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17:30 Uhr - 09.07.2015

Der chinesische Greenspan

Zhou Xiaochuan, Gouverneur der Zentralbank Chinas, muss am Ende seiner Karriere die Börse retten. Damit sabotiert er seinen eigenen Reformkurs.

260 Mio. chinesische Investoren schauen auf einen Mann. Er heisst Zhou Xiaochuan und ist Gouverneur der chinesischen Zentralbank. 260 Mio. ist zumindest die Anzahl der Wertpapierdepots in China, und ein Drittel dieser Depots wurde in den vergangenen neun Monaten eröffnet. Immer mehr Anleger versuchten ihr Glück am Aktienmarkt. Nach dem Ende der massiven Rally sind diese frischen Aktionäre nun der Verzweiflung nahe: Der Aktienmarkt ist um 30% eingebrochen. Viele spekulative Titel mit wenig Börsenwert, die bei den zockenden Privatanlegern besonders beliebt waren, können gar nicht mehr verkauft werden, der Handel wurde ausgesetzt.

Zhou versucht, zusammen mit der Wertpapieraufsicht CSRC den Kursverfall zu stoppen. Der erste Schritt zur Beruhigung der Börse war Ende Juni eine geldpolitische Lockerung: Zum ersten Mal seit 2009 wurden die Zinsen und die Anforderung an die Mindestreserven der Banken gleichzeitig gesenkt. Doch das brachte nur eine kleine Verschnaufpause. Nun ist man voll im Krisenmodus. Anleger mit einem grossen Aktienanteil an Unternehmen dürfen diesen in den nächsten sechs Monaten nicht verkaufen. Wertpapierbroker haben sich verpflichtet, Aktien in die eigenen Bücher zu nehmen. Die Kurse steigen nun wieder, doch Privatinvestoren warten wohl nur auf die Gelegenheit, sich endlich von ihren Aktien zu verabschieden.

Börsenabsturz zum Karriereende

Der 67-jährige Chef der People’s Bank of China (PBoC) ist nahe am Ende seiner Karriere. Nun erlebt er den dritten Börsenabsturz seiner Laufbahn. 2001 brachte Zhou als Vorsitzender der Wertpapieraufsicht sogar persönlich die Kurse zum Einsturz, als er einen Abbau der Aktien in Staatsbesitz ankündigte. Die Pläne wurden aufgegeben. Ab Oktober 2007 stürzten die Kurse dann im Lauf der weltweiten Finanzkrise. Der neueste Crash ist aber besonders schmerzhaft. Denn die Rally war von der chinesischen Regierung gewollt, um den Aktienmarkt als Finanzierungsquelle für Unternehmen zu etablieren. Manche Beobachter fürchten gar, dass das Vertrauen in die Kommunistische Partei schwindet, falls die Kurse nicht unter Kontrolle gebracht werden können.

Der hoch angesehene Zhou war einmal im Gespräch als Premierminister. Sein politisches Netzwerk reichte wohl nicht aus, bis an die Spitze befördert zu werden. Doch der studierte Maschinenbauingenieur gilt als fähiger Technokrat, der in der chinesischen Regierung in der Finanzmarktpolitik ein gewichtiges Wort mitzureden hat. Er galt lange als aggressiver Reformer, der das chinesische Finanzsystem öffnen will. Die Agenda zur Liberalisierung der Banken, der Zinsen und des Kapitalmarktes steht schon seit Jahren fest.

Finanzliberalisierung stockt

Doch die letzten Finanzreformen – abgesehen von der Öffnung des Aktienmarktes – gehen nicht so schnell vonstatten wie erwartet. Zwar wurde den Banken mehr Freiheit bei der Zinssetzung gegeben, aber im Mai hat die Zentralbank die Institute «gebeten», diese neue Freiheit nicht auszuschöpfen. Und mit den staatlichen Eingriffen in den Aktienmarkt ist nun ein Finanzsystem ohne enge Kontrolle durch PBoC und Regierung wohl in weite Ferne gerückt.

Analysten haben wegen des Aktionismus der Zentralbank nun den «Zhou-Put» ins Gespräch gebracht. China werde dem «Greenspan-Put» folgen: Wie US-Notenbankchef Alan Greenspan schütze die PBoC Anleger nun vor zu grossen Verlusten, indem sie die Geldpolitik bei einem Börsencrash schnell lockere. Doch wie bei Greenspan könnte dieser Put für die Nachfolger von Zhou ein zwiespältiges Erbe sein. Denn allzu niedrige Zinsen ziehen Sorglosigkeit bei den Investoren nach sich. Das wird als eine Ursache für die Subprime-Krise in den USA gesehen. Der «Zhou-Put» könnte einer Finanzkrise in China den Boden bereiten.

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