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15:28 Uhr - 09.01.2018

Credit Suisse: Markteintritt von Amazon wird überschätzt

Der Schweizer Detailhandel hat sich 2017 dank dem schwächeren Franken etwas erholt. Der Strukturwandel geht aber weiter, schreibt die Grossbank in ihrem Detailhandelsausblick.

Die gute Nachricht zuerst: Der Umsatz des Schweizer Detailhandels stabilisiert sich. Nach zwei schlechten Jahren hat die Grossbank Credit Suisse (CSGN 17.765 -0.06%) 2017 wieder einen leichten Aufwärtstrend beobachtet, wie sie in ihrem «Retail Outlook 2018» schreibt. Ein wichtiger Faktor für die Erholung ist die Frankenabwertung. In den letzten zwölf Monaten hat die Schweizer Währung gegenüber dem Euro mehr als 8% an Wert verloren – ohne Intervention der Schweizerischen Nationalbank.

Die Abwertung macht Einkäufe im nahen Ausland weniger attraktiv: 2015 kostete ein typischer Warenkorb in Deutschland gemäss Credit Suisse halb so viel wie in der Schweiz. Für das vergangene Jahr schätzt die Grossbank den Abschlag noch auf 42%.

Heimelektronik und Freizeitsegment boomen

Erfreulich haben sich einige Segmente ausserhalb des Lebensmittelbereichs entwickelt. So verzeichneten die Detailhändler einen nominalen Zuwachs bei der Heimelektronik sowie im Bereich Do-it-yourself und Garten. Wenngleich sich ein Wandel bemerkbar macht: 30% der Computer, Tablets und Fernseher werden mittlerweile übers Internet verkauft.

Noch besser lief es nur im Freizeitsegment. Sascha Jucker, Detailhandelsexperte bei Credit Suisse, schränkt aber ein: «Dieses Geschäft wird stark durch die Witterung bestimmt.» Besonders wichtig ist dabei jeweils das zweite Quartal. «Der warme und sonnige Frühsommer 2017 hat den Detailhändlern einen guten Umsatz beschert.»

Selbst das Sorgenkind, der Verkauf von Kleidern und Schuhen, der in den vergangenen Jahren einen deutlich rückläufigen Umsatz verzeichnete, hat sich etwas erholt. Hier bleibt aber der andere Effekt, der den Detailhändlern in der Schweiz das Leben schwer macht, stark: das wachsende Onlinegeschäft. Der deutsche Onlinekleiderhändler Zalando (ZAL 44.78 -1.17%) hat seinen Umsatz seit 2012 verdreifacht. Vergangenes Jahr betrug der Zuwachs fast 16%. Zum Vergleich: Der gesamte Schweizer Onlinehandel wuchs derweil 8,5%.

E-Commerce bleibt wichtiges Thema

Der Wandel hin zum E-Commerce bleibt eines der grossen Themen der Branche. Besonders fürchtet sie sich vor dem erwarteten Markteintritt Amazons. Der US-Onlinehändler ist in der Schweiz bisher nur indirekt über Amazon (AMZN 1246.87 1.44%) Deutschland präsent, ist damit aber bereits der drittgrösste Anbieter hinter Digitec Galaxus und Zalando. Und bald soll die Produktpalette laut Jucker deutlich vergrössert werden.

Amazon Deutschland steht gemäss dem Wirtschaftsmagazin «Bilanz» in Verhandlungen mit der Schweizer Post. Diese soll die Zollformalitäten für Sendungen aus dem Nachbarland übernehmen. Damit könnte der Onlinelogistiker seine Dienstleistung deutlich verbessern: Lieferungen innerhalb eines Tages wären dann auch in die Schweiz möglich.

Kein Erdbeben

Jucker glaubt aber nicht, dass es dadurch zum grossen Erdbeben kommen wird, wie das einige Branchenexperten befürchten. «Wir gehen nicht davon aus, dass Amazon die gleiche Dominanz erreichen wird wie etwa in Deutschland», betont er. Die Struktur des Onlinehandels ist in der Schweiz viel heterogener: Neben den grossen Anbietern wie Digitec Galaxus haben auch kleinere Plattformen, wie Brack.ch oder Siroop, einen Platz gefunden. Das musste schon ein anderer US-Onlinehandelsriese erkennen: eBay, die mittlerweile vor allem eine Plattform für professionelle Verkäufer ist, konnte sich in der Schweiz nie richtig durchsetzen.

Hoffnung mache zudem der Eintritt ins Offlinegeschäft durch bisherige reine Onlineanbieter, sagt Martin Hotz vom Konsumforschungsunternehmen Fuhrer & Hotz. So habe etwa die Übernahme von Whole Foods durch Amazon gezeigt, dass der Onlinehandel allein keine Zukunft habe. Die Kunden wünschten weiterhin den Offlinekanal, da sich gewisse Produkte nur dort richtig erleben lassen. Über alle Generationen betrachtet, informiert sich immer noch knapp die Hälfte der Konsumenten online, kauft dann schliesslich aber im Laden (Webroomer).

Schweizer Detailhandel hinkt hinterher

Klar ist aber auch, und das ist die schlechte Nachricht: Der Schweizer Detailhandel hinkt auch wegen des Wandels hin zum E-Commerce weiter der Konjunktur hinterher. Während sich die Konsumentenstimmung und der Tourismus gemäss verschiedenen Indikatoren von der Finanzkrise und der Aufhebung des Euromindestkurses von vor drei Jahren erholt haben, kommt der Umsatz im Detailhandel nicht richtig vom Fleck.

Das wird sich auch im kommenden Jahr nicht wesentlich ändern, schreibt Credit Suisse. Der Strukturwandel habe sich zwar abgeschwächt, aber es müsse weiter mit Konkursen und Veränderungen im Detailhandel gerechnet werden. «Es betrifft vor allem kleinere Unternehmen, wodurch das Thema etwas aus dem Fokus der Medien geraten ist, aber die Umwälzung ist nicht vorbei», ergänzt Jucker. Das könnten auch stützende Faktoren wie das Bevölkerungswachstum und die weiterhin positive Konsumentenstimmung nicht wettmachen.

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