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11:03 Uhr - 04.08.2017

Ascom-Finanzchefin: «Ich habe ein Leben nach der Arbeit»

Anette Weber steht für den Wandel des Unternehmens zum Healthcare-Spezialisten. Für sie steht Ascom jetzt am Scheideweg.

Ascom (ASCN 18.95 -0.52%), einst ein grosser, staatsnaher Gemischtwarenkonzern für allerhand Kommunikations- und Netzwerktechnik, hat sich in einen schlanken Anbieter von IT-Lösungen für das Gesundheitswesen gewandelt. Entsprechend wird auch das Fachpersonal aus der Healthcare-Industrie rekrutiert. So die neue Finanzchefin, Anette Weber. Sie hat diesen Monat ihre neue Stelle angetreten. Die 46-Jährige hat ihr gesamtes bisheriges Berufsleben bei Novartis (NOVN 82.35 0%) verbracht, dem Basler Pharmariesen mit 120‘000 Mitarbeitenden.

Ascom hingegen beschäftigt nach Jahren der Schrumpfkuren und Devestitionen hundertmal weniger Menschen. Ascom besteht gemäss ihrer OneCompany-Strategie nur noch aus einer einzigen Sparte, Wireless Solutions. «Kleiner geht es nicht mehr», sagt die grosse blonde Frau im angeregten Gespräch. «Die Basis, auf der Ascom jetzt wachsen muss, ist da», stellt Weber lapidar fest.

Weber hat eine gradlinige Bilderbuchkarriere hingelegt. Sie erklimmt die Karriereleiter in diversen Finanzfunktionen bei Novartis Pharma, in der Abteilung Tiergesundheit und bei der Generika-Tochter Sandoz. «Ich kenne die Front, den Druck, Umsatz liefern zu müssen», macht sie jedoch deutlich. Sie spricht aus Erfahrung. Nur wenige Jahre nach Abschluss des BWL-Studiums an der Uni St. Gallen wurde Weber Länderchefin von Novartis Animal Health Japan. Dort lernte sie die Eigenheiten lokalen Geschäftsgebarens kennen: «In Japan muss ein Ja nicht unbedingt auch ja bedeuten», sagt sie schmunzelnd.

Nach Stationen in Slowenien und Deutschland kehrte Weber 2014 nach Basel zurück. Seither lebt sie dort. Für ihren neuen Job will sie sich aber eine Wohnung in der Nähe der Ascom-Zentrale im beschaulichen Baar nehmen. Auf die Neunzig-Stunden-Arbeitswoche angesprochen, mit der sich mancher Managerkollege brüstet, antwortet sie: «Es kann mir niemand erzählen, 18 Stunden am Tag produktiv zu sein. Es ist auch nicht mehr cool, das zu behaupten.» Weber sieht sich nicht als Workaholic: «Ich habe ein Leben nach der Arbeit», sagt sie nahezu rebellisch.

Dieses verbringt sie mitunter mit der liebsten Freizeitbeschäftigung vieler Spitzenmanager: Ausdauersport. Fünf Marathons hat sie bereits absolviert. Der sechste steht Ende September in Berlin an. Das Sammeln von Kunstwerken ist ein weiteres Steckenpferd. Die Gemälde von Edward B. Gordon haben es der Finanzfrau angetan. Mit Kunstsammeln angefangen hat sie in Japan, erwarb dort erste Entwürfe für Kimono-Gürtel aus alten Manufakturen. Als Investment sieht sie das aber nicht: «Ich sammle die Kunst, die mir gefällt», sagt sie zu ihrer Motivation. Neben ihrer Tätigkeit bei Ascom ist Weber Verwaltungsrätin beim digitalen Karrierenetzwerk Xing.

Bei Xing werde eine neue Form der Arbeit gelebt. Das beeindruckt sie. Mitarbeitende werden in Entscheidungsprozesse miteinbezogen, was den Teams ein Gefühl der Selbstbestimmung gibt. Die Agilität des Unternehmens sei im Alltag förmlich zu spüren, sagt Weber verzückt. Selbstbestimmung will sie auch in ihrer eigenen Führungsarbeit leben: «Ich möchte nicht intelligente Leute einstellen, um dann Mikromanagement zu betreiben», sagt sie. Wichtig sei ihr, «den Leuten klarzumachen, wohin ich will, aber auch, warum ich dorthin will». Auch eine Kultur, die Fehler erlaubt, liegt Weber nahe.

Dass sie sich jahrelang in einer Männerdomäne hat behaupten müssen, ist für die deutsche Managerin kein Thema: «Ich habe mich in meiner Karriere nie benachteiligt gefühlt, weil ich eine Frau bin.» Schon in der Schule im Mathe-Leistungskurs seien sie nur zwei Mädchen gewesen, erzählt sie. Für Weber ist Karrieremachen eine Frage der Priorisierung. «Ich sehe das Dilemma von Müttern, die sich nicht zwischen Familie, Beruf und Hobby aufteilen können.» Sie selbst habe sich jedoch nie bewusst gegen Heirat oder Kinder entschieden. «Das hat sich einfach so ergeben. Ich bin viel in der Welt herumgekommen», sagt sie. Man müsse halt mit den Kompromissen leben, die man eingehe.

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