in Katalysatoren für Dieselfahrzeuge zum Einsatz. Deren Popu­larität hat im Zuge von «Dieselgate» einen herben Schlag erlitten. Noch vor zehn Jahren machten Dieselfahrzeuge in Europa rund 50% aller Neuregistrierungen aus. Inzwischen hat sich der Anteil auf knapp 25% halbiert. Zwar kommt Platin auch in Katalysatoren von benzingetriebenen Vehikeln zum Einsatz – jedoch in Kombination mit Palladium (Palladium 2'401.65 +0.96%) und Rhodium und deshalb in kleineren Mengen.

Der Preisaufschlag von Palladium zu Platin hat inzwischen eine solche Grösse erreicht, dass nach Einschätzung des WPIC vor allem nordame­rikanische und chinesische Automobilhersteller vermehrt eine Substitution ­anstreben dürften. Im Frühling hat der deutsche Chemiekonzern BASF (BAS 61.33 +0.67%) eine neue Katalysatortechnologie vorgestellt, die ein teilweises Ersetzen von Palladium durch günstigeres Platin ermöglichen soll. An den grundlegend getrübten Aussichten für Verbrennungsmotoren, die stetig Boden an die Elektromobilität verlieren, dürfte das freilich nichts ändern.

Auf lange Sicht hoffen Platinproduzenten darauf, dass sich Brennstoffzellen als Alternative zur batteriebasierten Elektromobilität etablieren können. Für die elektrochemische Reaktion innerhalb der Brennstoffzelle wird ein Katalysator benötigt, der gegenwärtig vor allem mit Platin bestückt wird. Brennstoffzellen könnten beispielsweise im Schwerverkehr ihre Stärken ausspielen. Denn gerade bei Lastwagen und Langstreckeneinsätzen wird das hohe Gewicht der Batterien zum Problem. Allerdings werden gleichzeitig Forschungsaktivitäten forciert, den Platingehalt wegen der hohen Kosten zu reduzieren oder gleich ganz zu eliminieren.

Ein weiterer Faktor, der die Nachfrageseite beeinflusst – neben dem Einsatz in der Industrie und als Schmuck –, ist die Verwendung als Investitionsobjekt. Im ­aktuellen Niedrigzinsumfeld haben Edelmetallfonds an Popularität gewonnen. Auf dem Höhepunkt der Coronakrise flossen zwar Gelder ab. Inzwischen notieren die angelegten Volumen allerdings wieder über dem Vorkrisenniveau . Die Analysten von Capital Economics gehen jedoch davon aus, dass eine Belebung der Konjunktur diverse Anleger dazu bewegen dürfte, ihre Investments in ETF (Exchange Traded Funds) zu liquidieren. Dadurch werde die Nachfrage nach Platin zum Investitionszweck deutlich sinken.

Förderung nimmt wieder zu

Eine zentrale Rolle spielt auch die Angebotsseite, die 2020 von der Pandemie spürbar beeinträchtigt wurde. Lockdowns in wichtigen Förderländern wie Südafrika haben die Minenvolumen deutlich reduziert. Obwohl sich die Lage inzwischen entspannt hat, dürfte die im Gesamtjahr 2020 produzierte Platinmenge gegenüber 2019 um über 20% sinken.

Die südafrikanische Regierung hat angedeutet, einen weiteren Lockdown vermeiden zu wollen. Tiefgreifende Massnahmen wie im zweiten Quartal seien auch bei einer Verschärfung der Covid-19-Situation vorerst nicht zu erwarten. Laut Capital Economics dürfte deshalb die Produktionsaktivität nächstes Jahr beinahe auf den Stand von 2019 zurückkehren.

Angesichts der Nachfrage- und Angebotstrends geht das WPIC davon aus, dass der Platinmarkt nächstes Jahr in einem Defizit von 0,2 Mio. Unzen verharrt und die Notierungen dadurch gestützt werden dürften. Auch die Analysten von Bank of America (BAC 28.16 -2.86%) erwarten für 2021 einen Preis­anstieg auf durchschnittlich 1100 $ pro Feinunze. Einen leichten Überschuss prognostiziert dagegen Capital Economics – primär weil die Platinnachfrage aus der Industrie gegenwärtig zu optimistisch eingeschätzt werde. Die Analysten halten es deshalb für plausibel, dass es bis Ende 2021 zu einem Preisrückgang auf rund 850 $ pro Feinunze kommt.

Wer in Platin investieren will, dem stehen diverse Wege offen. Eine Möglichkeit bieten die erwähnten ETF, die vollständig mit dem physischen Edelmetall hinterlegt sind. Sie zeichnen die Preisentwicklung des Edelmetalls nach, können aber abhängig von der Fondswährung Devisen­risiken bergen. Auch strukturierte Produkte wie Tracker-Zertifikate oder Barrier Reverse Convertibles sind verfügbar – Letztere aber meist nicht auf Platin allein, sondern auf einen Korb aus mehreren ­Metallen wie Gold und Silber (Silber 22.85 +0.77%).

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