Notenbank-Gouverneur Kuroda ist wieder ein Überraschungscoup gelungen. Sein neues Ziel der Zinskurve wurde nicht erwartet. Aktien reagierten positiv.
Das Ergebnis fiel anders aus als von der Mehrheit der Analysten erwartet. Zwar überprüfte der Lenkungsrat der Bank of Japan (BoJ) wie angekündigt bei seinem zweitägigen Treffen den Rahmen der Geldpolitik.
Doch weder wurde der Strafzins von –0,1% für bestimmte Einlagen der Geschäftsbanken bei der Notenbank tiefer in negatives Territorium gedrückt. Noch der Umfang der Wertpapierkäufe von jährlich 80 Bio. Yen (769 Mrd. Fr.) erhöht oder verändert.
Realzins auch über langfristige Zinsen senken
Stattdessen stellten die Währungshüter überraschend die Zinskurve neu in den Mittelpunkt ihrer Geldpolitik, um die Deflation auszumerzen und das Wachstum anzukurbeln.
Unter Kuroda hatte sich die BoJ ab April 2013 zunächst auf eine Verdoppelung der Geldbasis, der Notenbankgeldmenge, durch Wertpapierkäufe konzentriert. Ende Januar wurde der Strafzins als zweiter Schwerpunkt hinzugefügt.
«Wir wollen die Realzinsen über eine Kontrolle der kurz- und der langfristigen Zinsen senken», heisst es in dem Beschluss der japanischen Zentralbank. Dies will man über eine Flexibilisierung der Wertpapierkäufe erreichen, indem man die liquidesten Staatsanleihen der jeweiligen Laufzeit je nach Marktbedingungen zu vorgegebenen Renditen kauft.
Inflation soll über Ziel hinausschiessen
Das Anfang 2013 ausgegebene Inflationsziel von 2% betrachten die Notenbanker in Tokio ab sofort weniger starr. Diese Rate soll nicht mehr nur «erreicht» werden, sondern die Inflation könne zeitweise darüber «hinausschiessen».
Die Geldbasis werde unterdessen weiter zunehmen und Ende 2017 so hoch wie die nominalen Wirtschaftsleistung sein. In der Eurozone und den USA macht die Geldbasis nur ein Fünftel des BIP aus.
Frist für das Teuerungsziel aufgegeben
Ausserdem verzichten die Währungshüter künftig darauf, für das Erreichen der 2%-Rate einen Termin zu nennen. Ursprünglich hatte sich die Zentralbank dafür zwei Jahre Zeit gegeben und danach den Termin mehrmals nach vorne geschoben. Damit hatte man sich selbst unter Druck gesetzt und gleichzeitig bei den Akteuren des Finanzmarktes an Vertrauen verloren.
Jetzt heisst es, man wolle die 2%-Rate zum «frühestmöglichen» Zeitpunkt erreichen. Als potenzielle Instrumente stünden weiterhin noch tiefere Negativzinsen, eine Senkung des Renditeziels für Staatsanleihen sowie die Ausweitung der Wertpapierkäufe zur Verfügung, erklärte die Notenbank.
Höhere Inflationserwartungen anregen
Durch die neuen Akzente will die BoJ die Glaubwürdigkeit ihrer reflationären Geldpolitik unterstreichen und so nach eigenen Angaben die Inflationserwartung von Firmen und Verbrauchern erhöhen. Mit den neuen Vorhaben sei die Geldpolitik nun noch flexibler und nachhaltiger, meinte Notenbankchef Kuroda in Tokio.
An der Börse wurde seine Botschaft positiv aufgenommen. Nach einem kurzen Zögern zogen die Aktienkurse an, während die Bondrenditen sanken.
Banken und Versicherungen gefragt
Besonders gefragt waren die Papiere von Banken und Versicherungen. Die Banken werden von tieferen Negativzinsen verschont, die ihren Gewinn unter Druck setzen könnten. Die Versicherungen profitieren von tiefen Zinsen am langen Ende, die die von ihnen gehaltenen Anleihen verteuern. Die Aktien der grössten Bank des Landes, Mitsubishi UFJ (MTU 5.05 1.41%) Financial, avancierten in Tokio 7,6%. Sumitomo Mitsui Financial legten 7,8% zu.
Der Yen schwächte sich nach der BoJ-Pressemitteilung ab, was die Aktienkurse stützte. Doch Analysten zweifelten an der Dauerhaftigkeit eines schwachen Yens, weil weder der Negativzins noch die Wertpapierkäufe geändert wurden. Tatsächlich wertete sich die japanische Währung schnell wieder auf und notierte später nur leicht tiefer als am Vortag.
Aktienkäufe auf breiten Topix-Index ausgeweitet
Die japanische Zentralbank reagierte auf kritische Anmerkungen zur Ausweitung ihrer Aktienkäufe. Ende Juli hatten die Währungshüter das jährliche Kaufvolumen für japanische Aktien-Indexfonds auf 6 Bio. Yen (57,7 Mrd. Fr.) verdoppelt.
Daraufhin wurde ihr vorgerechnet, dass sie durch ihre Käufe bis 2018 zum grössten Einzelaktionär vieler im Nikkei 225 (Nikkei 225 16807 1.91%) kotierter Firmen werde. Einige Anleger warnten vor einer Verzerrung des Kursbildung.
Nun stellte die Zentralbank klar, dass sie sich auf den Topix-Fonds konzentrieren will. Der Topix enthält alle Aktien der ersten Sektion an der Tokioter Börse und damit rund achtmal mehr Titel als der Nikkei 225. Die Indexfondskäufe der BoJ wirken sich auf die Preise der Topix-Titel daher weniger aus als beim Nikkei.
Konkret kauft die Zentralbank für 2,7 Bio. Yen jährlich Topix-Indexfonds und für 3 Bio. Yen Indexfonds für Nikkei 225, Topix und JPX-Nikkei 400. Das Vorhaben wurde jedoch von Anlegern anders interpretiert: Gerade weil mehr BoJ-Geld in den Topix fliessen soll, trieben die Investoren den Topix um 2,7% und den Nikkei nur um 1,9% nach oben.
Tiefere Negativzinsen erwartet
Der Kurswechsel der BoJ löste unterschiedliche Prognosen aus. Kyohei Morita, Chefvolkswirt von Barclays (BARC 171.8 2.81%) Japan, erwartet nun eine Senkung des Negativzinses auf –0,3% beim nächsten Treffen am 1. November. So könne die Zentralbank rechtzeitig die Tarifverhandlungen im Frühjahr 2017 beeinflussen.
Dagegen sagte der Chefanalyst von Credit Suisse (CSGN 12.76 1.11%) Japan, Hiromichi Shirakawa, einen Anstieg der langfristigen Zinsen in den nächsten zwölf bis achtzehn Monaten voraus. Die Währungshüter hätten eingesehen, dass ihre Wertpapierkäufe nicht nachhaltig seien. Daher hält Shirakawa eine Verringerung dieser Käufe (Tapering) für wahrscheinlich.
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