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18:31 Uhr - 15.01.2015

«SNB sendet klares Signal an andere Zentralbanken»

Steen Jakobsen, Chefökonom von Saxo Bank, erklärt im Interview mit der FuW, weshalb die SNB mit der Aufgabe des Mindestkurses auf dem richtigen Weg ist.

Das Ende der Mindestkurspolitik der SNBDie Schweizerische Nationalbank (SNB) hebt nach drei Jahren den Euromindestkurs auf und überrascht damit die Märkte und Unternehmen. Lesen Sie hier alles zum Entscheid der SNB.Herr Jakobsen, was ist Ihnen durch den Kopf gegangen, als Sie vom Entscheid der SNB gehört haben?
Obwohl die Wahrscheinlichkeit für die Aufhebung oder die Senkung des Mindestkurses in jüngster Zeit gestiegen ist, war ich von der Nachricht überrascht. Der Entscheid der SNB (SNBN 1067 -1.11%) ist aber auf lange Frist betrachtet der richtige, auch wenn er kurzfristig für zahlreiche Unternehmen und Investoren schmerzhaft ist.

War es in Ihren Augen richtig, die Kursuntergrenze ganz aufzuheben statt schrittweise zu senken?
Darüber lässt sich streiten. Eine stetige Reduktion der Untergrenze wäre wohl die sanftere Variante gewesen. Letztlich ist es aber sekundär, wie die SNB die Kursuntergrenze aufgehoben hat. Wichtig ist die Tatsache, dass sie mit diesem Schritt anerkennt, dass der Konjunktur freier Lauf gelassen werden muss und der künstlich schwach gehaltene Franken eine Überhitzung des Immobilienmarktes begünstigt.

Und der Zeitpunkt? War es richtig, den Mindestkurs in einer akuten Schwächephase der Eurozone aufzugeben?
Die SNB ist zur Tat geschritten nur wenige Tage bevor die EZB aufs Ganze gehen wird und mit hoher Wahrscheinlichkeit ein grosses Anleihenkaufprogramm beschliesst. Das war das grosse Problem der SNB: Ihre Politik war an eine Währung gebunden, die zum Abwerten verdammt ist.

Wie stark wird der Franken noch werden?
Der neue Euro-Franken-Kurs dürfte sich zwischen 1 und 1.05 Fr./€ einpendeln.

Was ist der Effekt auf die Schweizer Wirtschaft? Wie wird sich der Exportsektor mit einem so starken Franken schlagen?
Das wird am Anfang für viele Exporteure nicht einfach sein, und es könnten auch Stellen gestrichen werden. Von den kotierten Unternehmen sind die meisten sehr exportorientiert. Es erstaunt daher nicht, dass ihre Kurse teilweise heftig reagiert haben, da ihre Gewinnaussichten sich erst einmal verschlechtern. Doch einige werden den starken Franken nutzen, um ihre Marktposition durch strategische Zukäufe auszubauen.

Dann wären Schweizer Aktien nach dem Ausverkauf heute eine Kaufgelegenheit?
Ja, längerfristig würde ich dort investieren, wo die Preise nicht durch Zentralbankpolitik verzerrt sind und die Wirtschaft nicht künstlich gestützt wird. So betrachtet ist ein Rückschlag im SMI (SMI 8400.61 -8.67%) eine Kaufgelegenheit. Dass aber heute bereits der richtige Zeitpunkt ist, will ich nicht behaupten.

Kann die Schweiz mit einem noch stärkeren Franken wettbewerbsfähig bleiben?
Die Schweizer Unternehmen haben über Jahre mit einer starken Währung leben können und bewiesen, dass sie dennoch erfolgreich wirtschaften können, auch dank einem vernünftiges Steuersystem, einem der besten Bildungssysteme und einem KMU-Sektor, der konstant auf Qualität setzt.

Eine schwache Währung ist also kein Allheilmittel.
Man muss die Produktivität langfristig steigern und nicht versuchen, über den Wechselkurs wettbewerbsfähig zu bleiben. Die SNB macht nun genau das Gegenteil der Bank of Japan, die ihre Probleme einfach exportiert. Die SNB denkt langfristig, und das ist das einzig Richtige. Das gilt auch für die ganze Schweiz, denn der heutige Schritt war meiner Meinung nach nur möglich, weil auch die Politik zu einem grossen Teil dahinterstand.

Was bedeutet der SNB-Entscheid für die Politik anderer Zentralbanken, besonders solcher, die ihre Währung ebenfalls an eine andere gebunden haben?
Mit dem Entscheid der SNB hat die Wahrscheinlichkeit, dass auch andere Zentralbanken ihre Politik überdenken werden, zugenommen. Ob Dänemark, die Tschechische Republik oder China als Nächste ihre Wechselkurspolitik ändern, ist unmöglich zu prognostizieren. Denn das ist zu 90% von der Politik abhängig, und die kann ich als Ökonom unmöglich voraussagen. Die SNB sendet mit der Aufgabe des Mindestkurses ein starkes Signal an andere Zentralbanken. Es könnte der Beginn eines Heilungsprozesses sein.

Was heisst es für die Finanzmärkte im Allgemeinen?
Solche Verwerfungen wie heute wird es dieses Jahr noch mehr geben. Zudem fällt mit dem Ausscheiden der SNB als Quasi-Hedge-Fund ein grosser Käufer auf den europäischen Märkten weg. Da auch andere Staatsfonds wegen der fallenden Erdölpreise weniger investieren, dürfte der Rückhalt an den Märkten kleiner sein.

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