Der Überfluss von US-Staatsanleihen stellt die amerikanische Zentralbank vor Probleme. Ihr droht die Kontrolle über die Reduktion der Bilanz zu entgleiten.
Es ist eines der grössten Experimente der Geldpolitik. Oder, wie es Janet Yellen umschrieb, für die Finanzmärkte so spannend, «wie Farbe beim Trocknen zuzusehen». Bisher hatte die ehemalige Chefin des Federal Reserve recht. Die amerikanische Zentralbank hat die Bilanzsumme ohne Mühe reduziert. Denn die Währungshüter brauchten nur darauf zu verzichten, einen Teil der auslaufenden Staatsanleihen und verbrieften Hypotheken zu reinvestieren.
Mit der Langeweile ist es aber vorbei. Denn der Abbau der Bilanz hat unerwartete Konsequenzen und zwingt das Fed, sein Vorgehen zu überdenken. Das lässt sich aus dem Protokoll der vergangenen Sitzung des Offenmarktausschusses herauslesen. Die Mitglieder diskutierten den «operativen Rahmen für die Umsetzung der Geldpolitik» und wie sich «Änderungen der Finanzmarktregulierung auf Grösse und Zusammensetzung der Bilanz» auswirken. Fed-Präsident Jerome Powell schlug vor, das Thema im Herbst erneut zu diskutieren.
Folge der Finanzkrise
Die ungemütliche Lage des Fed geht auf die Rettungsprogramme während der Finanzkrise zurück. Ab November 2008 häufte die Zentralbank mit den Anleihenkaufprogrammen QE1 bis QE3 rund 4200 Mrd. $ an Staats- und Hypothekenpapieren an. Die Bilanzsumme wurde verfünffacht. Ab Oktober 2014 wurde die Bilanz dann nicht mehr weiter ausgebaut. Und im vergangenen Sommer erläuterte Yellen, wie das Fed die Bilanz verkleinern wolle.
Seit Oktober 2017 reinvestiert die US-Zentralbank pro Monat 6 Mrd. $ weniger in den Kauf von Staatsanleihen. Bei den verbrieften Hypotheken sind es 4 Mrd. $ weniger. Die Beträge werden in jedem Quartal erhöht, bis die monatlichen Limiten von 30 Mrd. $ bei Staatsanleihen und von 20 Mrd. $ bei Hypotheken im kommenden Oktober erreicht sein werden. Ein Blick auf die Bilanz zeigt, dass die Währungshüter auf Kurs sind.
Unklar ist hingegen, wie weit die Reise gehen soll. Als das Programm vorgestellt wurde, gab das Fed keine Zielgrösse der Bilanz an. Yellen erklärte nur, dass «nicht mehr Papiere gehalten werden sollen, als notwendig sind, um die Geldpolitik effizient und effektiv umzusetzen». Die Notenbank erwartete damals zudem, dass die Reserven, die die Finanzinstitute bei ihr haben, «deutlich unter dem Niveau der vergangenen Jahre, aber über demjenigen von vor der Finanzkrise liegen werden».
Eine Umfrage der Distriktnotenbank von New York unter Händlern und anderen Marktteilnehmern vom Juni 2017 hat eine Medianschätzung der künftigen Bilanzsumme von 3300 Mrd. $ ergeben. Dieses Ziel wäre im vierten Quartal 2021 erreicht. Nun macht sich aber Skepsis breit. Unter anderem bei Morgan Stanley (MS 48.375 0.51%).
Überfluss an Treasuries
Die Analysten der Grossbank rechnen damit, dass das Fed bereits im September 2019 das Verkleinern der Bilanz beenden muss, um den Leitzins in der gewünschten Bandbreite halten zu können. 2020 wird das Fed laut Morgan Stanley die Bilanz dann wieder ausbauen. Die Bilanzsumme sinkt gemäss der Grossbank nicht unter 3800 Mrd. $.
Auch Steven Blitz, US-Ökonom vom Researchhaus TS Lombard, rechnet mit einer Anpassung des Programms. Für ihn lief alles gut, bis Präsident Donald Trump seine Fiskalpolitik umsetzte und wegen der zunehmenden Verschuldung das Angebot an Staatsanleihen «explodierte». Somit «wurde aus dem Mangel an sicheren Papieren ein Überfluss». Das zeigt sich gemäss Blitz an der Differenz zwischen dem Zins, der am Markt mit dem Ausleihen von Wertpapieren und gleichzeitiger Rückkaufgarantie erzielt werden kann (Reposatz), und dem Zins auf die Überschussreserven, die beim Fed geparkt werden (IOER). Seit die Fed-Bilanz abnimmt, ist der Unterschied positiv.
Banken können also mit Treasury-Papieren am Geldmarkt mehr verdienen, als wenn sie die Papiere bei der Zentralbank deponieren. «Da sich derzeit ein vom Fed unabhängiger Geldmarktzins etabliert, verliert die Notenbank die Kontrolle über das Tempo des Bilanzabbaus», sagt Blitz.
Wie gross die Herausforderungen sind, lässt sich auch am Leitzins ablesen. Das Fed hat derzeit Mühe, den effektiven Leitzins im Zielband zu halten. Darum hat es im Mai den IOER nicht wie zuvor auf das obere Ende des Bandes von 1,75 bis 2% gesetzt, sondern fünf Basispunkte darunter. In den Monaten davor notierte der effektive Leitzins nur fünf Basispunkte unter dem oberen Band des Fed. Dank dieses Kniffs hat die Notenbank den Abstand auf acht Basispunkte erhöht.
Dem Fed stehen diskussionsreiche Sitzungen bevor. Die brummende Wirtschaft und die steigende Inflation sprechen für zwei Zinserhöhungen bis Ende Jahr. Das dürfte Trump kaum erfreuen. Zudem stellen sich diverse Fragen in Bezug auf die weitere Reduktion der Bilanz. Das Trocknen der Farbe wird also nicht so langweilig wie gedacht.
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