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14:28 Uhr - 28.10.2016

Post-CEO: «Wir stellen uns einer disruptiven Konkurrenz»

Susanne Ruoff, CEO Schweizerische Post, warnt vor einem sinkenden PostFinance-Gewinn, falls das Kreditverbot nicht kippt.

Die Schweizerische Post stösst mit ihrem Kurs auf Kritik. Filialen werden geschlossen, die Automatisierung schreitet voran, und die Tochter PostFinance will selbst Kredite vergeben. CEO Susanne Ruoff sieht das Bild der Schweizer von ihrer Post als veraltet: Diese müsse sich harten, neuen Konkurrenten stellen.

Susanne RuoffBevor sie 2012 Konzernleiterin der Schweizerischen Post wurde, amtierte Susanne Ruoff als CEO des Netzwerkausrüsters British Telecom Switzerland. 1958 geboren, arbeitete Ruoff sieben Jahre als Primarschullehrerin, machte danach bei IBM Schweiz Karriere. Heute leitet sie als Verwaltungsrätin der PostFinance den Ausschuss Core Banking Transformation. Am 8. November wird sie in Interlaken am Horasis China Meeting teilnehmen. FuW ist dort Medienpartner. Bild: ZVGFrau Ruoff, Sie werden Anfang November an einer Konferenz zu China teilnehmen. Die Post ist im Ausland aktiv – hat etwa eine Niederlassung in Vietnam zur Adressverarbeitung. Was hat das Staatsunternehmen ausserhalb des Landes verloren?
Viele verbinden mit uns immer noch nur die Postfiliale im Dorf. Aber die Post ist viel mehr. Wir müssen auf veränderte Kundenbedürfnisse reagieren. Schweizerinnen und Schweizer bestellen mehr online und grenzüberschreitend ihre Waren. Und viele unserer Geschäftskunden sind international präsent. Wir stellen ihnen unsere führende Dienstleistungsqualität auch im Ausland bereit, etwa das Dokumentenmanagement oder Mail Room Services. Im Inland folgen wir dem Mandat der Grundversorgung, etwa beim Filialnetz – 90% der Bevölkerung müssen zu Fuss oder mit dem öffentlichen Verkehr in zwanzig Minuten Pakete und Briefe aufgeben können.

Ist das nicht ein Spagat zwischen Grundversorgung und Expansion?
Nein, sie bedingen sich gegenseitig. Denn wir haben vom Bundesrat auch den Auftrag, eigenwirtschaftlich zu arbeiten – also keine Subventionen zu benötigen. Das schaffen wir nur, wenn wir unternehmerisch handeln und agil und flexibel auf die Veränderungen in der Gesellschaft und bei den neuen Kundengewohnheiten reagieren. Dazu gehört, dass wir uns einer komplett disruptiven Konkurrenz stellen.

Wen meinen Sie damit?
Das sind Internethändler wie etwa Amazon (AMZN 818.36 -0.51%) oder neue Geschäftsmodelle wie Uber. Die folgen der Strategie, Pakete gleich selbst auszuliefern. Dabei geht es aber um Cherry Picking – nur lohnende Ballungsräume bekommen guten Service. Wir reagieren mit neuen Angeboten, um Pakete schnellstmöglich zum Kunden zu bringen. Etwa Automaten, an denen man 7×24 Stunden Pakete abholen und aufgeben kann. Auch bieten wir Lieferungen am selben Tag, abends, samstags und sonntags. Unser Vorteil gegenüber neuer Konkurrenz wie Amazon ist, dass wir in der Zustellung und bei der Aufgabe in hoher Qualität Mehrwert schaffen und flächenmässig so breit aufgestellt sind.

In den Medien wird über Pilotprojekte der Post berichtet. Was hat es damit auf sich?
Ich habe eine direkt mir rapportierende Innovationsabteilung geschaffen, die solche Projekte über den ganzen Konzern vorantreibt und anregt. Dazu gehören etwa das selbstfahrende Postauto in Sion oder die Auslieferung mit Drohnen und Robotern. In China ist die Lieferung mit Drohnen übrigens schon Realität. Der Einsatz von Robotern ist Teil des Trends zur Automatisierung. Ein anderes Projekt ist der intelligente Briefkasten, wo Briefe und kleinere Pakete abgeholt werden können. Mit einer App kann der Kunde anderen Lieferanten Zugriff geben – etwa der chemischen Reinigung.

Wenn man Pakete an Automaten aufgibt und Roboter die Post austragen, ist nicht jede Menge Stellen in Gefahr?
Diese Veränderungen brauchen Zeit und kommen nicht von heute auf morgen. Aber wir haben im Paketgeschäft eine aggressive Konkurrenz. Wir müssen deshalb an der Kostenbasis arbeiten. Mit neuer Technologie gehen traditionelle Stellen verloren, aber es wird auch eine Vielzahl von neuen geschaffen. Gleichzeitig verändert sich die Bevölkerung: Die Babyboomer gehen in Rente, es wird schwierig, neue Lehrstellen zu besetzen. Und trotz aller Automatisierung werden Menschen immer gebraucht. Neue Stellen entstehen etwa in der Informationstechnologie. Wir bilden nun 160 Leute in ICT-Berufen aus, das sind gut zehnmal mehr als im Jahr 2000.

PostFinance ist eine Tochter der Post, Sie sitzen im Verwaltungsrat. Gibt es Pläne zu ihrer Privatisierung?
Im Moment bestehen keine Pläne. Aber bis zu 49% der PostFinance könnten gemäss Postgesetz privatisiert werden. Das ist eine politische Frage, die auch von der Politik entschieden werden muss.

Wie geht es mit PostFinance weiter?
PostFinance ist das fünftgrösste Finanzinstitut in der Schweiz. Wir haben eine Banklizenz, stehen unter der Aufsicht der Finma und müssen die entsprechenden Anforderungen erfüllen. Gleichzeitig schränkt uns das Postorganisationsgesetz aber ein, indem es uns die selbständige Vergabe von Hypotheken und Krediten untersagt. Das ist ein Wettbewerbsnachteil, der sich im Negativzinsumfeld stark akzentuiert hat. Es ist immer schwieriger, die uns anvertrauten Kundengelder gewinnbringend anzulegen. Uns bricht Jahr für Jahr Ertrag im hohen zweistelligen Millionenbereich weg.

Was können Sie dagegen tun?
Es ist für die nachhaltige Profitabilität von PostFinance entscheidend, zinsunabhängige Ertragsquellen zu erschliessen. Diese können den Druck im Kerngeschäft aber unmöglich vollständig kompensieren. Daher müsste die selbständige Vergabe von Hypotheken und Krediten geprüft werden. Sonst geht der Gewinn der PostFinance zurück. Und der ist seit Jahren ein wichtiger Träger des Gewinns der Post und damit der Grundversorgung.

Aber so würde man private Banken konkurrenzieren. Erzeugt das nicht Widerstand?
Es gibt zu allem, was die Post macht, je nach Interessenlage, von einer Zielgruppe Kritik. Aber die Politik muss sich zu dieser Frage äussern und die Konsequenzen sehen. Man kann nicht Gewinn und Dividenden erwarten und uns gleichzeitig einschränken, wie wir am Markt agieren.

Ist es sinnvoll, eine vom Bund garantierte Bank zu haben, die Kreditrisiken eingeht?
Sind die Risiken wirklich kleiner, wenn wir unser Geld im Ausland anlegen müssen und es nicht der eigenen Volkswirtschaft zur Verfügung stellen können? Ist es sinnvoll, dass wir so viel Geld zu Negativzinsen bei der Nationalbank hinterlegen müssen? Solche Fragen muss man sich stellen. Das Risiko selbst kann man mit klaren Regeln der Aufsicht eindämmen. Dafür gibt es ja auch die Vorgaben der Finma.

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