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13:59 Uhr - 13.05.2022

Noch komplizierter statt simpler

Das Parlament macht die Mehrwertsteuer zu einem Bürokratiemonster. Dabei wäre eine Vereinfachung nötig. Ein Kommentar von FuW-Redaktor Arno Schmocker.

Gemäss dem «Doing Business Index» der Weltbank liegt die Schweiz bloss auf dem 36. Rang in Bezug auf effiziente wirtschaftliche Regulierung. Ein wesentlicher Belastungsfaktor ist das dschungelähnliche Regime der Mehrwertsteuer.

Neben der direkten Bundessteuer ist diese Konsumentensteuer mit fast 24 Mrd. Fr. oder fast einem Drittel des Totals die wichtigste Einnahmequelle der Bundeskasse. Für die Unternehmen, die die Steuer für den Staat zu erheben haben, ist sie indessen eine der grössten administrativen Bürden.

Zu diesem Befund kam auch der zuletzt 2018 veröffentlichte «Bürokratie-Index» des Staatssekretariats für Wirtschaft, Seco. Auf die Frage, welche gesetzlichen Vorschriften mit hoher administrativer Belastung sie vereinfachen würden, antworteten die Unternehmen: Mehrwertsteuer und Statistik. Ein Drittel beklagte sich, der Aufwand habe zugenommen.

Seit der Totalrevision 2010 hat sich die Mehrwertsteuer zu einer Spielwiese der Politik entwickelt, um sich Privilegien zu verschaffen, auch unter Zutun bürgerlicher Parteien. Das System ist von drei unterschiedlichen Sätzen und zahllosen Sonderregelungen geprägt. Ohne externe Hilfe von Treuhandgesellschaften lassen sich die Abrechnungen kaum mehr bewältigen.

Ausnahmen, das gleicht einem Naturgesetz, rufen nach neuen Ausnahmen. Neuerdings für Damenbinden, wie der Nationalrat in einer Sondersession diese Woche unter anderem beschlossen hat.

Statt das System noch undurchschaubarer zu gestalten, sollte es radikal vereinfacht werden. Mit einem einkommensneutralen Einheitssatz für die Mehrwertsteuer und – ebenso wichtig – der Reduktion der Ausnahmen auf ein absolutes Minimum würden Wettbewerbsverzerrungen eliminiert.

Zudem könnten die Regulierungskosten gemäss einer vom Seco in Auftrag gegebenen Studie von 2007 rund 30% oder mehrere 100 Mio. Fr. gesenkt werden. Der Bürokratieabbau würde die Unternehmen zu zusätzlichen Investitionen animieren, neue Arbeitsplätze schaffen und letztlich volkswirtschaftliche Impulse auslösen.

Ähnliches liess sich in einer Botschaft des Bundesrats schon vor vierzehn Jahren lesen. Angestossen hatte die Debatte der damalige Vorsteher des Finanzdepartements, Hans-Rudolf Merz. Doch das Parlament trat auf die Vorlage nicht ein.

Auf die jüngste Motion von FDP-Ständerat Andrea Caroni vor einem Jahr reagierte die Landesregierung kleinmütig: «Angesichts der Covid-19-Krise auf die Wirtschaft und die Einkommenssituation der privaten Haushalte scheint es derzeit nicht zielführend, eine Reform vorzuschlagen.»

Mit einem sozialen Korrektiv für die wirtschaftlich Schwächsten müsste eine radikale Vereinfachung der Mehrwertsteuer durchzusetzen sein. Stattdessen verheddert sich das Parlament in Partikularinteressen. Wären die Bürgerlichen doch nur so hartnäckig wie die Ratslinke, die eine niedrigere Mehrwertsteuer für Damenbinden nach mehrmaligen Anläufen in die Teilrevision hineinzuschmuggeln wusste.

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